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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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die Deputation der Nationalversammlung sich ziemlich langsam begab, wahrschein¬
lich, um der Krone Zeit zum Entschluß zu lassen. Die beiden Kammern nahmen
Veranlassung, zum zweiten Mal mit einer Adresse dem Thron zu nahen. Die vier
Parteien brachten verschiedene Entwürfe vor, allein die Anträge der beiden Cen¬
tren waren wenigstens in den wesentlichen Punkten übereinstimmend: der König
solle die Wahl annehmen, und da dieselbe nur auf Grund der von der National¬
versammlung beschlossenen Verfassung erfolgt sei, diese Verfassung gleichfalls aner¬
kennen; etwaige Uebelstände derselben würde die verfassungsmüßige Revision der
neuen gesetzgebenden Körperschaften beseitigen. Uebrigens könne nicht davon die
Rede sein, irgend einen einzelnen Staat mit Waffengewalt zum Beitritt zu zwin¬
gen; man müsse das der Gewalt der öffentlichen Meinung überlassen. In der
Kritik des bisherigen Verfahrens der Regierung unterschied sich das rechte vom
linken Centrum dadurch, daß Vincke erst in der neuesten Note, Rodbertus dagegen
in sämmtlichen Schritten des Ministeriums einen reaktionären Geist zu erkennen
glaubte; der Unterschied war aber nicht principiell, er bezog sich nur auf das
Urtheil über eine historische Thatsache.

Die allgemeine Meinung war diese. Der König würde annehmen, mit dem
Vorbehalt, daß die Verfassung, so wie die in derselben begründete Centralgewalt
sich nur über diejenigen Staaten erstrecken dürfe, welche sich freiwillig fügten; er
werde aus demselben Grunde die Kaiserwürde ablehnen, und einen bescheidneren
Titel in Anspruch nehmen. Mit diesem Bescheid wäre die Frankfurter Deputation
im Ganzen zufrieden gewesen.

In der Verfassung finde ich eigentlich nur zwei Punkte, die ein erhebliches
Bedenken erregen. Aus das snspensive Veto und die Abschaffung des Reichsraths
lege ich gar kein Gewicht; selbst die Bestimmung der allgemeinen Wahlen ist von
der Art, daß man sich ihr kaum wird entziehen können. Bedenklich ist aber erstens
die Zusammensetzung des Staatenhauses, die zum Nachtheil Preußens die süddeut¬
schen Staaten ohne irgend einen Rechtsgrund begünstigt, und die einer verständi¬
gen Revision der Verfassung unendliche Schwierigkeiten in den Weg legt. Zwei¬
tens die Bestimmung, nach welcher alle Staaten des bisherigen deutschen Bundes
ZUM Reich gehören sollen: eine indirekte Kriegserklärung gegen Oestreich, vielleicht
auch gegen Baiern und Sachsen.

Ans die Antwort, welche der König gab, war aber Niemand gefaßt. Sie
^'"'ge zu sehr den Stempel einer bestimmten Persönlichkeit, als daß man ihren
Ursprung anderswo suchen sollte; das thut aber nichts zur Sache, da die Mini¬
er, was sich eigentlich in einem constitutionellen Staat von selbst versteht, die
Verantwortlichkeit dieser Rede übernommen haben. Noch schlimmer wurde der
Eindruck der Rede durch die Privatgespräche des Königs mit einzelnen der De¬
lirien; durch die etwas brüske Antwort des Ministeriums auf die Erklärung der
Deputaten, sie nähmen die Antwort des Königs für eine Ablehnung, endlich
Gren


zboten. II. Isis. 19

die Deputation der Nationalversammlung sich ziemlich langsam begab, wahrschein¬
lich, um der Krone Zeit zum Entschluß zu lassen. Die beiden Kammern nahmen
Veranlassung, zum zweiten Mal mit einer Adresse dem Thron zu nahen. Die vier
Parteien brachten verschiedene Entwürfe vor, allein die Anträge der beiden Cen¬
tren waren wenigstens in den wesentlichen Punkten übereinstimmend: der König
solle die Wahl annehmen, und da dieselbe nur auf Grund der von der National¬
versammlung beschlossenen Verfassung erfolgt sei, diese Verfassung gleichfalls aner¬
kennen; etwaige Uebelstände derselben würde die verfassungsmüßige Revision der
neuen gesetzgebenden Körperschaften beseitigen. Uebrigens könne nicht davon die
Rede sein, irgend einen einzelnen Staat mit Waffengewalt zum Beitritt zu zwin¬
gen; man müsse das der Gewalt der öffentlichen Meinung überlassen. In der
Kritik des bisherigen Verfahrens der Regierung unterschied sich das rechte vom
linken Centrum dadurch, daß Vincke erst in der neuesten Note, Rodbertus dagegen
in sämmtlichen Schritten des Ministeriums einen reaktionären Geist zu erkennen
glaubte; der Unterschied war aber nicht principiell, er bezog sich nur auf das
Urtheil über eine historische Thatsache.

Die allgemeine Meinung war diese. Der König würde annehmen, mit dem
Vorbehalt, daß die Verfassung, so wie die in derselben begründete Centralgewalt
sich nur über diejenigen Staaten erstrecken dürfe, welche sich freiwillig fügten; er
werde aus demselben Grunde die Kaiserwürde ablehnen, und einen bescheidneren
Titel in Anspruch nehmen. Mit diesem Bescheid wäre die Frankfurter Deputation
im Ganzen zufrieden gewesen.

