Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Frankreich? Aber die jetzige französische Regierung ist nichts weniger als propa¬
gandistisch, und das Bombardement, indem sie gegen die römische Republik ihre
schwesterliche Zärtlichkeit äußert, zeigt, welche Protektion die deutsche Revolution
von ihr zu erwarten hätte. Oder vielleicht Rußland? Kaiser Nicolaus ist aller¬
dings ein sehr radicaler Herr, der, wie wir durch Custiue wissen, die Republik
der constitutionellen Monarchie unbedingt vorzieht, ganz so wie die äußerste Linke
in Deutschland. Dennoch glauben wir, würde man ihm Unrecht thun, wenn man
ihm Schuld gäbe, daß Bakunin in Dresden in seinem Auftrage gehandelt. Und
im südwestlichen Deutschland haben sich vollends gar keine russischen Demokraten
gezeigt. Man könnte also höchstens die Paar italienischen Flüchtlinge unter den
Freischaaren im Verdachte haben, daß es ihnen darum zu thun sei, den Einfluß
Modena's in Deutschland über die Gebühr auszudehnen, oder eine deutsche Re¬
publik unter dem Protektorate jener von S. Marino zu errichten.

Sonderbar, man hat sonst den Deutschen immer einen gewissen Mangel an
Nationalstolz nud Nationalgefühl vorgeworfen, jetzt aber scheint es, daß sie ein
stärkeres oder wenigstens ein reizbareres Nationalgefühl haben, als irgend ein
anderes Volk, daß sie sogar an der Betheiligung einzelner Sympathierer's an ih¬
ren Kämpfen Aergerniß nahmen. Die Griechen z. B. ließen es sich recht gut ge¬
fallen, daß Fremde ans allen Weltgegenden an ihrem Befreiuungskriege Theil
nahmen, und doch zeigten sie später durch das Heimschicken der Baiern, daß sie
deshalb nicht gesonnen seien, sich fremde Vormundschaft in ihren Angelegenheiten
gefallen zu lassen.

An der großen französischen Revolution haben sich ebenfalls viele Nichtfran-
zosen mehr oder weniger betheiligt. Der Amerikaner Thomas Payne saß im Con-
vent. Der deutsche Anacharsis Clootz machte alle Extravaganzen der Revolution
mit, und wurde zuletzt auch guillotinirt. Der Peruaner Meranda nud die deutschen
Kleber, Kellerman und Westerman führten die Heere der Republik. Und ein Ita¬
liener war es, der sich später dieser Revolution bemächtigte, und aus ihr das
Piedestal seiner Größe machte. Deshalb aber ist es uoch keinem Menschen einge¬
fallen, diese Revolution eine sogenannte französische zu "euren, oder das nationale
Epitheton zwischen prvtestirende Anführungszeichen einzusperren, wie es conservative
Zcitungskorresvondenten mit der armen "deutschen Erhebung" machen. Doch was
brauchen wir so weit nach Beispielen zu suche", haben nicht die Russen die deut¬
schen Befreiungskriege mitgemacht? Und nicht etwa als Freischaaren kommen da
die Kosaken und Baschkiren, sondern in großen Massen unter russischen Fahnen
und russischem Kommando. Und doch thaten damals selbst die allerdeutschesten
Deutschen uicht so spröde gegen die Slaveuhilfe, welche indessen der deutschen



Der Corse und der Elsasser waren wenigstens in dem Sinn Italiener und Deutsche
wie der preußische Unterthan Mieroslawski Pole.

Frankreich? Aber die jetzige französische Regierung ist nichts weniger als propa¬
gandistisch, und das Bombardement, indem sie gegen die römische Republik ihre
schwesterliche Zärtlichkeit äußert, zeigt, welche Protektion die deutsche Revolution
von ihr zu erwarten hätte. Oder vielleicht Rußland? Kaiser Nicolaus ist aller¬
dings ein sehr radicaler Herr, der, wie wir durch Custiue wissen, die Republik
der constitutionellen Monarchie unbedingt vorzieht, ganz so wie die äußerste Linke
in Deutschland. Dennoch glauben wir, würde man ihm Unrecht thun, wenn man
ihm Schuld gäbe, daß Bakunin in Dresden in seinem Auftrage gehandelt. Und
im südwestlichen Deutschland haben sich vollends gar keine russischen Demokraten
gezeigt. Man könnte also höchstens die Paar italienischen Flüchtlinge unter den
Freischaaren im Verdachte haben, daß es ihnen darum zu thun sei, den Einfluß
Modena's in Deutschland über die Gebühr auszudehnen, oder eine deutsche Re¬
publik unter dem Protektorate jener von S. Marino zu errichten.

