Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Actenstück. Noch weiter links standen unter einem bretternen Notstand des Feld¬ Knicanin saß im Fond des Zeltes auf einer mit dem feinsten Linnen über¬ Actenstück. Noch weiter links standen unter einem bretternen Notstand des Feld¬ Knicanin saß im Fond des Zeltes auf einer mit dem feinsten Linnen über¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278559"/> <p xml:id="ID_151" prev="#ID_150"> Actenstück. Noch weiter links standen unter einem bretternen Notstand des Feld¬<lb/> herrn Schlachtrosse, alle gesattelt und gezäumt. Meine Sportsmannatur trieb mich<lb/> zuerst dorthin, ein schöner englischer Hengst, eine unscheinbare, aber gedrungen<lb/> und kräftig gebaute Schimmelstute, zwei Braune, die dem Gestüt jedes Fürsten<lb/> Ehre machen würden, und endlich das Prachtstück: ein herrlicher Fliegenschimmel<lb/> von türkischer Abkunft, mit Augen, gluthig wie helle Kohle, schön gebogenem Hals<lb/> und tadelloser Kroupe, der Boden um ihn war von den ungeduldigen Hufen ganz<lb/> aufgewühlt. Die den Halbkreis abgrenzenden Hütten der Reiterei waren aus dem<lb/> verschiedenartigsten Material zusammengesetzt, aus gestampften Lehmwänden, frischen<lb/> Erlenstämmen, Eichcnbrettern, Stroh und grünem Reisig; ihre Mannschaft war mit<lb/> Putzen der Waffen, Striegeln der Rosse und Bereitung der Mittagsmenage gemüth¬<lb/> lich beschäftigt. Ein Offizier in Grenzeruniform trat aus dem Feldherrnzelt, wir<lb/> baten ihn, uns zu melden, und wurden von ihm sofort zum Obrist Knicanin<lb/> geführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_152" next="#ID_153"> Knicanin saß im Fond des Zeltes auf einer mit dem feinsten Linnen über¬<lb/> zogenen Matratze mit überschlagenen Beinen; er erhob sich, uns durch leichte Ver¬<lb/> beugung und Händedruck zu begrüßen. Wohl ist er einer der stattlichsten Männer,<lb/> auffallend hoch gewachsen und kräftig gebaut, dem Anschein nach ein angehender<lb/> Vierziger. Sein rundes, volles, etwas gebräuntes Gesicht erhält durch eine schön-<lb/> gebogene Nase, den kühn geschnittenen Mund und den dichten, langen Schnurr¬<lb/> bart einen heldenhaften Ausdruck, während aus den glänzenden braunen Augen<lb/> Verstandesschärfe und Gutmütigkeit hervorleuchtet. Das kastanienbraune Haar<lb/> trägt er kurz geschnitten unter dem rothen Fez, welchen nichts vor den Kopfbe¬<lb/> deckungen der übrige» Mannschaft auszeichnet. Sein ganzer Anzug ist schlichter,<lb/> als der von den meisten seiner Subalternen. Eine schwarze Sammtweste, reich<lb/> Mit Gold bortirt und bis an den Hals mit einer dichten Reihe silberner Knöpfe<lb/> gehabt"sser und sein goldgestickter Waffcngiutcl, um den ein kostbarer persischer<lb/> Shawl gewunden ist, bilden die einzige» prunkende» Stücke seiner Kleidung.<lb/> Ueber der Weste trug der Herr ein roch und blau gestreiftes Leibchen ans leichtem<lb/> Seidenstoff, darüber einen kurzen Nock mit aufgeschlitztem Slenneln aus ziemlich<lb/> groben, gelbbraunen Tuch, mit einfache» blauen Sctnüren verziert, blaue Knie¬<lb/> hosen von bedeutender Weite und gleichfarbige, sehr eng anliegende Kamascten,<lb/> welche unten ein scbwarzseidcucr Zwickel und eine sclmarze Bordüre ausputzte,<lb/> während dieser Beinsclnnnck sowie alles Schnürwerk bei den übrige» distinguirten<lb/> Serben allemal von Gold- oder Silberstickerei ist. Zu Haupte» Knicanin's hin¬<lb/> gen, reiche Waffen, prächtige Pistolen und Tnrkensäbcl in silbernen, kunstvoll zise-<lb/> litten Scheiden. Neben Knicanin aber saß ein dicker, wohlgenährter Herr mit<lb/> ehrwürdig langem blonden Bart im dunkelblaue» Popcnhabit, die breite rothe<lb/> Leibbinde bezeichnete den Rang eines nicht nnirten Erzpricstcrs. Als er meiner<lb/> ansichtig wurde, zwinckerte er mit seinen grauen freundlichen Augen, sprang, so</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
