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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Er nimmt nun das glückliche Bewußtsein mit sich: dieses Volk war eines Helden
nicht werth, du thatest Recht daran, es im Stiche zu lassen.

Man hat von Seiten der liberalen Partei Hecker eigentlich keinen Vorwurf
gemacht, als daß er leichtsinnig den rechtlichen Weg übersprang, daß er unzeitig
das Spiel äußerlicher Gewalt versuchte.

Dieser Vorwurf trifft doch nicht den Kernpunkt. Es gibt Fälle, wo man
mit dem Princip der Vereinbarung nicht ausreicht, weil die gegenseitigen Inter¬
essen oder auch Stimmungen keine Ausgleichung verstatten. In solchen Fällen ist
der passive Widerstand eine bequeme, aber nicht eben fördernde Maßregel. Zuletzt
entscheidet doch die Gewalt, wie es in allen großen Krisen, wie es zuletzt auch
in Deutschland geschehen ist.

Man hat dann die Berechtigung einer Revolution -- nach links oder nach
rechts hin -- aus dem Erfolg herleiten wollen. Der Erfolg ist viel, wenn er
nicht gerade aus einer Eskamotage hervorgeht, denn das materielle Uebergewicht
beruht in der Regel auf einem geistigen. Wenn Cromwell, wenn Napoleon, wenn
das Ministerium Brandenburg -- obgleich ich es durch diesen Vergleich nicht in
den Verdacht bringen will, irgendwie von Napoleonischen Geiste inficirt zu sein --
der gesetzlich bestehenden parlamentarischen Regierung durch militärische Gewalt ein
Ende machten, so lag ihre Berechtigung in der Hohlheit ihrer Gegner. Das
blos juristische Recht hält vor ernsthaften Kollisionen nicht Stich.

Aber der Erfolg ist nicht alles. Die Geschichte wird im Allgemeinen das
Vernünftige zur Geltung bringen, denn sie corrigirt sich fortwährend selber, aber
in jedem einzelnen Fall ein unmittelbares Walten des Weltgeistes wahrzunehmen,
ist Thorheit und Frivolität. Die Hauptsache bleibt immer der wirkliche Inhalt,
den ein neues Princip in die Geschichte bringt.

Und da wird jetzt wohl kaum mehr ein Zweifel darüber obwalten, daß die
sogenannte republikanische oder demokratische Partei ohne alle Berechtigung war.
Ihr Sieg wäre die Herrschaft des Unsinns, der Gemeinheit gewesen, und der
alte Absolutismus stand bei weitem höher. Republik, Demokratie sind an sich bloße
Namen; eine Perhorrescenz des Königthums und des Adels. Damit ist aber
noch nichts gethan. Hecker, die glänzendste Erscheinung unter diesen Freiheits¬
propheten, war ein roher Naturalist, der mit ein paar studentischen Phrasen die
schwierigsten Probleme abfertigte. Wenn ein Haufe Studenten die Nachtwächter
prügelt, die Wegweiser einreißt, die Klingelschnüre vor den Thüren zerschneidet,
ein paar Fenster einwirft, so ist es zwar ganz in der Ordnung, wenn sie dafür
bestraft werden, aber es ist sonst nicht viel dagegen zu sagen; ein wenig Unord¬
nung hält das Gesetz in Athem. Und wenn sie ihren Muthwillen im Namen der
Freiheit oder der Republik ausüben, so wäre der Staat sehr lächerlich, der daraus
einen Verschärfungsgrund der Strafe entnehme.

Ein anderes ist es aber, wenn dieser studentische Muthwille sich in einer


Er nimmt nun das glückliche Bewußtsein mit sich: dieses Volk war eines Helden
nicht werth, du thatest Recht daran, es im Stiche zu lassen.

Man hat von Seiten der liberalen Partei Hecker eigentlich keinen Vorwurf
gemacht, als daß er leichtsinnig den rechtlichen Weg übersprang, daß er unzeitig
das Spiel äußerlicher Gewalt versuchte.

Dieser Vorwurf trifft doch nicht den Kernpunkt. Es gibt Fälle, wo man
mit dem Princip der Vereinbarung nicht ausreicht, weil die gegenseitigen Inter¬
essen oder auch Stimmungen keine Ausgleichung verstatten. In solchen Fällen ist
der passive Widerstand eine bequeme, aber nicht eben fördernde Maßregel. Zuletzt
entscheidet doch die Gewalt, wie es in allen großen Krisen, wie es zuletzt auch
in Deutschland geschehen ist.

Man hat dann die Berechtigung einer Revolution — nach links oder nach
rechts hin — aus dem Erfolg herleiten wollen. Der Erfolg ist viel, wenn er
nicht gerade aus einer Eskamotage hervorgeht, denn das materielle Uebergewicht
beruht in der Regel auf einem geistigen. Wenn Cromwell, wenn Napoleon, wenn
das Ministerium Brandenburg — obgleich ich es durch diesen Vergleich nicht in
den Verdacht bringen will, irgendwie von Napoleonischen Geiste inficirt zu sein —
der gesetzlich bestehenden parlamentarischen Regierung durch militärische Gewalt ein
Ende machten, so lag ihre Berechtigung in der Hohlheit ihrer Gegner. Das
blos juristische Recht hält vor ernsthaften Kollisionen nicht Stich.

Aber der Erfolg ist nicht alles. Die Geschichte wird im Allgemeinen das
Vernünftige zur Geltung bringen, denn sie corrigirt sich fortwährend selber, aber
in jedem einzelnen Fall ein unmittelbares Walten des Weltgeistes wahrzunehmen,
ist Thorheit und Frivolität. Die Hauptsache bleibt immer der wirkliche Inhalt,
den ein neues Princip in die Geschichte bringt.

Und da wird jetzt wohl kaum mehr ein Zweifel darüber obwalten, daß die
sogenannte republikanische oder demokratische Partei ohne alle Berechtigung war.
Ihr Sieg wäre die Herrschaft des Unsinns, der Gemeinheit gewesen, und der
alte Absolutismus stand bei weitem höher. Republik, Demokratie sind an sich bloße
Namen; eine Perhorrescenz des Königthums und des Adels. Damit ist aber
noch nichts gethan. Hecker, die glänzendste Erscheinung unter diesen Freiheits¬
propheten, war ein roher Naturalist, der mit ein paar studentischen Phrasen die
schwierigsten Probleme abfertigte. Wenn ein Haufe Studenten die Nachtwächter
prügelt, die Wegweiser einreißt, die Klingelschnüre vor den Thüren zerschneidet,
ein paar Fenster einwirft, so ist es zwar ganz in der Ordnung, wenn sie dafür
bestraft werden, aber es ist sonst nicht viel dagegen zu sagen; ein wenig Unord¬
nung hält das Gesetz in Athem. Und wenn sie ihren Muthwillen im Namen der
Freiheit oder der Republik ausüben, so wäre der Staat sehr lächerlich, der daraus
einen Verschärfungsgrund der Strafe entnehme.

Ein anderes ist es aber, wenn dieser studentische Muthwille sich in einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/412>, abgerufen am 05.02.2025.