Sonderbar, man hat sonst den Deutschen immer einen gewissen Mangel an
Nationalstolz nud Nationalgefühl vorgeworfen, jetzt aber scheint es, daß sie ein
stärkeres oder wenigstens ein reizbareres Nationalgefühl haben, als irgend ein
anderes Volk, daß sie sogar an der Betheiligung einzelner Sympathierer's an ih¬
ren Kämpfen Aergerniß nahmen. Die Griechen z. B. ließen es sich recht gut ge¬
fallen, daß Fremde ans allen Weltgegenden an ihrem Befreiuungskriege Theil
nahmen, und doch zeigten sie später durch das Heimschicken der Baiern, daß sie
deshalb nicht gesonnen seien, sich fremde Vormundschaft in ihren Angelegenheiten
gefallen zu lassen.

An der großen französischen Revolution haben sich ebenfalls viele Nichtfran-
zosen mehr oder weniger betheiligt. Der Amerikaner Thomas Payne saß im Con-
vent. Der deutsche Anacharsis Clootz machte alle Extravaganzen der Revolution
mit, und wurde zuletzt auch guillotinirt. Der Peruaner Meranda nud die deutschen
Kleber, Kellerman und Westerman führten die Heere der Republik. Und ein Ita¬
liener war es, der sich später dieser Revolution bemächtigte, und aus ihr das
Piedestal seiner Größe machte. Deshalb aber ist es uoch keinem Menschen einge¬
fallen, diese Revolution eine sogenannte französische zu »euren, oder das nationale
Epitheton zwischen prvtestirende Anführungszeichen einzusperren, wie es conservative
Zcitungskorresvondenten mit der armen „deutschen Erhebung" machen. Doch was
brauchen wir so weit nach Beispielen zu suche», haben nicht die Russen die deut¬
schen Befreiungskriege mitgemacht? Und nicht etwa als Freischaaren kommen da
die Kosaken und Baschkiren, sondern in großen Massen unter russischen Fahnen
und russischem Kommando. Und doch thaten damals selbst die allerdeutschesten
Deutschen uicht so spröde gegen die Slaveuhilfe, welche indessen der deutschen



