Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.innern Stadt. Wenn Sie dagegen in den civilisirtern Räumen Platz nehmen, so innern Stadt. Wenn Sie dagegen in den civilisirtern Räumen Platz nehmen, so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0454" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278964"/> <p xml:id="ID_1469" prev="#ID_1468" next="#ID_1470"> innern Stadt. Wenn Sie dagegen in den civilisirtern Räumen Platz nehmen, so<lb/> rath ich Ihnen zweierlei: erstens befleißigen Sie sich (außer beim Kauen) der<lb/> Mundsperre, zweitens thun Sie Baumwolle in Ihre Ohren! Der Vollblutbonr-<lb/> geois begnügt sich nicht damit, Andersdenkenden das Maul zu stopfen: er hat<lb/> eine wahre Wuth, überall mit lauter Stimme das Evangelium der Reaction zu<lb/> predigen. Es könnte Ihnen geschehen, daß Sie die Herrschaft über Ihr Zwerch¬<lb/> fell verlieren oder Ihren Gedanken K In Callvt-Hoffmann durch Gesichterschneiden<lb/> Luft machten, — und ich stehe nicht für die Folgen. Gestern z. B. trieb mich<lb/> mein böser Genius zum Abendbrot in den „Bazar." Alles, Schwemme und Sa¬<lb/> lon, war voll, ein einziger Sessel an einem runden, philisterbesetztcn Tisch war<lb/> leer und der Kellner nöthigte mich ans diesen Armensünderstiihl. Am Nebentisch<lb/> strichen einige Offiziere sich den bierfeuchten Schnurrbart und erzählten italienische<lb/> Heldenthaten. „Das Nest," sprach einer von einem Ort bei Mailand, „haben<lb/> wir schön 'kriegt. Bomben und Granaten ringsherum aufgefahren — neing'feuert<lb/> — das hat in 'ner halben Stund' so schön gebrannt wie die Wachskerzen bei der<lb/> Melken — nachher sein's aussi kommen wie die Schwoben, wie die Wanzen, sag<lb/> ich, — in Pantoffel, in Hemd und Unterrock — und die Unsrigen drauf Schei¬<lb/> ben g'schossen, Jemine, Jemine, — und die Beute! Mein Franz (sein Fourier)<lb/> hat mir'n andern Tag 'ne ganze Katz' mit Dukaten und Zwanzigern 'zeigt." —<lb/> „So kriegt man die Zwanziger von die schuftiger Italiener wieder z'ruck," lachte<lb/> mein Nachbar. — „Aber in Ungarn geht's langsam," sagte ein Anderer, „und<lb/> die Unfügen," setzte er leise hinzu, „werden jetzt die Bente mit den Russen hal-<lb/> biren müssen." Die Offiziere waren, das zeigte ihre starke Mundart, neulich<lb/> avancirte Corporäle. .4 ur Auvrro coiume u in, Aiivi-ro, dacht ich; pikanter waren<lb/> die Herzensergießungen meiner bürgerlicher Umgebung. Ihr Vorredner war ein<lb/> bauchiger Mann mit rothem Gesicht, das er in Pathos der Deklamation zu sen¬<lb/> ken pflegte, wie ein Kampfstier, wenn er das Horn fällt. Als ich mich setzte,<lb/> schlug er grade mit der Hand ans den Tisch und rief mit seiner malzfettigen<lb/> Stimme: „Herunter mit die Köpf', herunter mit die Köpf, sag ich, und Ruh is."<lb/> Nach einer Weile sah ich, daß er Niemand köpfen wollte, als Kossuth, Bathyani,<lb/> Bem, Dembinski, Jrauyi, Görgey, Klapka, Vetter, Guyon, Perczel, die pol¬<lb/> nisch-ungarische, die deutsch-ungarische Legion, Fischhvf, Violaud, Goldmark, dann<lb/> die Zeitungsschreiber, die Wühler überhaupt, weiter Niemand, „und Ruh is!"<lb/> Er versicherte überdies, daß in Ungarn mehr Preußen, Sachsen, Polen und an¬<lb/> dere Landstreicher als wirkliche Ungarn gegen Oestreich thätig sind. — Ueber<lb/> Fischhvf, der im vorigen Jahr, als Präsident des Sicherhcitsausschnsses, mit der<lb/> Frvhnleichnamsprocession gegangen war, wurden besonders aromatische Witze ge¬<lb/> rissen, und der Vorredner beklagte, daß man mit ihm so viel Federlesens mache,<lb/> statt ihn vor's Kriegsgericht zu stellen. Die Krone setzte dem Gespräch ein dürrer<lb/> Graukopf auf, der mit der „Geißel" bemerkte, daß nur Schurken über zu viele</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0454]
