Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Preußische Briefe.



Achtzehnter Vries.
Die zweite Kamme r.

In der Zusammensetzung unserer gegenwärtigen Kammer, die man als den
Ausdruck der conservcitiven Partei Preußens betrachten kann, stellt sich folgendes
Verhältniß heraus. Bei weitem das überwiegende Moment macht der Grundbesitz
aus. Es sind, die 17 Schulzen mit eingerechnet, 148 Grundbesitzer in dieser
Kammer, soweit die Wahlen bisher bekannt sind. Darunter sehr viel Vollblut:
ein Herzog, ein Fürst, 14 Grafen, !> Freiherrn und eine unzählige Menge von
Edelleuten. 44 Kreise haben ihre Landräthe geschickt, außerdem find die Ge¬
nerallandschaftsräthe , die Amtsräthe, die Oberamrmänner u. f. w. in hinlänglicher
Zahl vorhanden.

Aus dem Osstcierstand finde ich nur 4 Mitglieder, was eigentlich bei der
Beschaffenheit der Wahlen zu verwundern ist: die Generale Stockhausen und
Reyher, Oberst Griesheim und Major Wallmonth. Die beiden letztern
waren bereits Mitglieder der vorigen Kammer. Major v. V o igts - R h eetz,
der als Vertreter der deutsch-posenschen Interessen in die letzte Session geschickt
war, ist diesmal uicht wieder gewählt. Von königlichen Beamten gehören 45
der Verwaltung, 61 der Justiz an. Unter den letzteren sind diesmal auffallend
wenig Advvcate", aver auch wenig höhere Beamte: eigentlich nnr der Präsident
des Oberlandcsgerichts zu Ratibor, dessen politisches Glaubensbekenntniß die Grenz¬
boten in einem der letzten Hefte besprochen haben. Den Stamm bilden diesmal
die Directoren der Kreisgerichte, was eine sehr angemessene Ergänzung jener 44
Landräthe ausmacht. Die Regierungsbeamten gehören natürlich zum großen Theil
der höhern Classe der Bureaukratie an. Außer den beiden Ministern Manteuffel
und v. d. Hevdt, die schon in der vorigen Kammer waren, und 4 Präsidenten
<v. Patow, v. Ucchtritz, Bvuseri und Kühlwetter) sind das übrige fast
lauter Ncgicrungsräthe, geheime und öffentliche.

Städtische Abgeordnete zähle ich 45; darunter 14 Bürgermeister, 15 Kaufleute.
Von bekannten politischen Notabilitäten ist darunter nnr Beckerath, der ehe¬
malige Finanzminister des Reichs; die Camphausen, Hansemann, Mevissen, Milde
u. f. w. fehlen, sie sind fast alle in der ersten Kammer.

Der specifische Gelehrtenstand, wenn man einen solchen zulassen will, ent¬
hält 32 Mitglieder: 12 Pastoren, 8 Gymnasiallehrer, meist Directoren, 2 Aerzte,
6 Universitäts-Professoren, einen Redacteur (Moecke, von der schlesischen Zeitung


38*
Preußische Briefe.



Achtzehnter Vries.
Die zweite Kamme r.

In der Zusammensetzung unserer gegenwärtigen Kammer, die man als den
Ausdruck der conservcitiven Partei Preußens betrachten kann, stellt sich folgendes
Verhältniß heraus. Bei weitem das überwiegende Moment macht der Grundbesitz
aus. Es sind, die 17 Schulzen mit eingerechnet, 148 Grundbesitzer in dieser
Kammer, soweit die Wahlen bisher bekannt sind. Darunter sehr viel Vollblut:
ein Herzog, ein Fürst, 14 Grafen, !> Freiherrn und eine unzählige Menge von
Edelleuten. 44 Kreise haben ihre Landräthe geschickt, außerdem find die Ge¬
nerallandschaftsräthe , die Amtsräthe, die Oberamrmänner u. f. w. in hinlänglicher
Zahl vorhanden.

