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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Spitzel (Denuncianten) sich beklagten, indem ein ehrlicher Mann sie nicht zu
scheuen brauche. "Mich geniren's nit, mich uit," wiederholte er, indem er mit
würdevoller Energie in das Mundstück seiner Pfeife biß. Ich that Baumwolle in
meine Ohren, kaute geschwind fertig und bewerkstelligte meinen Rückzug.

Zur Schande Wiens sei es gesagt, daß unter der wohlhabenden Bürgerklasse
die Denunciation seit Kurzem ein gewöhnliches Laster geworden ist. Auf der
Stadthanptmannschaft und im Lokale der Milirürnntersuchnngscommissivn wimmelt
es den ganzen Tag von wohlgekleideter Angebern und ich beneide die k. k. Beamten
nicht um die Geduld und Fassung, welche sie, wie es heißt, aufbieten, um ihren
Ekel vor dem Gezücht zu bemeistern. Ich würde mehr vou ihnen halten, wenn
sie weniger Fassung besäßen und ihren Ekel nicht überwinden konnten.

Es thut mir weh, Ihnen die Pestbeulen Wiens zeigen zu müssen, und da¬
mit Sie uns nicht zu sehr l'emitleideu, will ich Ihnen gestehen, daß es den so¬
genannten Böswilligen auch nicht an humoristischen Entschädigungen fehlt. Ich
meine die ungarischen Nachrichten, die man sich zuflüstert und süß findet wie Was¬
ser aus den Strömen des Paradieses. Man denkt nicht daran, was aus Oest¬
reich dabei werden soll, und freut sich über jeden Streich, den die Nemesis gegen
die tückische Bornirtheit unserer Schwarzenberg'schen führt. Von Welden's Fiasko
und Rücktritt haben Sie gehört; seine Rücksichtslosigkeit gegen die Soldaten, die
er als Kanonenfutter traktirte und ins Feuer warf, wie dürres Reisig, hatte ihn
zuletzt auch bei der Armee verhaßt gemacht. Haynau folgte ihm, Haynau der
Brescianer, und begann damit, daß er in Preßburg gefangene ungarische Offiziere
wie Räuber behandelte. Er hat Mednyanski und Gruber nicht einmal zu Pulver
und Blei begnadigt, er hat sie gehängt. Aber bei Trentschin wurde Haynau, der
ritterliche Haynau von dem Juden Danneberg (auch unter dem Namen Don Prado
bekannt) aufs Haupt geschlagen.

Alle Zeitungen prophezeiten, die Thronentsetzung des Hauses Habsburg werde
das Magyarenvolk erbittern und zur Loyalität zurückführen. Statt dessen brechen
Husarentrnpps aus Böhmen und Oestreich, wo ihnen jene That Kossuth's kein
Geheimniß geblieben fein kann, mit romantischer Waghalsigkeit auf, schlagen
sich von Schmugglern geführt, durch Büsche und Schluchten bis über die unga¬
rische Grenze durch, um ihr Heimweh nach einem Magyarischen Schlachtfelde zu
stillen. Reisende aus Ungar" versichern, daß zwischen Polen und Magyaren noch
immer das herzlichste Einverständnis; herrsche. Es kommandiren im Ganzen nur
drei Polen in Ungarn: Bein, Dembinski und Wysocki; die polnischen Hilfstrup¬
pen betragen höchstens 10,000 Mann, können daher unmöglich, wie man hier
behauptet, die magyarische Armee terrorisiren. Eben so abgeschmackt ist die Be¬
hauptung der Wiener Blätter, daß die Ungarn an die russische Intervention nicht
glauben wollen. Man erfuhr sie dort früher als hier; weitersehende Magyaren


Spitzel (Denuncianten) sich beklagten, indem ein ehrlicher Mann sie nicht zu
scheuen brauche. „Mich geniren's nit, mich uit," wiederholte er, indem er mit
würdevoller Energie in das Mundstück seiner Pfeife biß. Ich that Baumwolle in
meine Ohren, kaute geschwind fertig und bewerkstelligte meinen Rückzug.

Zur Schande Wiens sei es gesagt, daß unter der wohlhabenden Bürgerklasse
die Denunciation seit Kurzem ein gewöhnliches Laster geworden ist. Auf der
Stadthanptmannschaft und im Lokale der Milirürnntersuchnngscommissivn wimmelt
es den ganzen Tag von wohlgekleideter Angebern und ich beneide die k. k. Beamten
nicht um die Geduld und Fassung, welche sie, wie es heißt, aufbieten, um ihren
Ekel vor dem Gezücht zu bemeistern. Ich würde mehr vou ihnen halten, wenn
sie weniger Fassung besäßen und ihren Ekel nicht überwinden konnten.

Es thut mir weh, Ihnen die Pestbeulen Wiens zeigen zu müssen, und da¬
mit Sie uns nicht zu sehr l'emitleideu, will ich Ihnen gestehen, daß es den so¬
genannten Böswilligen auch nicht an humoristischen Entschädigungen fehlt. Ich
meine die ungarischen Nachrichten, die man sich zuflüstert und süß findet wie Was¬
ser aus den Strömen des Paradieses. Man denkt nicht daran, was aus Oest¬
reich dabei werden soll, und freut sich über jeden Streich, den die Nemesis gegen
die tückische Bornirtheit unserer Schwarzenberg'schen führt. Von Welden's Fiasko
und Rücktritt haben Sie gehört; seine Rücksichtslosigkeit gegen die Soldaten, die
er als Kanonenfutter traktirte und ins Feuer warf, wie dürres Reisig, hatte ihn
zuletzt auch bei der Armee verhaßt gemacht. Haynau folgte ihm, Haynau der
Brescianer, und begann damit, daß er in Preßburg gefangene ungarische Offiziere
wie Räuber behandelte. Er hat Mednyanski und Gruber nicht einmal zu Pulver
und Blei begnadigt, er hat sie gehängt. Aber bei Trentschin wurde Haynau, der
ritterliche Haynau von dem Juden Danneberg (auch unter dem Namen Don Prado
bekannt) aufs Haupt geschlagen.