innern Stadt. Wenn Sie dagegen in den civilisirtern Räumen Platz nehmen, so
rath ich Ihnen zweierlei: erstens befleißigen Sie sich (außer beim Kauen) der
Mundsperre, zweitens thun Sie Baumwolle in Ihre Ohren! Der Vollblutbonr-
geois begnügt sich nicht damit, Andersdenkenden das Maul zu stopfen: er hat
eine wahre Wuth, überall mit lauter Stimme das Evangelium der Reaction zu
predigen. Es könnte Ihnen geschehen, daß Sie die Herrschaft über Ihr Zwerch¬
fell verlieren oder Ihren Gedanken K In Callvt-Hoffmann durch Gesichterschneiden
Luft machten, — und ich stehe nicht für die Folgen. Gestern z. B. trieb mich
mein böser Genius zum Abendbrot in den „Bazar." Alles, Schwemme und Sa¬
lon, war voll, ein einziger Sessel an einem runden, philisterbesetztcn Tisch war
leer und der Kellner nöthigte mich ans diesen Armensünderstiihl. Am Nebentisch
strichen einige Offiziere sich den bierfeuchten Schnurrbart und erzählten italienische
Heldenthaten. „Das Nest," sprach einer von einem Ort bei Mailand, „haben
wir schön 'kriegt. Bomben und Granaten ringsherum aufgefahren — neing'feuert
— das hat in 'ner halben Stund' so schön gebrannt wie die Wachskerzen bei der
Melken — nachher sein's aussi kommen wie die Schwoben, wie die Wanzen, sag
ich, — in Pantoffel, in Hemd und Unterrock — und die Unsrigen drauf Schei¬
ben g'schossen, Jemine, Jemine, — und die Beute! Mein Franz (sein Fourier)
hat mir'n andern Tag 'ne ganze Katz' mit Dukaten und Zwanzigern 'zeigt." —
„So kriegt man die Zwanziger von die schuftiger Italiener wieder z'ruck," lachte
mein Nachbar. — „Aber in Ungarn geht's langsam," sagte ein Anderer, „und
die Unfügen," setzte er leise hinzu, „werden jetzt die Bente mit den Russen hal-
biren müssen." Die Offiziere waren, das zeigte ihre starke Mundart, neulich
avancirte Corporäle. .4 ur Auvrro coiume u in, Aiivi-ro, dacht ich; pikanter waren
die Herzensergießungen meiner bürgerlicher Umgebung. Ihr Vorredner war ein
bauchiger Mann mit rothem Gesicht, das er in Pathos der Deklamation zu sen¬
ken pflegte, wie ein Kampfstier, wenn er das Horn fällt. Als ich mich setzte,
schlug er grade mit der Hand ans den Tisch und rief mit seiner malzfettigen
Stimme: „Herunter mit die Köpf', herunter mit die Köpf, sag ich, und Ruh is."
Nach einer Weile sah ich, daß er Niemand köpfen wollte, als Kossuth, Bathyani,
Bem, Dembinski, Jrauyi, Görgey, Klapka, Vetter, Guyon, Perczel, die pol¬
nisch-ungarische, die deutsch-ungarische Legion, Fischhvf, Violaud, Goldmark, dann
die Zeitungsschreiber, die Wühler überhaupt, weiter Niemand, „und Ruh is!"
Er versicherte überdies, daß in Ungarn mehr Preußen, Sachsen, Polen und an¬
dere Landstreicher als wirkliche Ungarn gegen Oestreich thätig sind. — Ueber
Fischhvf, der im vorigen Jahr, als Präsident des Sicherhcitsausschnsses, mit der
Frvhnleichnamsprocession gegangen war, wurden besonders aromatische Witze ge¬
rissen, und der Vorredner beklagte, daß man mit ihm so viel Federlesens mache,
statt ihn vor's Kriegsgericht zu stellen. Die Krone setzte dem Gespräch ein dürrer
Graukopf auf, der mit der „Geißel" bemerkte, daß nur Schurken über zu viele
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