In der Verfassung finde ich eigentlich nur zwei Punkte, die ein erhebliches
Bedenken erregen. Aus das snspensive Veto und die Abschaffung des Reichsraths
lege ich gar kein Gewicht; selbst die Bestimmung der allgemeinen Wahlen ist von
der Art, daß man sich ihr kaum wird entziehen können. Bedenklich ist aber erstens
die Zusammensetzung des Staatenhauses, die zum Nachtheil Preußens die süddeut¬
schen Staaten ohne irgend einen Rechtsgrund begünstigt, und die einer verständi¬
gen Revision der Verfassung unendliche Schwierigkeiten in den Weg legt. Zwei¬
tens die Bestimmung, nach welcher alle Staaten des bisherigen deutschen Bundes
ZUM Reich gehören sollen: eine indirekte Kriegserklärung gegen Oestreich, vielleicht
auch gegen Baiern und Sachsen.

Ans die Antwort, welche der König gab, war aber Niemand gefaßt. Sie
^'"'ge zu sehr den Stempel einer bestimmten Persönlichkeit, als daß man ihren
Ursprung anderswo suchen sollte; das thut aber nichts zur Sache, da die Mini¬
er, was sich eigentlich in einem constitutionellen Staat von selbst versteht, die
Verantwortlichkeit dieser Rede übernommen haben. Noch schlimmer wurde der
Eindruck der Rede durch die Privatgespräche des Königs mit einzelnen der De¬
lirien; durch die etwas brüske Antwort des Ministeriums auf die Erklärung der
Deputaten, sie nähmen die Antwort des Königs für eine Ablehnung, endlich
Gren


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[0093] die Deputation der Nationalversammlung sich ziemlich langsam begab, wahrschein¬ lich, um der Krone Zeit zum Entschluß zu lassen. Die beiden Kammern nahmen Veranlassung, zum zweiten Mal mit einer Adresse dem Thron zu nahen. Die vier Parteien brachten verschiedene Entwürfe vor, allein die Anträge der beiden Cen¬ tren waren wenigstens in den wesentlichen Punkten übereinstimmend: der König solle die Wahl annehmen, und da dieselbe nur auf Grund der von der National¬ versammlung beschlossenen Verfassung erfolgt sei, diese Verfassung gleichfalls aner¬ kennen; etwaige Uebelstände derselben würde die verfassungsmüßige Revision der neuen gesetzgebenden Körperschaften beseitigen. Uebrigens könne nicht davon die Rede sein, irgend einen einzelnen Staat mit Waffengewalt zum Beitritt zu zwin¬ gen; man müsse das der Gewalt der öffentlichen Meinung überlassen. In der Kritik des bisherigen Verfahrens der Regierung unterschied sich das rechte vom linken Centrum dadurch, daß Vincke erst in der neuesten Note, Rodbertus dagegen in sämmtlichen Schritten des Ministeriums einen reaktionären Geist zu erkennen glaubte; der Unterschied war aber nicht principiell, er bezog sich nur auf das Urtheil über eine historische Thatsache. Die allgemeine Meinung war diese. Der König würde annehmen, mit dem Vorbehalt, daß die Verfassung, so wie die in derselben begründete Centralgewalt sich nur über diejenigen Staaten erstrecken dürfe, welche sich freiwillig fügten; er werde aus demselben Grunde die Kaiserwürde ablehnen, und einen bescheidneren Titel in Anspruch nehmen. Mit diesem Bescheid wäre die Frankfurter Deputation im Ganzen zufrieden gewesen. In der Verfassung finde ich eigentlich nur zwei Punkte, die ein erhebliches Bedenken erregen. Aus das snspensive Veto und die Abschaffung des Reichsraths lege ich gar kein Gewicht; selbst die Bestimmung der allgemeinen Wahlen ist von der Art, daß man sich ihr kaum wird entziehen können. Bedenklich ist aber erstens die Zusammensetzung des Staatenhauses, die zum Nachtheil Preußens die süddeut¬ schen Staaten ohne irgend einen Rechtsgrund begünstigt, und die einer verständi¬ gen Revision der Verfassung unendliche Schwierigkeiten in den Weg legt. Zwei¬ tens die Bestimmung, nach welcher alle Staaten des bisherigen deutschen Bundes ZUM Reich gehören sollen: eine indirekte Kriegserklärung gegen Oestreich, vielleicht auch gegen Baiern und Sachsen. Ans die Antwort, welche der König gab, war aber Niemand gefaßt. Sie ^'"'ge zu sehr den Stempel einer bestimmten Persönlichkeit, als daß man ihren Ursprung anderswo suchen sollte; das thut aber nichts zur Sache, da die Mini¬ er, was sich eigentlich in einem constitutionellen Staat von selbst versteht, die Verantwortlichkeit dieser Rede übernommen haben. Noch schlimmer wurde der Eindruck der Rede durch die Privatgespräche des Königs mit einzelnen der De¬ lirien; durch die etwas brüske Antwort des Ministeriums auf die Erklärung der Deputaten, sie nähmen die Antwort des Königs für eine Ablehnung, endlich Gren zboten. II. Isis. 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/93>, abgerufen am 15.01.2025.