Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Noth, der früher nichts mehr und nichts minder als ein mit in Baiern un¬
gewöhnlicher Bildung und Geschäftsgewandtheit ausgestatteter Bureaukrat im Fi¬
nanzsach gewesen war, hatte sich in kluger Spekulation fast allein unter allen
höheren Beamte" protestantischer Confession jenem bairischen Jnngprvtestantismus
seit einer Reihe von Jahren merklich zugeneigt und darüber mannigfache Spötte¬
leien erlitten. Er berechnete die Zukunft desselben nach der Rührigkeit seiner
Vertreter und dem ganzen Weltzuschnitt der Restaurationsperiode und fand, daß
sie eine glänzende sein müsse. Vielleicht eher, als er selbst gehofft hatte, warf
die Negierung, d. h. die katholisch-ultramontane und absolutistische Umgebung des
Königs ein Auge auf ihn, als den richtigen Manu, um ihre politisch-kirchlichen
Pläne im Gebiete der bairischen protestantischen Kirche fördern zu helfen. Denn
sie war natürlich umsichtig genug, um in jener Orthodoxie wenigstens eine einst¬
weilige Verbündete zu erkennen und zu begünstige". -- So wurde denn Noth
an jene hohe Stelle geschoben, in der er allen auf ihn gesetzten Erwartungen
vollkommen entsprach.

Seine Strategie war im wesentlichen dieselbe, wie die seiner katholischen
Gönner. Es handelte sich auch für ihn zunächst darum, eine Operationsbasis zu
gewinnen, ehe der eigentliche Feldzug eröffnet werden konnte, indessen hatte er
doch über viel geringere Streitkräfte zu verfügen, als jene, darum ging sein
Werk laugsam genug von Statten und war noch gar nicht weit vorgerückt, als
die Nachwirkungen der Julirevolution in den Jahren 1831 und 1832 auch luden
kirchlichen Fragen sich fühlbar zu machen begannen.

In der damaligen bairischen Kammer, in denen es bekanntlich so stürmisch
wie auf einem polnischen Reichstage zuging, wurde die ultramontane Tendenz der
Negierung ganz richtig als ein Ausfluß ihres Absolutismus bezeichnet und sehr
herb kritistrt.

Der Minister Eduard v. Schenck, selbst ein ultramoutan gewordener
Convertit, nahm sich diese Augriffe so zu Herzen, daß er abdankte und bald darauf
starb. Indessen wurde doch nichts wesentliches erreicht. Es blieb bei dem bloßen
polternden Gezänke vou Seite der liberalen Katholiken in der Kammer gegen die
Gesinnung der Regierung, uno diese konnte sich gegen sie nicht mit Fug und
Recht immer auf das Concordat und die Verfassung berufen, die bis dahin wenig¬
stens nicht nachweisbar verletzt waren. Die katholische Geistlichkeit selbst war
bereits so sehr von dein ultramontanen Netz umstrickt, daß nur sehr einzelne
Stimmen vom Rhein her im andern Sinne lant wurde", sonst stand sie wie ein
Mann sür die verfassungstreue Regierung, und der schon vorher bestandene und
auf beiden Seiten ersprießlich befundene Bund wurde damals ^in dem Sturm
der Zeiten erst recht besiegelt sür alle Ewigkeit. Die Stimmung im Volke war
bekanntlich, wie sich aus den Kammern zeigte, der Regierung entschieden feindselig,
indessen wäre sie es noch mehr gewesen, hätte nicht der Clerus seinen ganzen bis


42*

Noth, der früher nichts mehr und nichts minder als ein mit in Baiern un¬
gewöhnlicher Bildung und Geschäftsgewandtheit ausgestatteter Bureaukrat im Fi¬
nanzsach gewesen war, hatte sich in kluger Spekulation fast allein unter allen
höheren Beamte» protestantischer Confession jenem bairischen Jnngprvtestantismus
seit einer Reihe von Jahren merklich zugeneigt und darüber mannigfache Spötte¬
leien erlitten. Er berechnete die Zukunft desselben nach der Rührigkeit seiner
Vertreter und dem ganzen Weltzuschnitt der Restaurationsperiode und fand, daß
sie eine glänzende sein müsse. Vielleicht eher, als er selbst gehofft hatte, warf
die Negierung, d. h. die katholisch-ultramontane und absolutistische Umgebung des
Königs ein Auge auf ihn, als den richtigen Manu, um ihre politisch-kirchlichen
Pläne im Gebiete der bairischen protestantischen Kirche fördern zu helfen. Denn
sie war natürlich umsichtig genug, um in jener Orthodoxie wenigstens eine einst¬
weilige Verbündete zu erkennen und zu begünstige». — So wurde denn Noth
an jene hohe Stelle geschoben, in der er allen auf ihn gesetzten Erwartungen
vollkommen entsprach.

