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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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"Wozu sollen die Verschanzungen dort?" fragte ich neulich meinen Nachbar
im Kahne. "Phe," winkte er mir geheimnißvoll, "dem Türken und dem Kö¬
nig von Preußen, der den Erzherzog Johann fortgejagt hat, gelten sie." DaS
wähnt hier so Mancher, während wir überzeugt sind, daß sie keinem andern
Feinde gelten, als -- dem treuen Prag.

Das ist also der Lohn für die Treue, womit man hier Charpie zupft, Ban¬
dagen bereitet, Freiwillige gegen Kossuth in's Feld stellt, und eine so wackere Na-
tionalgarde besitzt. Das ist der Lohn für die reichlichen Sammlungen und Akade¬
mien, die hier veranstaltet werden, mit Gott, für Kaiser und Vaterland!!? --
O über den hochherzigen Patriotismus! Es kehrt sich trotzdem nicht daran, thut
unumwunden seine Pflicht und -- schweigt, als ein wahres Vorbild des unbe¬
dingten Gehorsams und unerschütterlicher Treue.

Das Freicorps wollen Sie noch sehen, mein Freund, das böhmische
Freicorps mit dem böhmischen Löwen und den blauen Hosen? Nehmen Sie die
Laterne, mein Diogenes, und suchen Sie es. Und wenn Sie es finden sollten,
woran ich aber sehr zweifle, so senden Sie es Hawliczek, der ihm eine andere
Bestimmung anweisen will, als in den Theißpusten den Ausschlag zu geben; der
es wird an den Rhein schicken, um die Deutschen zu züchtigen, das böhmische Roß
zu tränken in den Wässern des deutschen Stromes und mit weißrothblauer Fahne
dessen Wogen zu durchschwimmen."

Alle Zeitungen haben von diesem Freicorps gefabelt, das der böhmische Pa¬
triotismus seinem Kaiser gegen die Ungarn ausrüstet. Geld für einige bunte Röcke
ist zusammengebracht; aber Corpsleute sind nicht zwanzig Mann zusammen gekom¬
men und darunter, wie man sich erzählt, neunzehn Aspiranten für die Offizier¬
chargen. Es gehört die loyale Gutmüthigkeit unserer Provinzialen dazu, bei jenem
Kriege, dem ungeheuern, völkermordenden, wo eine halbe Million Kerntruppen
gegen eine verzweifelte Nation im Felde liegt, mit einem herausgeputzten Frei¬
corps zu Hilfe kommen zu wollen. Wir haben seit dem vorigen Frühjahr in all
dem bittern Ernst unserer schweren Zeit die Schwäche für ein phantastisches Co-
mödienspiel noch nicht verloren. Auch das Project dieses Freicorps gehört zu den
kleinen Abderitenstreichen unserer loyalen Politiker.




„Wozu sollen die Verschanzungen dort?" fragte ich neulich meinen Nachbar
im Kahne. „Phe," winkte er mir geheimnißvoll, „dem Türken und dem Kö¬
nig von Preußen, der den Erzherzog Johann fortgejagt hat, gelten sie." DaS
wähnt hier so Mancher, während wir überzeugt sind, daß sie keinem andern
Feinde gelten, als — dem treuen Prag.

Das ist also der Lohn für die Treue, womit man hier Charpie zupft, Ban¬
dagen bereitet, Freiwillige gegen Kossuth in's Feld stellt, und eine so wackere Na-
tionalgarde besitzt. Das ist der Lohn für die reichlichen Sammlungen und Akade¬
mien, die hier veranstaltet werden, mit Gott, für Kaiser und Vaterland!!? —
O über den hochherzigen Patriotismus! Es kehrt sich trotzdem nicht daran, thut
unumwunden seine Pflicht und — schweigt, als ein wahres Vorbild des unbe¬
dingten Gehorsams und unerschütterlicher Treue.

Das Freicorps wollen Sie noch sehen, mein Freund, das böhmische
Freicorps mit dem böhmischen Löwen und den blauen Hosen? Nehmen Sie die
Laterne, mein Diogenes, und suchen Sie es. Und wenn Sie es finden sollten,
woran ich aber sehr zweifle, so senden Sie es Hawliczek, der ihm eine andere
Bestimmung anweisen will, als in den Theißpusten den Ausschlag zu geben; der
es wird an den Rhein schicken, um die Deutschen zu züchtigen, das böhmische Roß
zu tränken in den Wässern des deutschen Stromes und mit weißrothblauer Fahne
dessen Wogen zu durchschwimmen."

Alle Zeitungen haben von diesem Freicorps gefabelt, das der böhmische Pa¬
triotismus seinem Kaiser gegen die Ungarn ausrüstet. Geld für einige bunte Röcke
ist zusammengebracht; aber Corpsleute sind nicht zwanzig Mann zusammen gekom¬
men und darunter, wie man sich erzählt, neunzehn Aspiranten für die Offizier¬
chargen. Es gehört die loyale Gutmüthigkeit unserer Provinzialen dazu, bei jenem
Kriege, dem ungeheuern, völkermordenden, wo eine halbe Million Kerntruppen
gegen eine verzweifelte Nation im Felde liegt, mit einem herausgeputzten Frei¬
corps zu Hilfe kommen zu wollen. Wir haben seit dem vorigen Frühjahr in all
dem bittern Ernst unserer schweren Zeit die Schwäche für ein phantastisches Co-
mödienspiel noch nicht verloren. Auch das Project dieses Freicorps gehört zu den
kleinen Abderitenstreichen unserer loyalen Politiker.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/235>, abgerufen am 05.02.2025.