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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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versteh,: Sie mir!" -- Darauf Rührung, Händeschütteln und gemeinsames Diner.
Die Kaffeegesellschaften haben ihre Pflicht gethan.


3. Die Staatszeitung.

Frau Geheimeräthin a. D. ist in der Provinz und in dem Umfang der
Jffland'schen Muse el" Gegenstand; in Berlin aber sieht der rechte Bussey, der
fette Hausbesitzer mit dem Doppelkinn, mit souveräner Ironie ans die halbseide¬
nen Kleider der dünnen Dame herab. Die Geheimeräthe, wie aus Eisele und
Beisele bekannt ist, wohnen vom Svnterrän an bis unters Dach.

Hier haben wir es mit einer höhern Charge zu thun, dem Wirklichen Ge¬
heimen Rath, Excellenz, dem Mann des unbedingten Schweigens, mit dem Be¬
wußtsein feiner, allgemein unverständlicher Anspielungen.

Die Staatszeitung hat in wenig Jahren mit ihrer Firma zweimal gewechselt.
Jener Name'selbst ist nur uoch ein traditioneller. Sie verwandelte sich in eine
Allgemeine Preußische, als die Regierung die Nothwendigkeit erkannt hatte, ihren
Gegnern mit gleichen Waffen zu Leibe zu gehn und ein conservalives Organ, wie
das Journal des Dvbats zu gründen; sie wurde wieder officieller Staatsanzeiger,
Moniteur, unter dem constitutionellen Ministerium Camphausen. In keiner die¬
ser Phasen hat sie ihre Rolle rein ausgespielt.

In einem bureaukratischen Staat ist es überhaupt mißlich, von einer Regie-
rnngspresse zu rede". Die einzelnen Departements haben keinen innern Zusam¬
menhang, ein jedes steht unter seinem Chef für sich, und correspondirt ent¬
weder unmittelbar oder durch den Cabinetsrath mit dem Könige. Von einer ge¬
meinsamen Politik, deren Vertreter für die einzelnen Zweige die Departementschefö
sind, ist keine Rede. Seit 1840 gewannen zwar die pietistischen Doctriuärs den
Bureaukraten vo" der alten Schule ein Terrain nach dem audern ab, selbst
Rochow unterlag ihnen, aber es bleiben die beiden feindlichen Elemente dennoch
untereinander gemischt. Es war daher ein verkehrtes Unternehmen, in einem
Blatt, welches von der Negierung abhängig sein sollte, die conservative Politik
vertreten zu wollen. Die Eintheilung des Raums i" amtlich und nicht-amtlich
half dabei nicht; jeder bedenkliche Satz im nicht-amtlichen Theil mußte doch die
gesammten Regierungen compromittiren. Außerdem konnte die büreaukratische
Steifheit sich mit dem specifisch journalistischen Wesen, das sich doch durch eine
polemische Stellung in die Zeitung einführen mußte, nicht vertragen; deshalb
fielen Hermes, Rousseau und wer sonst angeworben wurde; zum Theil hat¬
ten sie es freilich auch ungeschickt genug gemacht.

Aber für einen bloßen Moniteur hatte das Blatt einen zu großen Umfang.
In Frankreich würde es komisch genug aussehen, wenn das vfstcielle Regierungs¬
blatt die Politik des Auslandes in 3 bis 3z großen Folioseiten behandelte.


versteh,: Sie mir!" — Darauf Rührung, Händeschütteln und gemeinsames Diner.
Die Kaffeegesellschaften haben ihre Pflicht gethan.


3. Die Staatszeitung.

Frau Geheimeräthin a. D. ist in der Provinz und in dem Umfang der
Jffland'schen Muse el» Gegenstand; in Berlin aber sieht der rechte Bussey, der
fette Hausbesitzer mit dem Doppelkinn, mit souveräner Ironie ans die halbseide¬
nen Kleider der dünnen Dame herab. Die Geheimeräthe, wie aus Eisele und
Beisele bekannt ist, wohnen vom Svnterrän an bis unters Dach.

Hier haben wir es mit einer höhern Charge zu thun, dem Wirklichen Ge¬
heimen Rath, Excellenz, dem Mann des unbedingten Schweigens, mit dem Be¬
wußtsein feiner, allgemein unverständlicher Anspielungen.

Die Staatszeitung hat in wenig Jahren mit ihrer Firma zweimal gewechselt.
Jener Name'selbst ist nur uoch ein traditioneller. Sie verwandelte sich in eine
Allgemeine Preußische, als die Regierung die Nothwendigkeit erkannt hatte, ihren
Gegnern mit gleichen Waffen zu Leibe zu gehn und ein conservalives Organ, wie
das Journal des Dvbats zu gründen; sie wurde wieder officieller Staatsanzeiger,
Moniteur, unter dem constitutionellen Ministerium Camphausen. In keiner die¬
ser Phasen hat sie ihre Rolle rein ausgespielt.