Alle Zeitungen prophezeiten, die Thronentsetzung des Hauses Habsburg werde
das Magyarenvolk erbittern und zur Loyalität zurückführen. Statt dessen brechen
Husarentrnpps aus Böhmen und Oestreich, wo ihnen jene That Kossuth's kein
Geheimniß geblieben fein kann, mit romantischer Waghalsigkeit auf, schlagen
sich von Schmugglern geführt, durch Büsche und Schluchten bis über die unga¬
rische Grenze durch, um ihr Heimweh nach einem Magyarischen Schlachtfelde zu
stillen. Reisende aus Ungar» versichern, daß zwischen Polen und Magyaren noch
immer das herzlichste Einverständnis; herrsche. Es kommandiren im Ganzen nur
drei Polen in Ungarn: Bein, Dembinski und Wysocki; die polnischen Hilfstrup¬
pen betragen höchstens 10,000 Mann, können daher unmöglich, wie man hier
behauptet, die magyarische Armee terrorisiren. Eben so abgeschmackt ist die Be¬
hauptung der Wiener Blätter, daß die Ungarn an die russische Intervention nicht
glauben wollen. Man erfuhr sie dort früher als hier; weitersehende Magyaren


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[0455] Spitzel (Denuncianten) sich beklagten, indem ein ehrlicher Mann sie nicht zu scheuen brauche. „Mich geniren's nit, mich uit," wiederholte er, indem er mit würdevoller Energie in das Mundstück seiner Pfeife biß. Ich that Baumwolle in meine Ohren, kaute geschwind fertig und bewerkstelligte meinen Rückzug. Zur Schande Wiens sei es gesagt, daß unter der wohlhabenden Bürgerklasse die Denunciation seit Kurzem ein gewöhnliches Laster geworden ist. Auf der Stadthanptmannschaft und im Lokale der Milirürnntersuchnngscommissivn wimmelt es den ganzen Tag von wohlgekleideter Angebern und ich beneide die k. k. Beamten nicht um die Geduld und Fassung, welche sie, wie es heißt, aufbieten, um ihren Ekel vor dem Gezücht zu bemeistern. Ich würde mehr vou ihnen halten, wenn sie weniger Fassung besäßen und ihren Ekel nicht überwinden konnten. Es thut mir weh, Ihnen die Pestbeulen Wiens zeigen zu müssen, und da¬ mit Sie uns nicht zu sehr l'emitleideu, will ich Ihnen gestehen, daß es den so¬ genannten Böswilligen auch nicht an humoristischen Entschädigungen fehlt. Ich meine die ungarischen Nachrichten, die man sich zuflüstert und süß findet wie Was¬ ser aus den Strömen des Paradieses. Man denkt nicht daran, was aus Oest¬ reich dabei werden soll, und freut sich über jeden Streich, den die Nemesis gegen die tückische Bornirtheit unserer Schwarzenberg'schen führt. Von Welden's Fiasko und Rücktritt haben Sie gehört; seine Rücksichtslosigkeit gegen die Soldaten, die er als Kanonenfutter traktirte und ins Feuer warf, wie dürres Reisig, hatte ihn zuletzt auch bei der Armee verhaßt gemacht. Haynau folgte ihm, Haynau der Brescianer, und begann damit, daß er in Preßburg gefangene ungarische Offiziere wie Räuber behandelte. Er hat Mednyanski und Gruber nicht einmal zu Pulver und Blei begnadigt, er hat sie gehängt. Aber bei Trentschin wurde Haynau, der ritterliche Haynau von dem Juden Danneberg (auch unter dem Namen Don Prado bekannt) aufs Haupt geschlagen. Alle Zeitungen prophezeiten, die Thronentsetzung des Hauses Habsburg werde das Magyarenvolk erbittern und zur Loyalität zurückführen. Statt dessen brechen Husarentrnpps aus Böhmen und Oestreich, wo ihnen jene That Kossuth's kein Geheimniß geblieben fein kann, mit romantischer Waghalsigkeit auf, schlagen sich von Schmugglern geführt, durch Büsche und Schluchten bis über die unga¬ rische Grenze durch, um ihr Heimweh nach einem Magyarischen Schlachtfelde zu stillen. Reisende aus Ungar» versichern, daß zwischen Polen und Magyaren noch immer das herzlichste Einverständnis; herrsche. Es kommandiren im Ganzen nur drei Polen in Ungarn: Bein, Dembinski und Wysocki; die polnischen Hilfstrup¬ pen betragen höchstens 10,000 Mann, können daher unmöglich, wie man hier behauptet, die magyarische Armee terrorisiren. Eben so abgeschmackt ist die Be¬ hauptung der Wiener Blätter, daß die Ungarn an die russische Intervention nicht glauben wollen. Man erfuhr sie dort früher als hier; weitersehende Magyaren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/455>, abgerufen am 15.01.2025.