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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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gegen das Volt führen mußte, anders geschehen, als indem man dem Soldaten
den Bürger als seinen Feind gegenüberstellte und der Armee den Geist der großen
Compagnien und Banden des Mittelalters einflößte? indem man ans einer böh¬
misch-deutsch-serbisch-magyarisch-italienischen Armee, von welchen Nationen immer
eine nach der andern im Aufstände sich befunden hatten, eine Wailensteinische
schuf? Unsere wahnsinnigen Radikalen unterstützten eifrigst durch ihr ewiges
Hetzen gegen die Truppen das Streben der Aristokraten, und den vereinigen
Bemühungen der Aristokraten und Radikalen ist in kurzer Zeit das Unglaublichste
gelungen. Die östreichische Armee ist innerhalb eines Zeitraums von einem Jahre
aus einer Staatsarmee zu einem prätorianischcn Heere, zum Selbstzweck geworden.
Soldaten wie Offiziere betrachten den Staat blos als eine Anstalt, die zu nichts
andrem da ist, als eine hohe Lohnung und Revolutionen zu garantiren, wobei man
Contributionen erheben und Beute machen kann. Nicht einer der unwichtigsten
Gründe zur Belagerungszustand-Erklärung so vieler Städte und Gegenden ist
der, den Soldaten ^deu Sold verdoppeln zu können, denn die Truppen in den
Garnisonen wollen von der allgemeinen Bente, dem Staate, doch auch etwas pro-
fitiren. Der Gemeingeist der östreichischen Armee ist also der prätoriauische, das
Beiwort östreichisch ist rein zufällig. Am schärfsten tritt dieser Charakter bei der
italienischen Armee hervor. Wer Belege will, den verweisen wir ans Sedlitz'
Soldatenlieder. Aber die Aristokratie hat sich selbst die Grube gegraben. Der
Geist der Unzufriedenheit über die Bevorzugung des Adels beim Avancement ist
bei der Armee täglich im Wachsen, denu der prätoriauische Geist kann kein an¬
derer als ein rein demokratischer, der Geist des Gleichmachcns sein. Der Soldat be¬
ginnt sich zu fühlen, wird sich dessen bewußt, daß er Herr und Meister geworden.
Welche Zukunft Oestreich daraus erwachsen kann, kann leicht geahnt werden. Das
Staats- und Bürgcrbewußtsein ist in der Armee gänzlich verwischt. Nur hie und
da findet sich noch ein alter Corporal oder Feldwebel mit grauen Schnurrbart,
in dem noch etwas von specifischem Oestrcicherthum als Erbstück aus den Natio-
nalkriegeu der napoleonischen Zeit geblieben ist. Die edlen Elemente, die in der
Armee sich finden, werden von der wilden Poesie des Knegölebens und der Aben¬
teuer, von der Romantik des Esprit dn Corps absorbirt.

Doch wie soll der Mangel des Staatsbewußtseins bei der Armee befrem¬
den, die blos untergeordnetes Werkzeug sein soll, wenn man dieses Bewußtsein bei
den obersten Staatslenkern, ja bei der Dynastie selber umsonst sucht? Das klingt
fast absurd, ist aber nichts desto weniger vollkommen wahr. Der Staat wird blos
"is ein großes Waarenmagazin von Ländern betrachtet, in welchem Artikel sich
jetzt machen, mit Profit kaufen und verkaufen läßt, und da eben ein rentables
Geschäft in Deutschland und Italien in Aussicht steht, die eigene" Kapitalien
aber dazu nicht ausreichen, so tritt man mit einem reichen Kapitalisten in Gesell¬
schaft. Der östreichische Kaiser könnte sich mit größerem Rechte ^omnÄAuie


gegen das Volt führen mußte, anders geschehen, als indem man dem Soldaten
den Bürger als seinen Feind gegenüberstellte und der Armee den Geist der großen
Compagnien und Banden des Mittelalters einflößte? indem man ans einer böh¬
misch-deutsch-serbisch-magyarisch-italienischen Armee, von welchen Nationen immer
eine nach der andern im Aufstände sich befunden hatten, eine Wailensteinische
schuf? Unsere wahnsinnigen Radikalen unterstützten eifrigst durch ihr ewiges
Hetzen gegen die Truppen das Streben der Aristokraten, und den vereinigen
Bemühungen der Aristokraten und Radikalen ist in kurzer Zeit das Unglaublichste
gelungen. Die östreichische Armee ist innerhalb eines Zeitraums von einem Jahre
aus einer Staatsarmee zu einem prätorianischcn Heere, zum Selbstzweck geworden.
Soldaten wie Offiziere betrachten den Staat blos als eine Anstalt, die zu nichts
andrem da ist, als eine hohe Lohnung und Revolutionen zu garantiren, wobei man
Contributionen erheben und Beute machen kann. Nicht einer der unwichtigsten
Gründe zur Belagerungszustand-Erklärung so vieler Städte und Gegenden ist
der, den Soldaten ^deu Sold verdoppeln zu können, denn die Truppen in den
Garnisonen wollen von der allgemeinen Bente, dem Staate, doch auch etwas pro-
fitiren. Der Gemeingeist der östreichischen Armee ist also der prätoriauische, das
Beiwort östreichisch ist rein zufällig. Am schärfsten tritt dieser Charakter bei der
italienischen Armee hervor. Wer Belege will, den verweisen wir ans Sedlitz'
Soldatenlieder. Aber die Aristokratie hat sich selbst die Grube gegraben. Der
Geist der Unzufriedenheit über die Bevorzugung des Adels beim Avancement ist
bei der Armee täglich im Wachsen, denu der prätoriauische Geist kann kein an¬
derer als ein rein demokratischer, der Geist des Gleichmachcns sein. Der Soldat be¬
ginnt sich zu fühlen, wird sich dessen bewußt, daß er Herr und Meister geworden.
Welche Zukunft Oestreich daraus erwachsen kann, kann leicht geahnt werden. Das
Staats- und Bürgcrbewußtsein ist in der Armee gänzlich verwischt. Nur hie und
da findet sich noch ein alter Corporal oder Feldwebel mit grauen Schnurrbart,
in dem noch etwas von specifischem Oestrcicherthum als Erbstück aus den Natio-
nalkriegeu der napoleonischen Zeit geblieben ist. Die edlen Elemente, die in der
Armee sich finden, werden von der wilden Poesie des Knegölebens und der Aben¬
teuer, von der Romantik des Esprit dn Corps absorbirt.

