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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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wiefern die großdentschen Intriguen, geleitet durch den bairischen Minister v. d.
Pfordten, der deu 12. Juni nach Wien, von da nach Berlin abreiste, hinreichen
werden, das auf militärische Ueberlegenheit gestützte Separatbündniß zu brechen,
wird die nächste Zukunft lehren.




Die Technik des Dramas.



In letzter Zeit wurden den Grenzboten einige historische Dramen im Manu-
script für den Abdruck eingesandt, das Wohlwollen der Dichter berief sich dabei
ans einen frühern Aufsatz dieser Blätter über deutsche Kunst. Wir haben diese
Dramen nicht abgedruckt und die Absender mögen die Gründe dafür in dem Fol¬
genden finden; unsern Lesern aber, welche die Ueberzeugung theilen, daß unter den
Kunstgattungen der Poesie vorzugsweise das Drama berufen sei, in unsrer näch¬
sten Zukunft das ideale Empfinden der Nation darzustellen, sollen diese Zeilen
einige Wahrheiten in verständlicher Sprache zusammenstellen.

Das Drama hat die Aufgabe, unserem Ange und Ohr Personen vorzuführen,
welche durch den Antheil an einer Begebenheit, die von ihrem Anfang bis zu ihrem
Ende übersichtlich ist, verbunden sind. Die Begebenheit muß uns durch die Worte
und Thaten verschiedener Personen klar werden, die Personen müssen uns ihrer
Eigenthümlichkeit nach durch und dnrch verständlich und interessant sein, oder,
wie man zu sagen pflegt, sie müssen Charaktere werden. Deshalb hat jedes
Drama einen gesetzlichen Verlauf, feste Abtheilungen und Einschnitte. Der An¬
fang führt uns die Hauptpersonen, die Helden des Stückes so vor, daß sich ihr
Wesen und ihre Eigenthümlichkeit noch frei und unbefangen ausspricht, gewöhn¬
lich grade in dem Augenblick, wo durch eine änßere Anregung oder eine innere Ge-
dankenverbindung der Anfang von einem großen Gefühl oder Wollen sich in ihnen
ausdrückt. Dies ist die Einleitung eines jeden Dramas, in der Regel der erste Akt.
Die beiden folgenden Akte zeigen, wie in den Helden des Stückes nach und nach
die Leidenschaft immer heftiger aufgeht, wie ihr Verlangen durch äußere Um¬
stände begünstigt oder durchkreuzt wird, bis endlich, in der Regel im dritten Akt,
die volle Gluth ihres Gefühls und Willens sich in einer That concentrirt. Die¬
ser Moment ist der Höhenpunkt des Dramas, von ihm beginnt die "Umkehr", die
Charaktere erscheinen bis dahin in einseitigem aber in erfolgreichem Begehren, von
Innen nach Außen wirkend und die Lebensverhältnisse, in welchen sie auftreten,
mit sich verändernd. Jetzt aber tritt der Punkt ein, wo das, was sie gethan
haben, auf sie selbst zurückwirkt und eine Macht über sie gewinnt, welche immer


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wiefern die großdentschen Intriguen, geleitet durch den bairischen Minister v. d.
Pfordten, der deu 12. Juni nach Wien, von da nach Berlin abreiste, hinreichen
werden, das auf militärische Ueberlegenheit gestützte Separatbündniß zu brechen,
wird die nächste Zukunft lehren.




Die Technik des Dramas.



In letzter Zeit wurden den Grenzboten einige historische Dramen im Manu-
script für den Abdruck eingesandt, das Wohlwollen der Dichter berief sich dabei
ans einen frühern Aufsatz dieser Blätter über deutsche Kunst. Wir haben diese
Dramen nicht abgedruckt und die Absender mögen die Gründe dafür in dem Fol¬
genden finden; unsern Lesern aber, welche die Ueberzeugung theilen, daß unter den
Kunstgattungen der Poesie vorzugsweise das Drama berufen sei, in unsrer näch¬
sten Zukunft das ideale Empfinden der Nation darzustellen, sollen diese Zeilen
einige Wahrheiten in verständlicher Sprache zusammenstellen.

Das Drama hat die Aufgabe, unserem Ange und Ohr Personen vorzuführen,
welche durch den Antheil an einer Begebenheit, die von ihrem Anfang bis zu ihrem
Ende übersichtlich ist, verbunden sind. Die Begebenheit muß uns durch die Worte
und Thaten verschiedener Personen klar werden, die Personen müssen uns ihrer
Eigenthümlichkeit nach durch und dnrch verständlich und interessant sein, oder,
wie man zu sagen pflegt, sie müssen Charaktere werden. Deshalb hat jedes
Drama einen gesetzlichen Verlauf, feste Abtheilungen und Einschnitte. Der An¬
fang führt uns die Hauptpersonen, die Helden des Stückes so vor, daß sich ihr
Wesen und ihre Eigenthümlichkeit noch frei und unbefangen ausspricht, gewöhn¬
lich grade in dem Augenblick, wo durch eine änßere Anregung oder eine innere Ge-
dankenverbindung der Anfang von einem großen Gefühl oder Wollen sich in ihnen
ausdrückt. Dies ist die Einleitung eines jeden Dramas, in der Regel der erste Akt.
Die beiden folgenden Akte zeigen, wie in den Helden des Stückes nach und nach
die Leidenschaft immer heftiger aufgeht, wie ihr Verlangen durch äußere Um¬
stände begünstigt oder durchkreuzt wird, bis endlich, in der Regel im dritten Akt,
die volle Gluth ihres Gefühls und Willens sich in einer That concentrirt. Die¬
ser Moment ist der Höhenpunkt des Dramas, von ihm beginnt die „Umkehr", die
Charaktere erscheinen bis dahin in einseitigem aber in erfolgreichem Begehren, von
Innen nach Außen wirkend und die Lebensverhältnisse, in welchen sie auftreten,
mit sich verändernd. Jetzt aber tritt der Punkt ein, wo das, was sie gethan
haben, auf sie selbst zurückwirkt und eine Macht über sie gewinnt, welche immer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/19>, abgerufen am 05.02.2025.