Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Jetzt beginnt die eigentliche Romantik. "Gebt mir tausend Mann wie ich, Im Kalabreserhut und der Bluse, Pistolen im Gürtel und den Stutzer in Die Nüchternheit trug den Sieg davou; ein paar militärische Schläge, und die Mit dieser Entfernung beginnt sein eigentlicher Ruhm. Er wurde nun der Es brach der zweite, große Aufstand in Baden aus; diesmal ernsthafter, Damals circulirte ein Brief von Hecker, worin er, glücklich in seinem Far- 52*
Jetzt beginnt die eigentliche Romantik. „Gebt mir tausend Mann wie ich, Im Kalabreserhut und der Bluse, Pistolen im Gürtel und den Stutzer in Die Nüchternheit trug den Sieg davou; ein paar militärische Schläge, und die Mit dieser Entfernung beginnt sein eigentlicher Ruhm. Er wurde nun der Es brach der zweite, große Aufstand in Baden aus; diesmal ernsthafter, Damals circulirte ein Brief von Hecker, worin er, glücklich in seinem Far- 52*
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Jetzt beginnt die eigentliche Romantik. „Gebt mir tausend Mann wie ich,
ruft Carl Moor, und ich will Deutschland in eine Republik verwandeln, gegen
welche Rom und Sparta Nonnenklöster gewesen sein sollen!" Eine wunderbare
Republik müßte das gewesen sein! mehr ähnlich den Rändern der göttlichen Vor¬
sehung in den böhmischen Wäldern, als jenen alten Freistaaten, in denen doch
immer die spießbürgerliche Gesetzlichkeit vorwaltete.
Im Kalabreserhut und der Bluse, Pistolen im Gürtel und den Stutzer in
der Hand, sammelte Hecker seine Gesellen im Nebel der Berge, um von da aus
das Gebiet der Philister zu erobern. Aus dem Land der Freiheit führte ihm der
Dichter Herwegh andere Abenteurer zu; ganz Baden war bereit sich zu erhe¬
ben. Im übrigen Deutschland sah man den Aufstand mit einer gewissen Verwun¬
derung an. Wie aus den Freischaaren sich das neue Regiment Deutschlands ent¬
wickeln sollte, das kümmerte ihren Führer nicht; sie begnügten sich, in burschikosen
Uebermuth gegen die Nüchternheit dieser Welt zu protestiren.
Die Nüchternheit trug den Sieg davou; ein paar militärische Schläge, und die
Republikaner stoben auseinander. Der Tod Gagern's bei Kandern war das einzige
Unglück, das Hecker zugestoßen ist, denn es discreditirte seine Sache. Er selber
schüttelte den Staub des undankbaren Vaterlandes, das nur Feiglinge und Ver¬
räther enthielt, von seinen Füßen, und ging nach der Schweiz, von da nach Ame¬
rika, seit alter Zeit der Znfluchsort geschlagener Patrioten.
Mit dieser Entfernung beginnt sein eigentlicher Ruhm. Er wurde nun der
Messias der Republik in Süddeutschland; man wählte ihn ins Parlament, man
sang Lieder auf ihn, man trug sich mit dunkler Prophezeihung über seine Rück¬
kehr. In jeder Hütte hing das Portrait des schönen Mannes mit dem unterneh¬
menden Bart, dem Kalabreserhut und den Pistolen im Gürtel. Wäre er wirklich
ins Parlament gekommen, so hätte ihn die Inhaltlosigkeit seiner politischen Ueber¬
zeugung bald beseitigt; selbst gegen Talente, wie Vogt und Ludwig Simon wäre
er in Schatten getreten. So blieb er nur der Held, dem seine Niederlage keine
Schande machte; warum hatte das feige Volk sich nicht unter seinen Schaaren
gesammelt?
Es brach der zweite, große Aufstand in Baden aus; diesmal ernsthafter,
denn das Militär ging zum Volke über. Allgemein erscholl der Ruf nach dem
mythischen Heros der früher» Revolution; man berief ihn aus Amerika zurück,
um die Dictatur über Deutschland zu übernehmen. Seine übrigen Gefährten hatte
man nun lange genug kennen gelernt, um sie gering zu schätzen. Man übertrug
ihnen wichtige Posten, weil eben kein Anderer da war, aber provisorisch und mit
Mißtrauen.
Damals circulirte ein Brief von Hecker, worin er, glücklich in seinem Far-
merlcben, aller politischen Freibeuterei entsagte. Dennoch folgte er dem Ruf des
Volkes und kam nach gerade zeitig genug, um den Fall der Revolution zu sehn.
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