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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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hauptete die Opposition, daß demohngeachtet das Finanzbudget sich nicht wesent¬
lich vermindern wollte. Zur Strafe wurde die Opposition unter diesem König,
der sich selbst bei seiner Thronbesteigung den "wärmsten Freund" der in Däne¬
mark seit 1771 bestehenden Preßfreiheit titulirt hatte, durch sehr viele Preßpro¬
cesse belästigt und beschränkt.

Im Januar 1844 theilte der jetzige König, Friedrich Vk. seinen Constitu-
tionscntwurs mit, der von den Schleswig-holsteinischen Parteiführern nicht geneh¬
migt wurde; aber auch die Ultra-Dänen waren mit seinem Entwurf unzufrieden,
weil er auf die Gesainmtstaatidee basirt war. Die Symptome der Unzufriedenheit
in den, Herzogthümern wurden drohend. Die alte Regierung blieb in ihrem
lethargischen Schlafe, sie war nicht zu bewegen, auch uur ein Regiment nach Rends-
burg zu schicken. Plötzlich kam die.stunde nach Kopenhagen, daß der Prinz von
Noer mit einer Hand voll Kieler Jäger Rendsburg überrumpelt habe. Da ver¬
schwanden alle Parteirücksichten, es galt die Nativnalehre zu vertheidigen, Alle
wurden im Augenblicke der Gefahr von der allgemeinen Begeisterung ergriffen.
Ein Ministerium ans Bürgerlichen wurde erwählt und für verantwortlich erklärt,
ohne daß Dänemark eine Konstitution hatte. Ein Armeecorps wurde von dem
tüchtigen Kriegsminister Scherning organisirt und auf der jütischen Grenze und
der Insel Alsen zusammengezogen. Es zählte zwar uur 8--W00 Mann, war aber
stark genug, den Prinzen von Noer, der mit seinen Truppen und Freischärlern
schon in dem dänischen Theil Schleswigs eingefallen war, bei Bau und Flensburg
den 2. April zu schlagen. Hier hörte man zum erstenmal den Namen N y e nen¬
nen. Von Mund zu Munde flog es, wie der Major immer in der vordersten
Reihe gestanden, im heftigsten Feuer sorglos hin und hergeschritten, sein Batail¬
lon freundlich aufgemuntert und trefflich geleitet habe. In einer so ganz uner-
fahrenen Armee wurde diese Bravour treuherzig und breit als etwas Neues belobt
und bewundert, wandte schon damals die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihn, und
wachte ihn zum Liebling der Truppen. Rhe war ein Fünfziger, von rüstigem
aber kleinem Wuchs, mit offnen einnehmenden Gesichtszügen, hellblonden Haar.
Er hatte unter den früheren Militärzuständcu wohl 30 Jahre im Garnisonsdienst
gelebt, unbekannt und unbeachtet. Bon 181!) bis 1842 hatte er in den Herzog¬
thümern garnisonirt; später lebte er, mit einer Hvlsteincrin verheirathet, in der
Nähe von Kopenhagen, in friedlicher Stille sein häusliches Glück genießend.

Von Geburt war er ein Norweger; er verließ mit seinem Freund, dem in der
dänischen Armee hochgeschätzten General Schleppegrell sein Vaterland, als es
1814 von Dänemark getrennt wurde. Die Verbindung mit Schweden war ihm,
>vie Vielen, zuwider, umsomehr, als Norwegen, gegen den Wiener Kongreß re¬
volutionär,, sich schon als selbständiges ^Königreich constituirt und eine
eigne Verfassung gegeben hatte. Mit dem Könige weniger Wochen, dem spä-


Grenzboten. in. 1849. <!4

hauptete die Opposition, daß demohngeachtet das Finanzbudget sich nicht wesent¬
lich vermindern wollte. Zur Strafe wurde die Opposition unter diesem König,
der sich selbst bei seiner Thronbesteigung den „wärmsten Freund" der in Däne¬
mark seit 1771 bestehenden Preßfreiheit titulirt hatte, durch sehr viele Preßpro¬
cesse belästigt und beschränkt.

Im Januar 1844 theilte der jetzige König, Friedrich Vk. seinen Constitu-
tionscntwurs mit, der von den Schleswig-holsteinischen Parteiführern nicht geneh¬
migt wurde; aber auch die Ultra-Dänen waren mit seinem Entwurf unzufrieden,
weil er auf die Gesainmtstaatidee basirt war. Die Symptome der Unzufriedenheit
in den, Herzogthümern wurden drohend. Die alte Regierung blieb in ihrem
lethargischen Schlafe, sie war nicht zu bewegen, auch uur ein Regiment nach Rends-
burg zu schicken. Plötzlich kam die.stunde nach Kopenhagen, daß der Prinz von
Noer mit einer Hand voll Kieler Jäger Rendsburg überrumpelt habe. Da ver¬
schwanden alle Parteirücksichten, es galt die Nativnalehre zu vertheidigen, Alle
wurden im Augenblicke der Gefahr von der allgemeinen Begeisterung ergriffen.
Ein Ministerium ans Bürgerlichen wurde erwählt und für verantwortlich erklärt,
ohne daß Dänemark eine Konstitution hatte. Ein Armeecorps wurde von dem
tüchtigen Kriegsminister Scherning organisirt und auf der jütischen Grenze und
der Insel Alsen zusammengezogen. Es zählte zwar uur 8—W00 Mann, war aber
stark genug, den Prinzen von Noer, der mit seinen Truppen und Freischärlern
schon in dem dänischen Theil Schleswigs eingefallen war, bei Bau und Flensburg
den 2. April zu schlagen. Hier hörte man zum erstenmal den Namen N y e nen¬
nen. Von Mund zu Munde flog es, wie der Major immer in der vordersten
Reihe gestanden, im heftigsten Feuer sorglos hin und hergeschritten, sein Batail¬
lon freundlich aufgemuntert und trefflich geleitet habe. In einer so ganz uner-
fahrenen Armee wurde diese Bravour treuherzig und breit als etwas Neues belobt
und bewundert, wandte schon damals die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihn, und
wachte ihn zum Liebling der Truppen. Rhe war ein Fünfziger, von rüstigem
aber kleinem Wuchs, mit offnen einnehmenden Gesichtszügen, hellblonden Haar.
Er hatte unter den früheren Militärzuständcu wohl 30 Jahre im Garnisonsdienst
gelebt, unbekannt und unbeachtet. Bon 181!) bis 1842 hatte er in den Herzog¬
thümern garnisonirt; später lebte er, mit einer Hvlsteincrin verheirathet, in der
Nähe von Kopenhagen, in friedlicher Stille sein häusliches Glück genießend.

