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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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heil und sich in denselben erhalten würden, ohne hier und da Veranlassung zur
Klage zu gebe"; sie haben Administrationsbeamte in Galizien gekränkt, hier nud
da entfernt, sind unhöflich, bald gegen einen östreichischen Svbalternvffizier, bald
gegen einen General gewesen; kurz der potriotische Wiener argwöhnisch gegen den
großen Bundesgenossen seiner Regierung, sagte ihm nach, daß er sich höchst will¬
kürlich und hosfartig benehme, und der östreichische Offizier gab sich deu Anschein
die russischen Snbalternoffizicre zu verachten, verglich aber eifersüchtig die Aus¬
rüstung, Haltung und Bravour der russischen Truppen mit dem Zustand der
eigenen. Reibungen und MißHelligkeiten uuter Offizieren und Soldaten waren
unvermeidlich. Es ist darauf gar kein Gewicht zu legen, dergleichen ist immer
vorgekommen, und wird ewig stattfinden, so oft zwei verschiedene Staaten ihre
Heeresmassen zu einem gemeinsamen Unternehmen combiniren, zumal wenn dies
Unternehmen anf dem Grund und Boden der einen Macht vor sich gehn soll. Ja,
wenn wir ehrlich sein wollen, so müssen wir zugeben, daß im Ganzen genom-
men die russische Armee in Oestreich eine Haltung, Mäßigung und militärische
Würde behauptet hat, welche für uns Oestreicher zuweilen unheimlich wurde. Die
Animosität der Schwäche flüsterte deshalb in die östreichischen Ohren: die Russen
spielen falsch, sie wollen das Vertrauen der Nuthenen, der Wallachen, der Süd¬
slaven, ja sogar der Ungarn gewinnen; kurz wie die Russen sich auch benehmen
mochten, human oder böse, artig oder unartig, sie gaben Veranlassung zu Klagen.
Will man denn nicht einsehn, daß solche Beschwerden nichts sind, als ein Zeugniß
von dem Ungesunden dieser Alliance und dem Gefühl der Schwäche Oestreichs?
Allerdings führt der russische Czaar den Krieg in seinem Interesse und nicht in
dem unsern. Aber er halte bereits seinen Zweck erreicht, als die russischen Heere
siegreich in Ungarn eindrangen. Es galt ihm nicht nur die Revolution in Europa
zu bekämpfen, wie er in seinen Proclamationen sagte, sondern eben so sehr, die
furchtbare kriegerische Kraft Rußlands dem erstaunten Europa zu zeigen, und die
Völker des Südvstens zu lehren, daß die staute und Majestät nur bei ihm zu
finden sei. Wenn unsre Politiker das ärgert und wenn der unselige Staatsmann,
welcher einst so eifrig die russische Hilfe für uns anwarb, jetzt selbst darüber be¬
troffen ist, so fragen dagegen wir, wie war es möglich, etwas Anderes von der
russischen Hilfe zu erwarten? All- diese Uebelstände waren eine nothwendige Folge
der Födcrat'on selbst, eine traurige Folge der Abhängigkeit, in welcher jetzt Oest¬
reich zu Rußland steht.

Aber es kam ärger. Die Magyaren streckten die Waffen, plötzlich, unver-
hoffr und in Masse", -- und sie ergaben sich den Russen; Görgcy, die Besatzung
von Arad, die kleineren Corps, und voraussichtlich.auch Komorn und Peterwar-
dein suchen russische Corpsführer auf, um vor ihnen die Waffe" niederzulegen,
und PMewitsch zeigt nach russischer Kricgsetikette dies seinem Kaiser in der schwung¬
vollen Phrase an: Ungarn liegt zu Euer Majestät Füßen. Wohl liegt in dieser


heil und sich in denselben erhalten würden, ohne hier und da Veranlassung zur
Klage zu gebe»; sie haben Administrationsbeamte in Galizien gekränkt, hier nud
da entfernt, sind unhöflich, bald gegen einen östreichischen Svbalternvffizier, bald
gegen einen General gewesen; kurz der potriotische Wiener argwöhnisch gegen den
großen Bundesgenossen seiner Regierung, sagte ihm nach, daß er sich höchst will¬
kürlich und hosfartig benehme, und der östreichische Offizier gab sich deu Anschein
die russischen Snbalternoffizicre zu verachten, verglich aber eifersüchtig die Aus¬
rüstung, Haltung und Bravour der russischen Truppen mit dem Zustand der
eigenen. Reibungen und MißHelligkeiten uuter Offizieren und Soldaten waren
unvermeidlich. Es ist darauf gar kein Gewicht zu legen, dergleichen ist immer
vorgekommen, und wird ewig stattfinden, so oft zwei verschiedene Staaten ihre
Heeresmassen zu einem gemeinsamen Unternehmen combiniren, zumal wenn dies
Unternehmen anf dem Grund und Boden der einen Macht vor sich gehn soll. Ja,
wenn wir ehrlich sein wollen, so müssen wir zugeben, daß im Ganzen genom-
men die russische Armee in Oestreich eine Haltung, Mäßigung und militärische
Würde behauptet hat, welche für uns Oestreicher zuweilen unheimlich wurde. Die
Animosität der Schwäche flüsterte deshalb in die östreichischen Ohren: die Russen
spielen falsch, sie wollen das Vertrauen der Nuthenen, der Wallachen, der Süd¬
slaven, ja sogar der Ungarn gewinnen; kurz wie die Russen sich auch benehmen
mochten, human oder böse, artig oder unartig, sie gaben Veranlassung zu Klagen.
Will man denn nicht einsehn, daß solche Beschwerden nichts sind, als ein Zeugniß
von dem Ungesunden dieser Alliance und dem Gefühl der Schwäche Oestreichs?
Allerdings führt der russische Czaar den Krieg in seinem Interesse und nicht in
dem unsern. Aber er halte bereits seinen Zweck erreicht, als die russischen Heere
siegreich in Ungarn eindrangen. Es galt ihm nicht nur die Revolution in Europa
zu bekämpfen, wie er in seinen Proclamationen sagte, sondern eben so sehr, die
furchtbare kriegerische Kraft Rußlands dem erstaunten Europa zu zeigen, und die
Völker des Südvstens zu lehren, daß die staute und Majestät nur bei ihm zu
finden sei. Wenn unsre Politiker das ärgert und wenn der unselige Staatsmann,
welcher einst so eifrig die russische Hilfe für uns anwarb, jetzt selbst darüber be¬
troffen ist, so fragen dagegen wir, wie war es möglich, etwas Anderes von der
russischen Hilfe zu erwarten? All- diese Uebelstände waren eine nothwendige Folge
der Födcrat'on selbst, eine traurige Folge der Abhängigkeit, in welcher jetzt Oest¬
reich zu Rußland steht.

Aber es kam ärger. Die Magyaren streckten die Waffen, plötzlich, unver-
hoffr und in Masse», — und sie ergaben sich den Russen; Görgcy, die Besatzung
von Arad, die kleineren Corps, und voraussichtlich.auch Komorn und Peterwar-
dein suchen russische Corpsführer auf, um vor ihnen die Waffe» niederzulegen,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/430>, abgerufen am 05.02.2025.