Doch wie soll der Mangel des Staatsbewußtseins bei der Armee befrem¬
den, die blos untergeordnetes Werkzeug sein soll, wenn man dieses Bewußtsein bei
den obersten Staatslenkern, ja bei der Dynastie selber umsonst sucht? Das klingt
fast absurd, ist aber nichts desto weniger vollkommen wahr. Der Staat wird blos
«is ein großes Waarenmagazin von Ländern betrachtet, in welchem Artikel sich
jetzt machen, mit Profit kaufen und verkaufen läßt, und da eben ein rentables
Geschäft in Deutschland und Italien in Aussicht steht, die eigene» Kapitalien
aber dazu nicht ausreichen, so tritt man mit einem reichen Kapitalisten in Gesell¬
schaft. Der östreichische Kaiser könnte sich mit größerem Rechte ^omnÄAuie


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[0468] gegen das Volt führen mußte, anders geschehen, als indem man dem Soldaten den Bürger als seinen Feind gegenüberstellte und der Armee den Geist der großen Compagnien und Banden des Mittelalters einflößte? indem man ans einer böh¬ misch-deutsch-serbisch-magyarisch-italienischen Armee, von welchen Nationen immer eine nach der andern im Aufstände sich befunden hatten, eine Wailensteinische schuf? Unsere wahnsinnigen Radikalen unterstützten eifrigst durch ihr ewiges Hetzen gegen die Truppen das Streben der Aristokraten, und den vereinigen Bemühungen der Aristokraten und Radikalen ist in kurzer Zeit das Unglaublichste gelungen. Die östreichische Armee ist innerhalb eines Zeitraums von einem Jahre aus einer Staatsarmee zu einem prätorianischcn Heere, zum Selbstzweck geworden. Soldaten wie Offiziere betrachten den Staat blos als eine Anstalt, die zu nichts andrem da ist, als eine hohe Lohnung und Revolutionen zu garantiren, wobei man Contributionen erheben und Beute machen kann. Nicht einer der unwichtigsten Gründe zur Belagerungszustand-Erklärung so vieler Städte und Gegenden ist der, den Soldaten ^deu Sold verdoppeln zu können, denn die Truppen in den Garnisonen wollen von der allgemeinen Bente, dem Staate, doch auch etwas pro- fitiren. Der Gemeingeist der östreichischen Armee ist also der prätoriauische, das Beiwort östreichisch ist rein zufällig. Am schärfsten tritt dieser Charakter bei der italienischen Armee hervor. Wer Belege will, den verweisen wir ans Sedlitz' Soldatenlieder. Aber die Aristokratie hat sich selbst die Grube gegraben. Der Geist der Unzufriedenheit über die Bevorzugung des Adels beim Avancement ist bei der Armee täglich im Wachsen, denu der prätoriauische Geist kann kein an¬ derer als ein rein demokratischer, der Geist des Gleichmachcns sein. Der Soldat be¬ ginnt sich zu fühlen, wird sich dessen bewußt, daß er Herr und Meister geworden. Welche Zukunft Oestreich daraus erwachsen kann, kann leicht geahnt werden. Das Staats- und Bürgcrbewußtsein ist in der Armee gänzlich verwischt. Nur hie und da findet sich noch ein alter Corporal oder Feldwebel mit grauen Schnurrbart, in dem noch etwas von specifischem Oestrcicherthum als Erbstück aus den Natio- nalkriegeu der napoleonischen Zeit geblieben ist. Die edlen Elemente, die in der Armee sich finden, werden von der wilden Poesie des Knegölebens und der Aben¬ teuer, von der Romantik des Esprit dn Corps absorbirt. Doch wie soll der Mangel des Staatsbewußtseins bei der Armee befrem¬ den, die blos untergeordnetes Werkzeug sein soll, wenn man dieses Bewußtsein bei den obersten Staatslenkern, ja bei der Dynastie selber umsonst sucht? Das klingt fast absurd, ist aber nichts desto weniger vollkommen wahr. Der Staat wird blos «is ein großes Waarenmagazin von Ländern betrachtet, in welchem Artikel sich jetzt machen, mit Profit kaufen und verkaufen läßt, und da eben ein rentables Geschäft in Deutschland und Italien in Aussicht steht, die eigene» Kapitalien aber dazu nicht ausreichen, so tritt man mit einem reichen Kapitalisten in Gesell¬ schaft. Der östreichische Kaiser könnte sich mit größerem Rechte ^omnÄAuie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/468>, abgerufen am 15.01.2025.