Von Geburt war er ein Norweger; er verließ mit seinem Freund, dem in der
dänischen Armee hochgeschätzten General Schleppegrell sein Vaterland, als es
1814 von Dänemark getrennt wurde. Die Verbindung mit Schweden war ihm,
>vie Vielen, zuwider, umsomehr, als Norwegen, gegen den Wiener Kongreß re¬
volutionär,, sich schon als selbständiges ^Königreich constituirt und eine
eigne Verfassung gegeben hatte. Mit dem Könige weniger Wochen, dem spä-


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[0265] hauptete die Opposition, daß demohngeachtet das Finanzbudget sich nicht wesent¬ lich vermindern wollte. Zur Strafe wurde die Opposition unter diesem König, der sich selbst bei seiner Thronbesteigung den „wärmsten Freund" der in Däne¬ mark seit 1771 bestehenden Preßfreiheit titulirt hatte, durch sehr viele Preßpro¬ cesse belästigt und beschränkt. Im Januar 1844 theilte der jetzige König, Friedrich Vk. seinen Constitu- tionscntwurs mit, der von den Schleswig-holsteinischen Parteiführern nicht geneh¬ migt wurde; aber auch die Ultra-Dänen waren mit seinem Entwurf unzufrieden, weil er auf die Gesainmtstaatidee basirt war. Die Symptome der Unzufriedenheit in den, Herzogthümern wurden drohend. Die alte Regierung blieb in ihrem lethargischen Schlafe, sie war nicht zu bewegen, auch uur ein Regiment nach Rends- burg zu schicken. Plötzlich kam die.stunde nach Kopenhagen, daß der Prinz von Noer mit einer Hand voll Kieler Jäger Rendsburg überrumpelt habe. Da ver¬ schwanden alle Parteirücksichten, es galt die Nativnalehre zu vertheidigen, Alle wurden im Augenblicke der Gefahr von der allgemeinen Begeisterung ergriffen. Ein Ministerium ans Bürgerlichen wurde erwählt und für verantwortlich erklärt, ohne daß Dänemark eine Konstitution hatte. Ein Armeecorps wurde von dem tüchtigen Kriegsminister Scherning organisirt und auf der jütischen Grenze und der Insel Alsen zusammengezogen. Es zählte zwar uur 8—W00 Mann, war aber stark genug, den Prinzen von Noer, der mit seinen Truppen und Freischärlern schon in dem dänischen Theil Schleswigs eingefallen war, bei Bau und Flensburg den 2. April zu schlagen. Hier hörte man zum erstenmal den Namen N y e nen¬ nen. Von Mund zu Munde flog es, wie der Major immer in der vordersten Reihe gestanden, im heftigsten Feuer sorglos hin und hergeschritten, sein Batail¬ lon freundlich aufgemuntert und trefflich geleitet habe. In einer so ganz uner- fahrenen Armee wurde diese Bravour treuherzig und breit als etwas Neues belobt und bewundert, wandte schon damals die öffentliche Aufmerksamkeit auf ihn, und wachte ihn zum Liebling der Truppen. Rhe war ein Fünfziger, von rüstigem aber kleinem Wuchs, mit offnen einnehmenden Gesichtszügen, hellblonden Haar. Er hatte unter den früheren Militärzuständcu wohl 30 Jahre im Garnisonsdienst gelebt, unbekannt und unbeachtet. Bon 181!) bis 1842 hatte er in den Herzog¬ thümern garnisonirt; später lebte er, mit einer Hvlsteincrin verheirathet, in der Nähe von Kopenhagen, in friedlicher Stille sein häusliches Glück genießend. Von Geburt war er ein Norweger; er verließ mit seinem Freund, dem in der dänischen Armee hochgeschätzten General Schleppegrell sein Vaterland, als es 1814 von Dänemark getrennt wurde. Die Verbindung mit Schweden war ihm, >vie Vielen, zuwider, umsomehr, als Norwegen, gegen den Wiener Kongreß re¬ volutionär,, sich schon als selbständiges ^Königreich constituirt und eine eigne Verfassung gegeben hatte. Mit dem Könige weniger Wochen, dem spä- Grenzboten. in. 1849. <!4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/265>, abgerufen am 05.02.2025.