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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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der Regierung; denn sie führten ihre Schaaren "für die Freiheit und das Slaven-
thum" in den Kampf, während nach den Wünschen der Regierung nnr die unbedingte
Treue für die angestammte Dynastie und die geistlose Formel des Fahneneides,
nicht aber der Eigenwille eines freien Volkes, die Wviwodowiua oder das drei¬
einige Königreich für die begeisterte Ausdauer im Kampfe entscheiden soll.
Aus dem Gesagten läßt es sich leicht erklären, wie die Czechen zu gleicher Zeit
sich über die großen Verlegenheiten des Barons v. Weiden und über die klei¬
nen Erfolge des "ritterlichen Helden" Stratimirvvic freuen konnten; denn dieser
steht noch an der Spitze eines nationalen Kreuzzugs, während jener nur ein
diplomatisches Rechenexempel auf strategischen Wege zu lösen hatte. Vorläufig
halten die czechischen Organe noch immer an der Idee eines östreichischen Bun-
desstaates fest, obgleich sie kein rechtes Vertrauen mehr dazu haben; aber wie
würde"es wohl damit stehen, wenn die crvatisch-serbische Bewegung, die bis jetzt
noch eine föderalistische ist, gleich der in Ungarn und Italien in einen Uuabhän-
gigkcitskampf umschlagen sollte? Die Hanptsührcr der südslavischen Bewegung
vertreten nämlich zwei verschiedene Richtungen; die einen streben die Autonomie
des dreieinigen Königreichs und der Woiwodowina innerhalb des östreichischen Län-
dcrcompler.es, die andern aber die Verschmelzung der beiden Serbien und der
übrigen südslavischen Länder, die theils unter östreichischer, theils unter türkischer
Herrschaft stehen, zu einem selbstständigen Ganzen als letztes Ziel an. Wenn nun
diese andere Partei, die in ihrer Abenteuerlichkeit ohnehin dem naturwüchsigen
Sinn der Südslaven mehr zusagen wird, wirklich den Sieg davon trägt, wilden
dann die Czechen anch ihrerseits wieder Barrikaden für die Idee des großmähri¬
schen Reiches bauen? O nein! Hören wir nur, wie sich die Narodni noviny
in naiver Resignation darüber ausspricht: "Wenn wir auch zugeben, daß die
Bevölkerung der böhmischen Krone an und für sich genügte zur Gründung eines
eigenen Staates, finden wir dann wohl bei uns die übrigen Erfordernisse, welche
dazu unausweichlich nothwendig sind? Wir vermissen gleich das wichtigste: näm¬
lich die Eintracht. Auf der einen Seite zwei feindlich einander gegenüberstehende
Nationalitäten, aus der andern Seite eine unzeitige Eisersucht zwischen Böhmen
und Mähren, und dazu uoch die vielfältige Zerrissenheit unter uns selbst -- das
sind wahrhaftig nicht die Elemente, welche einen neuen Staat begründen." Sollte
nun wirklich der äußerste Fall kommeu -- sollte sich in der That nicht mehr über
dem Gesammtstaat Oestreich der rothblauweiße Farbenbogen der slavischen Hoff¬
nungen wollen können, dann sind die Czechen selbst der größten Resignation, näm¬
lich des Anschlusses an Deutschland, sähig. "Darüber siud wir nie (?) in Zweifel
gewesen;" eben so versichern uns die slavischen Centralblätter vom 22. Mai, "daß
ein Anschluß Oestreichs an Deutschland für die Völkerfreiheit von großen Folgen
wäre, und Garantien für die Befestigung und Ausbildung der östreichischen Cor-


, ""nztoten. II. 54

der Regierung; denn sie führten ihre Schaaren „für die Freiheit und das Slaven-
thum" in den Kampf, während nach den Wünschen der Regierung nnr die unbedingte
Treue für die angestammte Dynastie und die geistlose Formel des Fahneneides,
nicht aber der Eigenwille eines freien Volkes, die Wviwodowiua oder das drei¬
einige Königreich für die begeisterte Ausdauer im Kampfe entscheiden soll.
