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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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"Was hälst du mich für einen Haiduckenführer?" -- "Ich seh's an Euren Silber¬
tressen und an Eurer Mütze," antwortete ehrerbietig der Serbe und gab mir meinen
Paß zurück. -- Ich zuckte die Achseln. Der Sohn der Moldau passirte seitdem
im ganzen Lager für einen Räuberhauptmann der böhmischen Wälder.

Der Posten ließ mich bis an das Hauptquartier geleiten, das sich seitwärts
vom großen Lager in einem dichten Erlengebüsch befand, inmitten einer Kavallerie¬
abtheilung.

Auf einer schwanken Nothbrücke überschritten wir den tiefen Lagergraben und
kamen durch eine lange Reihe von Zelten und Erdhütten, zwischen welchen gesat¬
telte Pferde an Pfähle gebunden unter freiem Himmel standen, auf einen geräu¬
migen, halbrunden freien Platz. Die jungen Erlen, welche weiterhin das Reiter¬
lager überschatteten, waren hier gefällt und zur Deckung jener Hütten verwendet
worden. Nur einen alten Eichbaum hatte man inmitten des Halbzirkels stehen
gelassen, zwischen seinen Aesten steckten-eroberte magyarische Fahnen, auf der schön¬
sten davon -- sie war roth und grün, und reich mit Silber gestickt -- war der
Kopf ihres früheren Trägers aufgespießt, der bei Lazarovo-polje gefallen. Bei
jedem Windstoß bewegten sich gespensterhaft die laugen blonden Locken und schaurig
flatterten die blutbespritzten Fahnenbänder von Atlas, darauf die Worte gestickt:
"Marie von Esekucz der Nationalgarde." Der arme Fähnrich hat seine Fahne
wacker gewahrt, nur mit seinem Herzblut getränkt konnte man sie ihm entreißen!
Grade gegenüber der Eiche erhob sich das Zelt des Feldherrn, hoch und geräumig,
aus grünem Tuch mit rothen Franzen; von seiner Spitze weht ein Fähnlein in
den slavischen Farben, blau, weiß und roth, im mittlern Felde das rothe Herz-
sckild des serbischen Wappens mit dem silbernen Kreuz und den vier blauen Fcuer-
ftäblcn. Vor dem Zelte schritten zwei riesige Haiducken Wache haltend auf und
nieder, der Eine im vollen Nativnalkostüm, im rothen Mantel und Fez, in den
verschränkten Armen ein Bajonnetgcnehr haltend, der Andere, den blanken Handzar
in der Rechten, die klaficrlange, Montenegriner Flinte quer über den Rücken ge¬
hängt, einen weißen Reitermantel über dem nationalen Unterkleid, ans dem Hanpte
den kostbaren Kalpack eines erlegten ungarischen Magnaten mit blitzender Steina-
grasse und stolz nickendem Neiherbusch. Rechts von Knicanin's Zei.e war ein fein
gedeckter Eßtisch unter einer Halbdecke von ungebleichter Leinwand aufgestellt, da¬
neben eine aus Ziegelivänden aufgeführte, mit einem soliden Brelterdache gedeckte
Küche, deren duftige Ausdünstung uns gewaltig anheimelte. Vor der Küäie hing
zwischen vier in die Erde gerammten Pfählen ein blanker, brodelnder Kupferkessel
über einer lustig flackernden Flamme. Eine kleine Laut'hülle links enthielt die
Feldkai.zlei, ein serbischer Kavallerist und ein schwarzgekleideter Kommissair des
Karlovicer CenlralreZierungS5om:des debattirten eben dann sehr eifrig über ein


„Was hälst du mich für einen Haiduckenführer?" — „Ich seh's an Euren Silber¬
tressen und an Eurer Mütze," antwortete ehrerbietig der Serbe und gab mir meinen
Paß zurück. — Ich zuckte die Achseln. Der Sohn der Moldau passirte seitdem
im ganzen Lager für einen Räuberhauptmann der böhmischen Wälder.

Der Posten ließ mich bis an das Hauptquartier geleiten, das sich seitwärts
vom großen Lager in einem dichten Erlengebüsch befand, inmitten einer Kavallerie¬
abtheilung.

Auf einer schwanken Nothbrücke überschritten wir den tiefen Lagergraben und
kamen durch eine lange Reihe von Zelten und Erdhütten, zwischen welchen gesat¬
telte Pferde an Pfähle gebunden unter freiem Himmel standen, auf einen geräu¬
migen, halbrunden freien Platz. Die jungen Erlen, welche weiterhin das Reiter¬
lager überschatteten, waren hier gefällt und zur Deckung jener Hütten verwendet
worden. Nur einen alten Eichbaum hatte man inmitten des Halbzirkels stehen
gelassen, zwischen seinen Aesten steckten-eroberte magyarische Fahnen, auf der schön¬
sten davon — sie war roth und grün, und reich mit Silber gestickt — war der
Kopf ihres früheren Trägers aufgespießt, der bei Lazarovo-polje gefallen. Bei
jedem Windstoß bewegten sich gespensterhaft die laugen blonden Locken und schaurig
flatterten die blutbespritzten Fahnenbänder von Atlas, darauf die Worte gestickt:
„Marie von Esekucz der Nationalgarde." Der arme Fähnrich hat seine Fahne
wacker gewahrt, nur mit seinem Herzblut getränkt konnte man sie ihm entreißen!
Grade gegenüber der Eiche erhob sich das Zelt des Feldherrn, hoch und geräumig,
aus grünem Tuch mit rothen Franzen; von seiner Spitze weht ein Fähnlein in
den slavischen Farben, blau, weiß und roth, im mittlern Felde das rothe Herz-
sckild des serbischen Wappens mit dem silbernen Kreuz und den vier blauen Fcuer-
ftäblcn. Vor dem Zelte schritten zwei riesige Haiducken Wache haltend auf und
nieder, der Eine im vollen Nativnalkostüm, im rothen Mantel und Fez, in den
verschränkten Armen ein Bajonnetgcnehr haltend, der Andere, den blanken Handzar
in der Rechten, die klaficrlange, Montenegriner Flinte quer über den Rücken ge¬
hängt, einen weißen Reitermantel über dem nationalen Unterkleid, ans dem Hanpte
den kostbaren Kalpack eines erlegten ungarischen Magnaten mit blitzender Steina-
grasse und stolz nickendem Neiherbusch. Rechts von Knicanin's Zei.e war ein fein
gedeckter Eßtisch unter einer Halbdecke von ungebleichter Leinwand aufgestellt, da¬
neben eine aus Ziegelivänden aufgeführte, mit einem soliden Brelterdache gedeckte
Küche, deren duftige Ausdünstung uns gewaltig anheimelte. Vor der Küäie hing
zwischen vier in die Erde gerammten Pfählen ein blanker, brodelnder Kupferkessel
über einer lustig flackernden Flamme. Eine kleine Laut'hülle links enthielt die
Feldkai.zlei, ein serbischer Kavallerist und ein schwarzgekleideter Kommissair des
Karlovicer CenlralreZierungS5om:des debattirten eben dann sehr eifrig über ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/48>, abgerufen am 15.01.2025.