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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Nisse aber ganz zu Gunsten Oestreichs und zum Nachtheil Preußens regulirt wer¬
den sollten. Wenn daher die preußische Regierung entschieden gegen jenes Pro¬
jekt auftrat, so wurde sie dazu nicht blos durch ihre deutsche Gesinnung bestimmt,
sondern auch durch das eigne Interesse.

Die Note vom 23. Januar trat insofern auf Seite des Gagernschen Pro¬
gramms, als sie dem östreichischen Protest gegenüber das Recht eines Theils von
Deutschland, sich zu einem engern Staatsverbande zu consolidiren, in Anspruch
"ahn und diesen Anspruch durch das Gewicht des preußischen Degens unter¬
stützte. Daß man sich in Oestreich darüber nicht täuschte, zeigt der erbitterte
Ton der gleich darauf erlassenen Gcgennote.

In einem andern, sehr- wichtigen Punkt ging sie dagegen aus das Gagernsche
Programm nicht ein. Das Neichsminifterium betrachtete die neue Verfassung auch
"ach dem Ausschluß Oestreichs für nichts weiter, als eine durch die gesetzlichen
Gewalten vollzogene Reform des deutschen Bundes, respective des heiligen römi¬
schen Reichs deutscher Nation. Der Bundestag hatte sich aufgelöst und seine Macht
der aus der Nationalversammlung hervorgegangenen Centralgeivalt übergeben;
die Beschlüsse derselbe" sollten daher für ganz Deutschland gesetzliche Geltung
haben.

Die preußische Note dagegen ging von der Ansicht aus, daß der projectirte
Bundesstaat nicht eine bloße Reform des alten Bundes, sondern etwas wesentlich
Neues sein sollte, etwa wie es der Zollverein gewesen war. Das Zustandekommen
^selben hinge von dem freiwilligen Entschluß der einzelnen deutschen Staaten ab,
welche souverän seien, soweit die Souveränität nicht durch die Wiener Bundesacte
^schränkt war. Sie war --Oestreich gegenüber --der Ansicht, daß gegen das Recht
^ Staaten, in eine solche engere Verbindung zu treten, in jeuer Acte Nichts präjudi-
^ sei; aber sie betrachtete den Entwurf der Nationalversammlung rechtlich nur als
°rin>ge, über welche sich dann die Staaten zu vereinbaren hätten. Wenn sie aus
^ckmäßigkeitsgründcn der Paulskirche das letzte Wort in der Entscheidung der
huschen Verfassung zu gönnen schien, und die befreundeten Staaten, welche von
ähnlichen Gesichtspunkte ausginge", aufforderte, vor diesem letzten Wort ihre
edenkeu, Wünsche u. s. w. der Nationalversammlung vorzulegen und zur Be-
^sichtiguug zu empfehlen, so änderte das an der Rechtsfrage nichts. Es war
wichtiger Schritt, daß eine große Anzahl deutscher Regierungen sich mit Pren-
ZU gleichlautenden Bemerkungen vereinigte, und es war ein sträflicher Leicht-
von Seiten der deutschen Nationalversammlung, daß sie diesen Bemerkungen
^nig Aufmerksamkeit hat angedeihen lassen.

Es war ein Fehler von Seiten der Weidenbusch-Partei, daß sie zu starrsinnig
der äußern Form der deutschen Einheit, auf dem Erbkaiserthum bestand, welches
j^^'eußische Note ablehnte: es war ein Fehler, aber nicht ein zufälliger, er lag
Princip. Durch den Kaisertitel war der Zusammenhang mit der alten Geschichte


Nisse aber ganz zu Gunsten Oestreichs und zum Nachtheil Preußens regulirt wer¬
den sollten. Wenn daher die preußische Regierung entschieden gegen jenes Pro¬
jekt auftrat, so wurde sie dazu nicht blos durch ihre deutsche Gesinnung bestimmt,
sondern auch durch das eigne Interesse.

Die Note vom 23. Januar trat insofern auf Seite des Gagernschen Pro¬
gramms, als sie dem östreichischen Protest gegenüber das Recht eines Theils von
Deutschland, sich zu einem engern Staatsverbande zu consolidiren, in Anspruch
"ahn und diesen Anspruch durch das Gewicht des preußischen Degens unter¬
stützte. Daß man sich in Oestreich darüber nicht täuschte, zeigt der erbitterte
Ton der gleich darauf erlassenen Gcgennote.

In einem andern, sehr- wichtigen Punkt ging sie dagegen aus das Gagernsche
Programm nicht ein. Das Neichsminifterium betrachtete die neue Verfassung auch
"ach dem Ausschluß Oestreichs für nichts weiter, als eine durch die gesetzlichen
Gewalten vollzogene Reform des deutschen Bundes, respective des heiligen römi¬
schen Reichs deutscher Nation. Der Bundestag hatte sich aufgelöst und seine Macht
der aus der Nationalversammlung hervorgegangenen Centralgeivalt übergeben;
die Beschlüsse derselbe» sollten daher für ganz Deutschland gesetzliche Geltung
haben.

Die preußische Note dagegen ging von der Ansicht aus, daß der projectirte
Bundesstaat nicht eine bloße Reform des alten Bundes, sondern etwas wesentlich
Neues sein sollte, etwa wie es der Zollverein gewesen war. Das Zustandekommen
^selben hinge von dem freiwilligen Entschluß der einzelnen deutschen Staaten ab,
welche souverän seien, soweit die Souveränität nicht durch die Wiener Bundesacte
^schränkt war. Sie war —Oestreich gegenüber —der Ansicht, daß gegen das Recht
^ Staaten, in eine solche engere Verbindung zu treten, in jeuer Acte Nichts präjudi-
^ sei; aber sie betrachtete den Entwurf der Nationalversammlung rechtlich nur als
°rin>ge, über welche sich dann die Staaten zu vereinbaren hätten. Wenn sie aus
^ckmäßigkeitsgründcn der Paulskirche das letzte Wort in der Entscheidung der
huschen Verfassung zu gönnen schien, und die befreundeten Staaten, welche von
ähnlichen Gesichtspunkte ausginge», aufforderte, vor diesem letzten Wort ihre
edenkeu, Wünsche u. s. w. der Nationalversammlung vorzulegen und zur Be-
^sichtiguug zu empfehlen, so änderte das an der Rechtsfrage nichts. Es war
wichtiger Schritt, daß eine große Anzahl deutscher Regierungen sich mit Pren-
ZU gleichlautenden Bemerkungen vereinigte, und es war ein sträflicher Leicht-
von Seiten der deutschen Nationalversammlung, daß sie diesen Bemerkungen
^nig Aufmerksamkeit hat angedeihen lassen.

Es war ein Fehler von Seiten der Weidenbusch-Partei, daß sie zu starrsinnig
der äußern Form der deutschen Einheit, auf dem Erbkaiserthum bestand, welches
j^^'eußische Note ablehnte: es war ein Fehler, aber nicht ein zufälliger, er lag
Princip. Durch den Kaisertitel war der Zusammenhang mit der alten Geschichte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/91>, abgerufen am 15.01.2025.