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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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ninift gebracht werden, die ein Menschenleben kostete. Wir haben den Verlockungen
des vorigen Jahres zu danken, daß mehrere solche Beispiele nöthig werden, um
dem verletzten Gesetz seine Autorität wieder zu verschaffen. Charakteristisch für
das Selbstgefühl, welches unsere größeren Grundbesitzer gewonnen haben, ist eine
Forderung, welche sie je^t durch eine Deputation in Berlin gestellt haben, und
die ihnen augenblicklich gewährt wurde. Sie verlangten vorläufige Sistirung aller
Prozesse, durch welche die Landleute bereits gezahlte Laudanum (Abgaben an die
Gutsherrn bei Besitzveränderungen) reklamirten. Die Forderung war ganz ge¬
recht und die Schnelligkeit, mit welcher der König ihr nachgab, ist dankenswerth,
aber die Sprache, welche die Gutsbesitzer der Grafschaft Glatz in ihrer Eingabe
führen, ist ebenfalls bezeichnend für den Umschwung der Verhältnisse. Hören Sie
folgende Stelle:

Aehnliche Beispiele von rechtskräftigen einander durchaus wider
sprechenden Erkenntnissen der Gerichte könnten wir noch zu Hunderten an¬
führen, wir wenden uns aber mit Al'schen hinweg von diesen Thatsachen, welche
der Rechtspflege des preußischen Staates zur größten Schande gereichen, weil sie
das Rechtsbewußtsein im Volke völlig untergraben, und das Eigenthum treuer
Staatsbürger den raubgierigen Händen rabnlistischer Anwälte und steucrnverwei-
gernder Juristen überantworten.

Wenn Diebe und Räuber uns unser Eigenthum nehmen, wenn eine Versamm¬
lung rebellischer Demokraten unser Jagdrecht vernichtet, in der lächerlichen Absicht,
die Landbewohner für die Zwecke der Revolution zu bewaffnen, so sind dies Ver-
luste und Nachtheile, die wir mit der Zeit verschmerzen können, sie sind momentan
und haben keine weitern Folgen.

Wenn man aber durch die vollständigste Anarchie in einem Theile der Gesetz¬
gebung die Proceßführnng zum Lotteriespicle macht, wenn man nicht nur unser
und unserer Insassen Eigenthum durch zahllose Prozesse gefährdet, sondern auch
alle Liebe, alles Vertrauen zwischen uns und unseren Insassen hinweggeräumt,
wenn mau leichtsinniger Weise uus, die Rittergutsbesitzer Schlesiens, als Betrü¬
ger an den Pranger stellt, als hätten wir von unsern Insassen Gelder gefordert,
die uns nicht zustanden, -- als hätten wir sie um den Betrag der Confirmations-
gebühren betrogen, so müssen wir gegen solche Gesetze und ihre derartige Hand¬
habung energisch protestiren. Wir werden es mit allen uns zu Gebote ste¬
henden gesetzlichen Mitteln zu verhindern suchen, daß nicht ferner unsere Ehre
und unser Vermögen diesen höchst mangelhaften gesetzlichen Bestimmungen geopfert
werde. -- -

Wir wollen uns freuen, daß ein ehrcnweriher und einflußreicher Stand die
Kraft wieder gewonnen hat, seine Interessen in solchen Ausdrücken zu verfechten,
aber wir wollen uns eines darüber freuen, daß wir jetzt endlich in die normale
Lage gekommen sind, mit gerechten Waffen unter dem Schutz der Gesetze gegen


ninift gebracht werden, die ein Menschenleben kostete. Wir haben den Verlockungen
des vorigen Jahres zu danken, daß mehrere solche Beispiele nöthig werden, um
dem verletzten Gesetz seine Autorität wieder zu verschaffen. Charakteristisch für
das Selbstgefühl, welches unsere größeren Grundbesitzer gewonnen haben, ist eine
Forderung, welche sie je^t durch eine Deputation in Berlin gestellt haben, und
die ihnen augenblicklich gewährt wurde. Sie verlangten vorläufige Sistirung aller
Prozesse, durch welche die Landleute bereits gezahlte Laudanum (Abgaben an die
Gutsherrn bei Besitzveränderungen) reklamirten. Die Forderung war ganz ge¬
recht und die Schnelligkeit, mit welcher der König ihr nachgab, ist dankenswerth,
aber die Sprache, welche die Gutsbesitzer der Grafschaft Glatz in ihrer Eingabe
führen, ist ebenfalls bezeichnend für den Umschwung der Verhältnisse. Hören Sie
folgende Stelle:

Aehnliche Beispiele von rechtskräftigen einander durchaus wider
sprechenden Erkenntnissen der Gerichte könnten wir noch zu Hunderten an¬
führen, wir wenden uns aber mit Al'schen hinweg von diesen Thatsachen, welche
der Rechtspflege des preußischen Staates zur größten Schande gereichen, weil sie
das Rechtsbewußtsein im Volke völlig untergraben, und das Eigenthum treuer
Staatsbürger den raubgierigen Händen rabnlistischer Anwälte und steucrnverwei-
gernder Juristen überantworten.

Wenn Diebe und Räuber uns unser Eigenthum nehmen, wenn eine Versamm¬
lung rebellischer Demokraten unser Jagdrecht vernichtet, in der lächerlichen Absicht,
die Landbewohner für die Zwecke der Revolution zu bewaffnen, so sind dies Ver-
luste und Nachtheile, die wir mit der Zeit verschmerzen können, sie sind momentan
und haben keine weitern Folgen.

Wenn man aber durch die vollständigste Anarchie in einem Theile der Gesetz¬
gebung die Proceßführnng zum Lotteriespicle macht, wenn man nicht nur unser
und unserer Insassen Eigenthum durch zahllose Prozesse gefährdet, sondern auch
alle Liebe, alles Vertrauen zwischen uns und unseren Insassen hinweggeräumt,
wenn mau leichtsinniger Weise uus, die Rittergutsbesitzer Schlesiens, als Betrü¬
ger an den Pranger stellt, als hätten wir von unsern Insassen Gelder gefordert,
die uns nicht zustanden, — als hätten wir sie um den Betrag der Confirmations-
gebühren betrogen, so müssen wir gegen solche Gesetze und ihre derartige Hand¬
habung energisch protestiren. Wir werden es mit allen uns zu Gebote ste¬
henden gesetzlichen Mitteln zu verhindern suchen, daß nicht ferner unsere Ehre
und unser Vermögen diesen höchst mangelhaften gesetzlichen Bestimmungen geopfert
werde. — -

Wir wollen uns freuen, daß ein ehrcnweriher und einflußreicher Stand die
Kraft wieder gewonnen hat, seine Interessen in solchen Ausdrücken zu verfechten,
aber wir wollen uns eines darüber freuen, daß wir jetzt endlich in die normale
Lage gekommen sind, mit gerechten Waffen unter dem Schutz der Gesetze gegen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/111>, abgerufen am 05.02.2025.