Actenstück. Noch weiter links standen unter einem bretternen Notstand des Feld¬
herrn Schlachtrosse, alle gesattelt und gezäumt. Meine Sportsmannatur trieb mich
zuerst dorthin, ein schöner englischer Hengst, eine unscheinbare, aber gedrungen
und kräftig gebaute Schimmelstute, zwei Braune, die dem Gestüt jedes Fürsten
Ehre machen würden, und endlich das Prachtstück: ein herrlicher Fliegenschimmel
von türkischer Abkunft, mit Augen, gluthig wie helle Kohle, schön gebogenem Hals
und tadelloser Kroupe, der Boden um ihn war von den ungeduldigen Hufen ganz
aufgewühlt. Die den Halbkreis abgrenzenden Hütten der Reiterei waren aus dem
verschiedenartigsten Material zusammengesetzt, aus gestampften Lehmwänden, frischen
Erlenstämmen, Eichcnbrettern, Stroh und grünem Reisig; ihre Mannschaft war mit
Putzen der Waffen, Striegeln der Rosse und Bereitung der Mittagsmenage gemüth¬
lich beschäftigt. Ein Offizier in Grenzeruniform trat aus dem Feldherrnzelt, wir
baten ihn, uns zu melden, und wurden von ihm sofort zum Obrist Knicanin
geführt.
Knicanin saß im Fond des Zeltes auf einer mit dem feinsten Linnen über¬
zogenen Matratze mit überschlagenen Beinen; er erhob sich, uns durch leichte Ver¬
beugung und Händedruck zu begrüßen. Wohl ist er einer der stattlichsten Männer,
auffallend hoch gewachsen und kräftig gebaut, dem Anschein nach ein angehender
Vierziger. Sein rundes, volles, etwas gebräuntes Gesicht erhält durch eine schön-
gebogene Nase, den kühn geschnittenen Mund und den dichten, langen Schnurr¬
bart einen heldenhaften Ausdruck, während aus den glänzenden braunen Augen
Verstandesschärfe und Gutmütigkeit hervorleuchtet. Das kastanienbraune Haar
trägt er kurz geschnitten unter dem rothen Fez, welchen nichts vor den Kopfbe¬
deckungen der übrige» Mannschaft auszeichnet. Sein ganzer Anzug ist schlichter,
als der von den meisten seiner Subalternen. Eine schwarze Sammtweste, reich
Mit Gold bortirt und bis an den Hals mit einer dichten Reihe silberner Knöpfe
gehabt"sser und sein goldgestickter Waffcngiutcl, um den ein kostbarer persischer
Shawl gewunden ist, bilden die einzige» prunkende» Stücke seiner Kleidung.
Ueber der Weste trug der Herr ein roch und blau gestreiftes Leibchen ans leichtem
Seidenstoff, darüber einen kurzen Nock mit aufgeschlitztem Slenneln aus ziemlich
groben, gelbbraunen Tuch, mit einfache» blauen Sctnüren verziert, blaue Knie¬
hosen von bedeutender Weite und gleichfarbige, sehr eng anliegende Kamascten,
welche unten ein scbwarzseidcucr Zwickel und eine sclmarze Bordüre ausputzte,
während dieser Beinsclnnnck sowie alles Schnürwerk bei den übrige» distinguirten
Serben allemal von Gold- oder Silberstickerei ist. Zu Haupte» Knicanin's hin¬
gen, reiche Waffen, prächtige Pistolen und Tnrkensäbcl in silbernen, kunstvoll zise-
litten Scheiden. Neben Knicanin aber saß ein dicker, wohlgenährter Herr mit
ehrwürdig langem blonden Bart im dunkelblaue» Popcnhabit, die breite rothe
Leibbinde bezeichnete den Rang eines nicht nnirten Erzpricstcrs. Als er meiner
ansichtig wurde, zwinckerte er mit seinen grauen freundlichen Augen, sprang, so
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