Seine Strategie war im wesentlichen dieselbe, wie die seiner katholischen
Gönner. Es handelte sich auch für ihn zunächst darum, eine Operationsbasis zu
gewinnen, ehe der eigentliche Feldzug eröffnet werden konnte, indessen hatte er
doch über viel geringere Streitkräfte zu verfügen, als jene, darum ging sein
Werk laugsam genug von Statten und war noch gar nicht weit vorgerückt, als
die Nachwirkungen der Julirevolution in den Jahren 1831 und 1832 auch luden
kirchlichen Fragen sich fühlbar zu machen begannen.

In der damaligen bairischen Kammer, in denen es bekanntlich so stürmisch
wie auf einem polnischen Reichstage zuging, wurde die ultramontane Tendenz der
Negierung ganz richtig als ein Ausfluß ihres Absolutismus bezeichnet und sehr
herb kritistrt.

Der Minister Eduard v. Schenck, selbst ein ultramoutan gewordener
Convertit, nahm sich diese Augriffe so zu Herzen, daß er abdankte und bald darauf
starb. Indessen wurde doch nichts wesentliches erreicht. Es blieb bei dem bloßen
polternden Gezänke vou Seite der liberalen Katholiken in der Kammer gegen die
Gesinnung der Regierung, uno diese konnte sich gegen sie nicht mit Fug und
Recht immer auf das Concordat und die Verfassung berufen, die bis dahin wenig¬
stens nicht nachweisbar verletzt waren. Die katholische Geistlichkeit selbst war
bereits so sehr von dein ultramontanen Netz umstrickt, daß nur sehr einzelne
Stimmen vom Rhein her im andern Sinne lant wurde», sonst stand sie wie ein
Mann sür die verfassungstreue Regierung, und der schon vorher bestandene und
auf beiden Seiten ersprießlich befundene Bund wurde damals ^in dem Sturm
der Zeiten erst recht besiegelt sür alle Ewigkeit. Die Stimmung im Volke war
bekanntlich, wie sich aus den Kammern zeigte, der Regierung entschieden feindselig,
indessen wäre sie es noch mehr gewesen, hätte nicht der Clerus seinen ganzen bis