Aus dem Osstcierstand finde ich nur 4 Mitglieder, was eigentlich bei der
Beschaffenheit der Wahlen zu verwundern ist: die Generale Stockhausen und
Reyher, Oberst Griesheim und Major Wallmonth. Die beiden letztern
waren bereits Mitglieder der vorigen Kammer. Major v. V o igts - R h eetz,
der als Vertreter der deutsch-posenschen Interessen in die letzte Session geschickt
war, ist diesmal uicht wieder gewählt. Von königlichen Beamten gehören 45
der Verwaltung, 61 der Justiz an. Unter den letzteren sind diesmal auffallend
wenig Advvcate», aver auch wenig höhere Beamte: eigentlich nnr der Präsident
des Oberlandcsgerichts zu Ratibor, dessen politisches Glaubensbekenntniß die Grenz¬
boten in einem der letzten Hefte besprochen haben. Den Stamm bilden diesmal
die Directoren der Kreisgerichte, was eine sehr angemessene Ergänzung jener 44
Landräthe ausmacht. Die Regierungsbeamten gehören natürlich zum großen Theil
der höhern Classe der Bureaukratie an. Außer den beiden Ministern Manteuffel
und v. d. Hevdt, die schon in der vorigen Kammer waren, und 4 Präsidenten
<v. Patow, v. Ucchtritz, Bvuseri und Kühlwetter) sind das übrige fast
lauter Ncgicrungsräthe, geheime und öffentliche.

Städtische Abgeordnete zähle ich 45; darunter 14 Bürgermeister, 15 Kaufleute.
Von bekannten politischen Notabilitäten ist darunter nnr Beckerath, der ehe¬
malige Finanzminister des Reichs; die Camphausen, Hansemann, Mevissen, Milde
u. f. w. fehlen, sie sind fast alle in der ersten Kammer.

Der specifische Gelehrtenstand, wenn man einen solchen zulassen will, ent¬
hält 32 Mitglieder: 12 Pastoren, 8 Gymnasiallehrer, meist Directoren, 2 Aerzte,
6 Universitäts-Professoren, einen Redacteur (Moecke, von der schlesischen Zeitung