In einem bureaukratischen Staat ist es überhaupt mißlich, von einer Regie-
rnngspresse zu rede». Die einzelnen Departements haben keinen innern Zusam¬
menhang, ein jedes steht unter seinem Chef für sich, und correspondirt ent¬
weder unmittelbar oder durch den Cabinetsrath mit dem Könige. Von einer ge¬
meinsamen Politik, deren Vertreter für die einzelnen Zweige die Departementschefö
sind, ist keine Rede. Seit 1840 gewannen zwar die pietistischen Doctriuärs den
Bureaukraten vo» der alten Schule ein Terrain nach dem audern ab, selbst
Rochow unterlag ihnen, aber es bleiben die beiden feindlichen Elemente dennoch
untereinander gemischt. Es war daher ein verkehrtes Unternehmen, in einem
Blatt, welches von der Negierung abhängig sein sollte, die conservative Politik
vertreten zu wollen. Die Eintheilung des Raums i» amtlich und nicht-amtlich
half dabei nicht; jeder bedenkliche Satz im nicht-amtlichen Theil mußte doch die
gesammten Regierungen compromittiren. Außerdem konnte die büreaukratische
Steifheit sich mit dem specifisch journalistischen Wesen, das sich doch durch eine
polemische Stellung in die Zeitung einführen mußte, nicht vertragen; deshalb
fielen Hermes, Rousseau und wer sonst angeworben wurde; zum Theil hat¬
ten sie es freilich auch ungeschickt genug gemacht.

Aber für einen bloßen Moniteur hatte das Blatt einen zu großen Umfang.
In Frankreich würde es komisch genug aussehen, wenn das vfstcielle Regierungs¬
blatt die Politik des Auslandes in 3 bis 3z großen Folioseiten behandelte.


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[0438] versteh,: Sie mir!" — Darauf Rührung, Händeschütteln und gemeinsames Diner. Die Kaffeegesellschaften haben ihre Pflicht gethan. 3. Die Staatszeitung. Frau Geheimeräthin a. D. ist in der Provinz und in dem Umfang der Jffland'schen Muse el» Gegenstand; in Berlin aber sieht der rechte Bussey, der fette Hausbesitzer mit dem Doppelkinn, mit souveräner Ironie ans die halbseide¬ nen Kleider der dünnen Dame herab. Die Geheimeräthe, wie aus Eisele und Beisele bekannt ist, wohnen vom Svnterrän an bis unters Dach. Hier haben wir es mit einer höhern Charge zu thun, dem Wirklichen Ge¬ heimen Rath, Excellenz, dem Mann des unbedingten Schweigens, mit dem Be¬ wußtsein feiner, allgemein unverständlicher Anspielungen. Die Staatszeitung hat in wenig Jahren mit ihrer Firma zweimal gewechselt. Jener Name'selbst ist nur uoch ein traditioneller. Sie verwandelte sich in eine Allgemeine Preußische, als die Regierung die Nothwendigkeit erkannt hatte, ihren Gegnern mit gleichen Waffen zu Leibe zu gehn und ein conservalives Organ, wie das Journal des Dvbats zu gründen; sie wurde wieder officieller Staatsanzeiger, Moniteur, unter dem constitutionellen Ministerium Camphausen. In keiner die¬ ser Phasen hat sie ihre Rolle rein ausgespielt. In einem bureaukratischen Staat ist es überhaupt mißlich, von einer Regie- rnngspresse zu rede». Die einzelnen Departements haben keinen innern Zusam¬ menhang, ein jedes steht unter seinem Chef für sich, und correspondirt ent¬ weder unmittelbar oder durch den Cabinetsrath mit dem Könige. Von einer ge¬ meinsamen Politik, deren Vertreter für die einzelnen Zweige die Departementschefö sind, ist keine Rede. Seit 1840 gewannen zwar die pietistischen Doctriuärs den Bureaukraten vo» der alten Schule ein Terrain nach dem audern ab, selbst Rochow unterlag ihnen, aber es bleiben die beiden feindlichen Elemente dennoch untereinander gemischt. Es war daher ein verkehrtes Unternehmen, in einem Blatt, welches von der Negierung abhängig sein sollte, die conservative Politik vertreten zu wollen. Die Eintheilung des Raums i» amtlich und nicht-amtlich half dabei nicht; jeder bedenkliche Satz im nicht-amtlichen Theil mußte doch die gesammten Regierungen compromittiren. Außerdem konnte die büreaukratische Steifheit sich mit dem specifisch journalistischen Wesen, das sich doch durch eine polemische Stellung in die Zeitung einführen mußte, nicht vertragen; deshalb fielen Hermes, Rousseau und wer sonst angeworben wurde; zum Theil hat¬ ten sie es freilich auch ungeschickt genug gemacht. Aber für einen bloßen Moniteur hatte das Blatt einen zu großen Umfang. In Frankreich würde es komisch genug aussehen, wenn das vfstcielle Regierungs¬ blatt die Politik des Auslandes in 3 bis 3z großen Folioseiten behandelte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/438>, abgerufen am 15.01.2025.