42*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0331" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279357"/>
          <p xml:id="ID_1088"> Noth, der früher nichts mehr und nichts minder als ein mit in Baiern un¬<lb/>
gewöhnlicher Bildung und Geschäftsgewandtheit ausgestatteter Bureaukrat im Fi¬<lb/>
nanzsach gewesen war, hatte sich in kluger Spekulation fast allein unter allen<lb/>
höheren Beamte» protestantischer Confession jenem bairischen Jnngprvtestantismus<lb/>
seit einer Reihe von Jahren merklich zugeneigt und darüber mannigfache Spötte¬<lb/>
leien erlitten. Er berechnete die Zukunft desselben nach der Rührigkeit seiner<lb/>
Vertreter und dem ganzen Weltzuschnitt der Restaurationsperiode und fand, daß<lb/>
sie eine glänzende sein müsse. Vielleicht eher, als er selbst gehofft hatte, warf<lb/>
die Negierung, d. h. die katholisch-ultramontane und absolutistische Umgebung des<lb/>
Königs ein Auge auf ihn, als den richtigen Manu, um ihre politisch-kirchlichen<lb/>
Pläne im Gebiete der bairischen protestantischen Kirche fördern zu helfen. Denn<lb/>
sie war natürlich umsichtig genug, um in jener Orthodoxie wenigstens eine einst¬<lb/>
weilige Verbündete zu erkennen und zu begünstige». &#x2014; So wurde denn Noth<lb/>
an jene hohe Stelle geschoben, in der er allen auf ihn gesetzten Erwartungen<lb/>
vollkommen entsprach.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1089"> Seine Strategie war im wesentlichen dieselbe, wie die seiner katholischen<lb/>
Gönner. Es handelte sich auch für ihn zunächst darum, eine Operationsbasis zu<lb/>
gewinnen, ehe der eigentliche Feldzug eröffnet werden konnte, indessen hatte er<lb/>
doch über viel geringere Streitkräfte zu verfügen, als jene, darum ging sein<lb/>
Werk laugsam genug von Statten und war noch gar nicht weit vorgerückt, als<lb/>
die Nachwirkungen der Julirevolution in den Jahren 1831 und 1832 auch luden<lb/>
kirchlichen Fragen sich fühlbar zu machen begannen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1090"> In der damaligen bairischen Kammer, in denen es bekanntlich so stürmisch<lb/>
wie auf einem polnischen Reichstage zuging, wurde die ultramontane Tendenz der<lb/>
Negierung ganz richtig als ein Ausfluß ihres Absolutismus bezeichnet und sehr<lb/>
herb kritistrt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1091" next="#ID_1092"> Der Minister Eduard v. Schenck, selbst ein ultramoutan gewordener<lb/>
Convertit, nahm sich diese Augriffe so zu Herzen, daß er abdankte und bald darauf<lb/>
starb. Indessen wurde doch nichts wesentliches erreicht. Es blieb bei dem bloßen<lb/>
polternden Gezänke vou Seite der liberalen Katholiken in der Kammer gegen die<lb/>
Gesinnung der Regierung, uno diese konnte sich gegen sie nicht mit Fug und<lb/>
Recht immer auf das Concordat und die Verfassung berufen, die bis dahin wenig¬<lb/>
stens nicht nachweisbar verletzt waren. Die katholische Geistlichkeit selbst war<lb/>
bereits so sehr von dein ultramontanen Netz umstrickt, daß nur sehr einzelne<lb/>
Stimmen vom Rhein her im andern Sinne lant wurde», sonst stand sie wie ein<lb/>
Mann sür die verfassungstreue Regierung, und der schon vorher bestandene und<lb/>
auf beiden Seiten ersprießlich befundene Bund wurde damals ^in dem Sturm<lb/>
der Zeiten erst recht besiegelt sür alle Ewigkeit. Die Stimmung im Volke war<lb/>
bekanntlich, wie sich aus den Kammern zeigte, der Regierung entschieden feindselig,<lb/>
indessen wäre sie es noch mehr gewesen, hätte nicht der Clerus seinen ganzen bis</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 42*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0331] Noth, der früher nichts mehr und nichts minder als ein mit in Baiern un¬ gewöhnlicher Bildung und Geschäftsgewandtheit ausgestatteter Bureaukrat im Fi¬ nanzsach gewesen war, hatte sich in kluger Spekulation fast allein unter allen höheren Beamte» protestantischer Confession jenem bairischen Jnngprvtestantismus seit einer Reihe von Jahren merklich zugeneigt und darüber mannigfache Spötte¬ leien erlitten. Er berechnete die Zukunft desselben nach der Rührigkeit seiner Vertreter und dem ganzen Weltzuschnitt der Restaurationsperiode und fand, daß sie eine glänzende sein müsse. Vielleicht eher, als er selbst gehofft hatte, warf die Negierung, d. h. die katholisch-ultramontane und absolutistische Umgebung des Königs ein Auge auf ihn, als den richtigen Manu, um ihre politisch-kirchlichen Pläne im Gebiete der bairischen protestantischen Kirche fördern zu helfen. Denn sie war natürlich umsichtig genug, um in jener Orthodoxie wenigstens eine einst¬ weilige Verbündete zu erkennen und zu begünstige». — So wurde denn Noth an jene hohe Stelle geschoben, in der er allen auf ihn gesetzten Erwartungen vollkommen entsprach. Seine Strategie war im wesentlichen dieselbe, wie die seiner katholischen Gönner. Es handelte sich auch für ihn zunächst darum, eine Operationsbasis zu gewinnen, ehe der eigentliche Feldzug eröffnet werden konnte, indessen hatte er doch über viel geringere Streitkräfte zu verfügen, als jene, darum ging sein Werk laugsam genug von Statten und war noch gar nicht weit vorgerückt, als die Nachwirkungen der Julirevolution in den Jahren 1831 und 1832 auch luden kirchlichen Fragen sich fühlbar zu machen begannen. In der damaligen bairischen Kammer, in denen es bekanntlich so stürmisch wie auf einem polnischen Reichstage zuging, wurde die ultramontane Tendenz der Negierung ganz richtig als ein Ausfluß ihres Absolutismus bezeichnet und sehr herb kritistrt. Der Minister Eduard v. Schenck, selbst ein ultramoutan gewordener Convertit, nahm sich diese Augriffe so zu Herzen, daß er abdankte und bald darauf starb. Indessen wurde doch nichts wesentliches erreicht. Es blieb bei dem bloßen polternden Gezänke vou Seite der liberalen Katholiken in der Kammer gegen die Gesinnung der Regierung, uno diese konnte sich gegen sie nicht mit Fug und Recht immer auf das Concordat und die Verfassung berufen, die bis dahin wenig¬ stens nicht nachweisbar verletzt waren. Die katholische Geistlichkeit selbst war bereits so sehr von dein ultramontanen Netz umstrickt, daß nur sehr einzelne Stimmen vom Rhein her im andern Sinne lant wurde», sonst stand sie wie ein Mann sür die verfassungstreue Regierung, und der schon vorher bestandene und auf beiden Seiten ersprießlich befundene Bund wurde damals ^in dem Sturm der Zeiten erst recht besiegelt sür alle Ewigkeit. Die Stimmung im Volke war bekanntlich, wie sich aus den Kammern zeigte, der Regierung entschieden feindselig, indessen wäre sie es noch mehr gewesen, hätte nicht der Clerus seinen ganzen bis 42*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/331
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/331>, abgerufen am 05.02.2025.