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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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wenn ein Hohenzoller heute Neichsvorstcmd wird, so erwachen wir morgen als
Czechen, Hannaken, Serben, Nüssen, was weiß ich? Wir suchen ein Glas Wasser
und finden Wodky; wir greisen nach einem Haselstock und sieh da, er nennt sich
Kanthschn; wir wollen Guten Morgen sagen und herauskommt -- Nix denses.
Wär es nicht schrecklich? Was sollte dann ans den Reformen im Beamten und
Unterrichtswaffen bei uns werden, mit denen Pipitz so fleißig sich beschäftigt, was
aus der Verfassung vom 4. März? Und welchen unseligen Nachbar hätten Sie
dann an Oestreich! Dagegen kann Oestreich, vereint mit Baiern u. s. w. --
Preußen und Rußland in die Schranken rufe". Sie behalten freien Spielraum
im Innern, Sie mögen die Kammern auflösen oder nicht, Oestreich deckt Sie
nach allen Seiten so gut und besser wie Preuße", Sachsen deckt, und die Völker
wird das Band der materiellen Interessen mit allen andern Banden aussöhnen...

Worin die "materiellen Interessen", die ein großdentsches Hauptargument
des Ministerraths Hermann aus München bilden, eigentlich bestehen? Erstens,
in der Aufhebung der Zollschranken zwischen Tyrol und Baiern. Die guten Ty-
roler freuen sich schon jetzt darauf. Ihnen wäre die Vergünstigung zu gönnen.
(Die Frage ist nur, ob Deutschland mit seiner Zukunft dafür zahlen soll.) Die
loyalen Tyroler haben die Gewohnheit, bei jedem politischen Anlaß, er sei wel¬
cher Natur er wolle, Hoch! zu schreien. Ihnen ist Alles recht, wenn es in ge¬
müthliche Phrasen eingehüllt aufgetischt wird. Verfassung oder uicht Verfassung,
Großdentschland oder Kleindeutschland, Kaiserthum oder Direktorium, alles eins,
-- vorgesetzt, daß Ihr "Häusel" oder sonst ein Prinz die Sache mit einer klei¬
nen Nebendosts goldener Berge vorträgt und sie mit dem vertraulichen Du anre¬
det, so schreien sie: Hoch wie unsere Berge! Sie haben sich seit Jahren heiser ge¬
schrien; in diesem Falle wüßten sie doch wofür.

Zweitens, in den gelobten Ländereien, die im eroberten Ungarn süddeutschen
Einwanderern versprochen werden. Die Idee ist Stadion's und nicht uneben.
Sie kommt aber zu früh oder zu spät. Oestreich will mit Hilfe deutscher Kolo¬
nisten Ungarn bändigen, den Magyaren ein ^Gegengewicht geben, und zwischen
Nord- und Südslaven einen trennenden Keil schieben. Um diesen Zweck zu er¬
reichen, müßte wenigstens die Hälfte des bairischen Volkes, in einer gedrungenen
und wehrhaften Masse einwandern. Die Kolonie müßte sich selber vertheidigen.
Oestreich, welches 300,000 Sachsen in Siebenbürgen preisgeben mußte, würde
einige tausend deutsche Bauern an der Theiß gegen die nationale Eifersucht von
Slaven und Magyaren nicht einmal unter vormärzlichen Zuständen zu schirmen
vermögen, -- viel weniger, nachdem es aus Maryarien ein zweites Polen ge¬
macht haben wird. Oder soll der deutsche Cvlouist sich dort von Nußland prote-
giren lassen und mit den Batuschkas Brüderschaft trinken oder, wozu Vetter
Michel'S Natur am meisten neigt, seinen Kindern magyarische Sporen und Dol-


wenn ein Hohenzoller heute Neichsvorstcmd wird, so erwachen wir morgen als
Czechen, Hannaken, Serben, Nüssen, was weiß ich? Wir suchen ein Glas Wasser
und finden Wodky; wir greisen nach einem Haselstock und sieh da, er nennt sich
Kanthschn; wir wollen Guten Morgen sagen und herauskommt — Nix denses.
Wär es nicht schrecklich? Was sollte dann ans den Reformen im Beamten und
Unterrichtswaffen bei uns werden, mit denen Pipitz so fleißig sich beschäftigt, was
aus der Verfassung vom 4. März? Und welchen unseligen Nachbar hätten Sie
dann an Oestreich! Dagegen kann Oestreich, vereint mit Baiern u. s. w. —
Preußen und Rußland in die Schranken rufe». Sie behalten freien Spielraum
im Innern, Sie mögen die Kammern auflösen oder nicht, Oestreich deckt Sie
nach allen Seiten so gut und besser wie Preuße», Sachsen deckt, und die Völker
wird das Band der materiellen Interessen mit allen andern Banden aussöhnen...

Worin die „materiellen Interessen", die ein großdentsches Hauptargument
des Ministerraths Hermann aus München bilden, eigentlich bestehen? Erstens,
in der Aufhebung der Zollschranken zwischen Tyrol und Baiern. Die guten Ty-
roler freuen sich schon jetzt darauf. Ihnen wäre die Vergünstigung zu gönnen.
(Die Frage ist nur, ob Deutschland mit seiner Zukunft dafür zahlen soll.) Die
loyalen Tyroler haben die Gewohnheit, bei jedem politischen Anlaß, er sei wel¬
cher Natur er wolle, Hoch! zu schreien. Ihnen ist Alles recht, wenn es in ge¬
müthliche Phrasen eingehüllt aufgetischt wird. Verfassung oder uicht Verfassung,
Großdentschland oder Kleindeutschland, Kaiserthum oder Direktorium, alles eins,
— vorgesetzt, daß Ihr „Häusel" oder sonst ein Prinz die Sache mit einer klei¬
nen Nebendosts goldener Berge vorträgt und sie mit dem vertraulichen Du anre¬
det, so schreien sie: Hoch wie unsere Berge! Sie haben sich seit Jahren heiser ge¬
schrien; in diesem Falle wüßten sie doch wofür.

Zweitens, in den gelobten Ländereien, die im eroberten Ungarn süddeutschen
Einwanderern versprochen werden. Die Idee ist Stadion's und nicht uneben.
Sie kommt aber zu früh oder zu spät. Oestreich will mit Hilfe deutscher Kolo¬
nisten Ungarn bändigen, den Magyaren ein ^Gegengewicht geben, und zwischen
Nord- und Südslaven einen trennenden Keil schieben. Um diesen Zweck zu er¬
reichen, müßte wenigstens die Hälfte des bairischen Volkes, in einer gedrungenen
und wehrhaften Masse einwandern. Die Kolonie müßte sich selber vertheidigen.
Oestreich, welches 300,000 Sachsen in Siebenbürgen preisgeben mußte, würde
einige tausend deutsche Bauern an der Theiß gegen die nationale Eifersucht von
Slaven und Magyaren nicht einmal unter vormärzlichen Zuständen zu schirmen
vermögen, — viel weniger, nachdem es aus Maryarien ein zweites Polen ge¬
macht haben wird. Oder soll der deutsche Cvlouist sich dort von Nußland prote-
giren lassen und mit den Batuschkas Brüderschaft trinken oder, wozu Vetter
Michel'S Natur am meisten neigt, seinen Kindern magyarische Sporen und Dol-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/508>, abgerufen am 15.01.2025.