38*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0299" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279325"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Preußische Briefe.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> Achtzehnter Vries.<lb/>
Die zweite Kamme r.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_966"> In der Zusammensetzung unserer gegenwärtigen Kammer, die man als den<lb/>
Ausdruck der conservcitiven Partei Preußens betrachten kann, stellt sich folgendes<lb/>
Verhältniß heraus. Bei weitem das überwiegende Moment macht der Grundbesitz<lb/>
aus. Es sind, die 17 Schulzen mit eingerechnet, 148 Grundbesitzer in dieser<lb/>
Kammer, soweit die Wahlen bisher bekannt sind. Darunter sehr viel Vollblut:<lb/>
ein Herzog, ein Fürst, 14 Grafen, !&gt; Freiherrn und eine unzählige Menge von<lb/>
Edelleuten. 44 Kreise haben ihre Landräthe geschickt, außerdem find die Ge¬<lb/>
nerallandschaftsräthe , die Amtsräthe, die Oberamrmänner u. f. w. in hinlänglicher<lb/>
Zahl vorhanden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_967"> Aus dem Osstcierstand finde ich nur 4 Mitglieder, was eigentlich bei der<lb/>
Beschaffenheit der Wahlen zu verwundern ist: die Generale Stockhausen und<lb/>
Reyher, Oberst Griesheim und Major Wallmonth. Die beiden letztern<lb/>
waren bereits Mitglieder der vorigen Kammer. Major v. V o igts - R h eetz,<lb/>
der als Vertreter der deutsch-posenschen Interessen in die letzte Session geschickt<lb/>
war, ist diesmal uicht wieder gewählt. Von königlichen Beamten gehören 45<lb/>
der Verwaltung, 61 der Justiz an. Unter den letzteren sind diesmal auffallend<lb/>
wenig Advvcate», aver auch wenig höhere Beamte: eigentlich nnr der Präsident<lb/>
des Oberlandcsgerichts zu Ratibor, dessen politisches Glaubensbekenntniß die Grenz¬<lb/>
boten in einem der letzten Hefte besprochen haben. Den Stamm bilden diesmal<lb/>
die Directoren der Kreisgerichte, was eine sehr angemessene Ergänzung jener 44<lb/>
Landräthe ausmacht. Die Regierungsbeamten gehören natürlich zum großen Theil<lb/>
der höhern Classe der Bureaukratie an. Außer den beiden Ministern Manteuffel<lb/>
und v. d. Hevdt, die schon in der vorigen Kammer waren, und 4 Präsidenten<lb/>
&lt;v. Patow, v. Ucchtritz, Bvuseri und Kühlwetter) sind das übrige fast<lb/>
lauter Ncgicrungsräthe, geheime und öffentliche.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_968"> Städtische Abgeordnete zähle ich 45; darunter 14 Bürgermeister, 15 Kaufleute.<lb/>
Von bekannten politischen Notabilitäten ist darunter nnr Beckerath, der ehe¬<lb/>
malige Finanzminister des Reichs; die Camphausen, Hansemann, Mevissen, Milde<lb/>
u. f. w. fehlen, sie sind fast alle in der ersten Kammer.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_969" next="#ID_970"> Der specifische Gelehrtenstand, wenn man einen solchen zulassen will, ent¬<lb/>
hält 32 Mitglieder: 12 Pastoren, 8 Gymnasiallehrer, meist Directoren, 2 Aerzte,<lb/>
6 Universitäts-Professoren, einen Redacteur (Moecke, von der schlesischen Zeitung</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 38*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0299] Preußische Briefe. Achtzehnter Vries. Die zweite Kamme r. In der Zusammensetzung unserer gegenwärtigen Kammer, die man als den Ausdruck der conservcitiven Partei Preußens betrachten kann, stellt sich folgendes Verhältniß heraus. Bei weitem das überwiegende Moment macht der Grundbesitz aus. Es sind, die 17 Schulzen mit eingerechnet, 148 Grundbesitzer in dieser Kammer, soweit die Wahlen bisher bekannt sind. Darunter sehr viel Vollblut: ein Herzog, ein Fürst, 14 Grafen, !> Freiherrn und eine unzählige Menge von Edelleuten. 44 Kreise haben ihre Landräthe geschickt, außerdem find die Ge¬ nerallandschaftsräthe , die Amtsräthe, die Oberamrmänner u. f. w. in hinlänglicher Zahl vorhanden. Aus dem Osstcierstand finde ich nur 4 Mitglieder, was eigentlich bei der Beschaffenheit der Wahlen zu verwundern ist: die Generale Stockhausen und Reyher, Oberst Griesheim und Major Wallmonth. Die beiden letztern waren bereits Mitglieder der vorigen Kammer. Major v. V o igts - R h eetz, der als Vertreter der deutsch-posenschen Interessen in die letzte Session geschickt war, ist diesmal uicht wieder gewählt. Von königlichen Beamten gehören 45 der Verwaltung, 61 der Justiz an. Unter den letzteren sind diesmal auffallend wenig Advvcate», aver auch wenig höhere Beamte: eigentlich nnr der Präsident des Oberlandcsgerichts zu Ratibor, dessen politisches Glaubensbekenntniß die Grenz¬ boten in einem der letzten Hefte besprochen haben. Den Stamm bilden diesmal die Directoren der Kreisgerichte, was eine sehr angemessene Ergänzung jener 44 Landräthe ausmacht. Die Regierungsbeamten gehören natürlich zum großen Theil der höhern Classe der Bureaukratie an. Außer den beiden Ministern Manteuffel und v. d. Hevdt, die schon in der vorigen Kammer waren, und 4 Präsidenten <v. Patow, v. Ucchtritz, Bvuseri und Kühlwetter) sind das übrige fast lauter Ncgicrungsräthe, geheime und öffentliche. Städtische Abgeordnete zähle ich 45; darunter 14 Bürgermeister, 15 Kaufleute. Von bekannten politischen Notabilitäten ist darunter nnr Beckerath, der ehe¬ malige Finanzminister des Reichs; die Camphausen, Hansemann, Mevissen, Milde u. f. w. fehlen, sie sind fast alle in der ersten Kammer. Der specifische Gelehrtenstand, wenn man einen solchen zulassen will, ent¬ hält 32 Mitglieder: 12 Pastoren, 8 Gymnasiallehrer, meist Directoren, 2 Aerzte, 6 Universitäts-Professoren, einen Redacteur (Moecke, von der schlesischen Zeitung 38*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/299
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/299>, abgerufen am 05.02.2025.