Aus dem Gesagten läßt es sich leicht erklären, wie die Czechen zu gleicher Zeit
sich über die großen Verlegenheiten des Barons v. Weiden und über die klei¬
nen Erfolge des „ritterlichen Helden" Stratimirvvic freuen konnten; denn dieser
steht noch an der Spitze eines nationalen Kreuzzugs, während jener nur ein
diplomatisches Rechenexempel auf strategischen Wege zu lösen hatte. Vorläufig
halten die czechischen Organe noch immer an der Idee eines östreichischen Bun-
desstaates fest, obgleich sie kein rechtes Vertrauen mehr dazu haben; aber wie
würde»es wohl damit stehen, wenn die crvatisch-serbische Bewegung, die bis jetzt
noch eine föderalistische ist, gleich der in Ungarn und Italien in einen Uuabhän-
gigkcitskampf umschlagen sollte? Die Hanptsührcr der südslavischen Bewegung
vertreten nämlich zwei verschiedene Richtungen; die einen streben die Autonomie
des dreieinigen Königreichs und der Woiwodowina innerhalb des östreichischen Län-
dcrcompler.es, die andern aber die Verschmelzung der beiden Serbien und der
übrigen südslavischen Länder, die theils unter östreichischer, theils unter türkischer
Herrschaft stehen, zu einem selbstständigen Ganzen als letztes Ziel an. Wenn nun
diese andere Partei, die in ihrer Abenteuerlichkeit ohnehin dem naturwüchsigen
Sinn der Südslaven mehr zusagen wird, wirklich den Sieg davon trägt, wilden
dann die Czechen anch ihrerseits wieder Barrikaden für die Idee des großmähri¬
schen Reiches bauen? O nein! Hören wir nur, wie sich die Narodni noviny
in naiver Resignation darüber ausspricht: „Wenn wir auch zugeben, daß die
Bevölkerung der böhmischen Krone an und für sich genügte zur Gründung eines
eigenen Staates, finden wir dann wohl bei uns die übrigen Erfordernisse, welche
dazu unausweichlich nothwendig sind? Wir vermissen gleich das wichtigste: näm¬
lich die Eintracht. Auf der einen Seite zwei feindlich einander gegenüberstehende
Nationalitäten, aus der andern Seite eine unzeitige Eisersucht zwischen Böhmen
und Mähren, und dazu uoch die vielfältige Zerrissenheit unter uns selbst — das
sind wahrhaftig nicht die Elemente, welche einen neuen Staat begründen." Sollte
nun wirklich der äußerste Fall kommeu — sollte sich in der That nicht mehr über
dem Gesammtstaat Oestreich der rothblauweiße Farbenbogen der slavischen Hoff¬
nungen wollen können, dann sind die Czechen selbst der größten Resignation, näm¬
lich des Anschlusses an Deutschland, sähig. „Darüber siud wir nie (?) in Zweifel
gewesen;" eben so versichern uns die slavischen Centralblätter vom 22. Mai, „daß
ein Anschluß Oestreichs an Deutschland für die Völkerfreiheit von großen Folgen
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[0425] der Regierung; denn sie führten ihre Schaaren „für die Freiheit und das Slaven- thum" in den Kampf, während nach den Wünschen der Regierung nnr die unbedingte Treue für die angestammte Dynastie und die geistlose Formel des Fahneneides, nicht aber der Eigenwille eines freien Volkes, die Wviwodowiua oder das drei¬ einige Königreich für die begeisterte Ausdauer im Kampfe entscheiden soll. Aus dem Gesagten läßt es sich leicht erklären, wie die Czechen zu gleicher Zeit sich über die großen Verlegenheiten des Barons v. Weiden und über die klei¬ nen Erfolge des „ritterlichen Helden" Stratimirvvic freuen konnten; denn dieser steht noch an der Spitze eines nationalen Kreuzzugs, während jener nur ein diplomatisches Rechenexempel auf strategischen Wege zu lösen hatte. Vorläufig halten die czechischen Organe noch immer an der Idee eines östreichischen Bun- desstaates fest, obgleich sie kein rechtes Vertrauen mehr dazu haben; aber wie würde»es wohl damit stehen, wenn die crvatisch-serbische Bewegung, die bis jetzt noch eine föderalistische ist, gleich der in Ungarn und Italien in einen Uuabhän- gigkcitskampf umschlagen sollte? Die Hanptsührcr der südslavischen Bewegung vertreten nämlich zwei verschiedene Richtungen; die einen streben die Autonomie des dreieinigen Königreichs und der Woiwodowina innerhalb des östreichischen Län- dcrcompler.es, die andern aber die Verschmelzung der beiden Serbien und der übrigen südslavischen Länder, die theils unter östreichischer, theils unter türkischer Herrschaft stehen, zu einem selbstständigen Ganzen als letztes Ziel an. Wenn nun diese andere Partei, die in ihrer Abenteuerlichkeit ohnehin dem naturwüchsigen Sinn der Südslaven mehr zusagen wird, wirklich den Sieg davon trägt, wilden dann die Czechen anch ihrerseits wieder Barrikaden für die Idee des großmähri¬ schen Reiches bauen? O nein! Hören wir nur, wie sich die Narodni noviny in naiver Resignation darüber ausspricht: „Wenn wir auch zugeben, daß die Bevölkerung der böhmischen Krone an und für sich genügte zur Gründung eines eigenen Staates, finden wir dann wohl bei uns die übrigen Erfordernisse, welche dazu unausweichlich nothwendig sind? Wir vermissen gleich das wichtigste: näm¬ lich die Eintracht. Auf der einen Seite zwei feindlich einander gegenüberstehende Nationalitäten, aus der andern Seite eine unzeitige Eisersucht zwischen Böhmen und Mähren, und dazu uoch die vielfältige Zerrissenheit unter uns selbst — das sind wahrhaftig nicht die Elemente, welche einen neuen Staat begründen." Sollte nun wirklich der äußerste Fall kommeu — sollte sich in der That nicht mehr über dem Gesammtstaat Oestreich der rothblauweiße Farbenbogen der slavischen Hoff¬ nungen wollen können, dann sind die Czechen selbst der größten Resignation, näm¬ lich des Anschlusses an Deutschland, sähig. „Darüber siud wir nie (?) in Zweifel gewesen;" eben so versichern uns die slavischen Centralblätter vom 22. Mai, „daß ein Anschluß Oestreichs an Deutschland für die Völkerfreiheit von großen Folgen wäre, und Garantien für die Befestigung und Ausbildung der östreichischen Cor- , ««nztoten. II. 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/425>, abgerufen am 15.01.2025.