Der Corse und der Elsasser waren wenigstens in dem Sinn Italiener und Deutsche
wie der preußische Unterthan Mieroslawski Pole.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279160"/>
          <p xml:id="ID_418" prev="#ID_417"> Frankreich? Aber die jetzige französische Regierung ist nichts weniger als propa¬<lb/>
gandistisch, und das Bombardement, indem sie gegen die römische Republik ihre<lb/>
schwesterliche Zärtlichkeit äußert, zeigt, welche Protektion die deutsche Revolution<lb/>
von ihr zu erwarten hätte. Oder vielleicht Rußland? Kaiser Nicolaus ist aller¬<lb/>
dings ein sehr radicaler Herr, der, wie wir durch Custiue wissen, die Republik<lb/>
der constitutionellen Monarchie unbedingt vorzieht, ganz so wie die äußerste Linke<lb/>
in Deutschland. Dennoch glauben wir, würde man ihm Unrecht thun, wenn man<lb/>
ihm Schuld gäbe, daß Bakunin in Dresden in seinem Auftrage gehandelt. Und<lb/>
im südwestlichen Deutschland haben sich vollends gar keine russischen Demokraten<lb/>
gezeigt. Man könnte also höchstens die Paar italienischen Flüchtlinge unter den<lb/>
Freischaaren im Verdachte haben, daß es ihnen darum zu thun sei, den Einfluß<lb/>
Modena's in Deutschland über die Gebühr auszudehnen, oder eine deutsche Re¬<lb/>
publik unter dem Protektorate jener von S. Marino zu errichten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_419"> Sonderbar, man hat sonst den Deutschen immer einen gewissen Mangel an<lb/>
Nationalstolz nud Nationalgefühl vorgeworfen, jetzt aber scheint es, daß sie ein<lb/>
stärkeres oder wenigstens ein reizbareres Nationalgefühl haben, als irgend ein<lb/>
anderes Volk, daß sie sogar an der Betheiligung einzelner Sympathierer's an ih¬<lb/>
ren Kämpfen Aergerniß nahmen. Die Griechen z. B. ließen es sich recht gut ge¬<lb/>
fallen, daß Fremde ans allen Weltgegenden an ihrem Befreiuungskriege Theil<lb/>
nahmen, und doch zeigten sie später durch das Heimschicken der Baiern, daß sie<lb/>
deshalb nicht gesonnen seien, sich fremde Vormundschaft in ihren Angelegenheiten<lb/>
gefallen zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_420" next="#ID_421"> An der großen französischen Revolution haben sich ebenfalls viele Nichtfran-<lb/>
zosen mehr oder weniger betheiligt. Der Amerikaner Thomas Payne saß im Con-<lb/>
vent. Der deutsche Anacharsis Clootz machte alle Extravaganzen der Revolution<lb/>
mit, und wurde zuletzt auch guillotinirt. Der Peruaner Meranda nud die deutschen<lb/>
Kleber, Kellerman und Westerman führten die Heere der Republik. Und ein Ita¬<lb/>
liener war es, der sich später dieser Revolution bemächtigte, und aus ihr das<lb/>
Piedestal seiner Größe machte. Deshalb aber ist es uoch keinem Menschen einge¬<lb/>
fallen, diese Revolution eine sogenannte französische zu »euren, oder das nationale<lb/>
Epitheton zwischen prvtestirende Anführungszeichen einzusperren, wie es conservative<lb/>
Zcitungskorresvondenten mit der armen &#x201E;deutschen Erhebung" machen. Doch was<lb/>
brauchen wir so weit nach Beispielen zu suche», haben nicht die Russen die deut¬<lb/>
schen Befreiungskriege mitgemacht? Und nicht etwa als Freischaaren kommen da<lb/>
die Kosaken und Baschkiren, sondern in großen Massen unter russischen Fahnen<lb/>
und russischem Kommando. Und doch thaten damals selbst die allerdeutschesten<lb/>
Deutschen uicht so spröde gegen die Slaveuhilfe, welche indessen der deutschen</p><lb/>
          <note xml:id="FID_9" place="foot"> Der Corse und der Elsasser waren wenigstens in dem Sinn Italiener und Deutsche<lb/>
wie der preußische Unterthan Mieroslawski Pole.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0134] Frankreich? Aber die jetzige französische Regierung ist nichts weniger als propa¬ gandistisch, und das Bombardement, indem sie gegen die römische Republik ihre schwesterliche Zärtlichkeit äußert, zeigt, welche Protektion die deutsche Revolution von ihr zu erwarten hätte. Oder vielleicht Rußland? Kaiser Nicolaus ist aller¬ dings ein sehr radicaler Herr, der, wie wir durch Custiue wissen, die Republik der constitutionellen Monarchie unbedingt vorzieht, ganz so wie die äußerste Linke in Deutschland. Dennoch glauben wir, würde man ihm Unrecht thun, wenn man ihm Schuld gäbe, daß Bakunin in Dresden in seinem Auftrage gehandelt. Und im südwestlichen Deutschland haben sich vollends gar keine russischen Demokraten gezeigt. Man könnte also höchstens die Paar italienischen Flüchtlinge unter den Freischaaren im Verdachte haben, daß es ihnen darum zu thun sei, den Einfluß Modena's in Deutschland über die Gebühr auszudehnen, oder eine deutsche Re¬ publik unter dem Protektorate jener von S. Marino zu errichten. Sonderbar, man hat sonst den Deutschen immer einen gewissen Mangel an Nationalstolz nud Nationalgefühl vorgeworfen, jetzt aber scheint es, daß sie ein stärkeres oder wenigstens ein reizbareres Nationalgefühl haben, als irgend ein anderes Volk, daß sie sogar an der Betheiligung einzelner Sympathierer's an ih¬ ren Kämpfen Aergerniß nahmen. Die Griechen z. B. ließen es sich recht gut ge¬ fallen, daß Fremde ans allen Weltgegenden an ihrem Befreiuungskriege Theil nahmen, und doch zeigten sie später durch das Heimschicken der Baiern, daß sie deshalb nicht gesonnen seien, sich fremde Vormundschaft in ihren Angelegenheiten gefallen zu lassen. An der großen französischen Revolution haben sich ebenfalls viele Nichtfran- zosen mehr oder weniger betheiligt. Der Amerikaner Thomas Payne saß im Con- vent. Der deutsche Anacharsis Clootz machte alle Extravaganzen der Revolution mit, und wurde zuletzt auch guillotinirt. Der Peruaner Meranda nud die deutschen Kleber, Kellerman und Westerman führten die Heere der Republik. Und ein Ita¬ liener war es, der sich später dieser Revolution bemächtigte, und aus ihr das Piedestal seiner Größe machte. Deshalb aber ist es uoch keinem Menschen einge¬ fallen, diese Revolution eine sogenannte französische zu »euren, oder das nationale Epitheton zwischen prvtestirende Anführungszeichen einzusperren, wie es conservative Zcitungskorresvondenten mit der armen „deutschen Erhebung" machen. Doch was brauchen wir so weit nach Beispielen zu suche», haben nicht die Russen die deut¬ schen Befreiungskriege mitgemacht? Und nicht etwa als Freischaaren kommen da die Kosaken und Baschkiren, sondern in großen Massen unter russischen Fahnen und russischem Kommando. Und doch thaten damals selbst die allerdeutschesten Deutschen uicht so spröde gegen die Slaveuhilfe, welche indessen der deutschen Der Corse und der Elsasser waren wenigstens in dem Sinn Italiener und Deutsche wie der preußische Unterthan Mieroslawski Pole.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/134
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/134>, abgerufen am 05.02.2025.