Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Czechen (darunter verstehe ich ihre Grundsätze im Bezug aus das Verhältniß zu
Ungar" und Deutschland) seit dem März 184!" gestaltet hat. -- Der unleugbar
günstige Eindruck, den seit längerer Zeit die Stege der Magyaren ans die Mehr¬
heit der Czechen ausüben, und der sich auch bei dem Plebejer auf naive Weise
durch Eljenrufe äußert, hat wie begreiflich, nicht in eiuer Sympathie für die Ma¬
gyaren, sondern "ur in der geheimen Schadenfreude seinen Grund, daß sich auf den
ungarschen Schlachtfeldern die Illusion des abstracten habsburgischen Staates, der
durchaus nicht in dem festen Boden der Böller wurzeln will, in ihrer ganzen
Unhalibarkeit klar herausstellt. Bon Gottes Gnaden geschehen keine Wunder mehr,
der Hinblick auf den König der Könige vermag weiter keine Hilfe zu schaffen:
nur das Boll, wenn es einen Gott in sich trägt, kann Wunder wirken. Mit
Entrüstung sahen die Czechen, daß die Krone nicht in dem freien Bündniß mit
jenen Bölkern, die im Kampfe gegen die Magyaren zu ihr standen, siegen wollte,
weil in dieser Weise das Princip der Volkssouveränität mitgesicgt hätte; daß sie
nicht nur die Farce des Magyar corszag bekämpfte, sondern auch den fernern Be¬
stand der Monarchie von ihren strategischen Erfolgen abhängig machte. Nur durch
die gerechten Forderungen der übrigen Völker ließ sich der Krieg mit den Magyaren
rechtfertigen, weil der einseitig abgeschlossene Vertrag, der zwischen der magyari¬
schen Deputation und der Krone zu Stande gekommen war, mit dem allgemeinen
Princip der nationale" Gleichberechtigung als unverträglich erschien. Die Regie¬
rung mußte in einer solchen Pflichten-Kollision dem Recht der Revolution gegen¬
über jene besondern Concessionen hintenansetzen, und im Namen der Gleichheit
des nationalen Rechts den Magyaren den Krieg erklären; sie war berufen, an
die Spitze dieses "heiligen Krieges" zu treten, damit so das Gleichgewicht in der
Völkerfamilie deö neuen Oestreich bleibend hergestellt, und der Ausnahmsstellung
Ungarns, als dem letzte" Ueberreste von Altöstreich ein Ende gemacht werde.
Aber die Regierung eröffnete blos im Namen der Völker den Krieg, um ihn dann
ura, domo hat zu Ende zu führen, und durch die volle Entwicklung einer absolu¬
ten , den: Volksbewußtsein e"tgegentrete"de" Macht die alte Herrlichkeit des habs¬
burgischen Staates so viel wie möglich wieder herzustellen. In Ungarn will man
der Schlange der Revolution auf deu Kopf treten, nachdem man schon in den
andern Ländern die Sturmglocke zum Schweigen gebracht hatte; und darum that
auch das Ministerium uach dem sogenannten Siege bei Kapolna jenen kühnen Schritt,
durch den die Revolution in Oestreich geschlossen werden sollte. Aber nur Pas-
kewitsch erscheint als völlig berufen, den Feldzug zu beenden, den Fürst Windisch-
grätz so ruhmvoll begonnen. Da wo Oestreich das Bündniß seiner eigenen Völ¬
ker verschmäht, kann es sich nur aus die heilige Allianz stützen; ja, bei dein Dop¬
pelsiege, den es erkämpfen will, muß es sogar jenes profane Bündniß auf das
entschiedenste zurückweisen. Daher waren die Führer der slvvakischen und serbischen
Nation, Hurban, Seur, Stratimirowic, Knicanin keine willkommenen Bundesgenossen


Czechen (darunter verstehe ich ihre Grundsätze im Bezug aus das Verhältniß zu
Ungar» und Deutschland) seit dem März 184!» gestaltet hat. — Der unleugbar
günstige Eindruck, den seit längerer Zeit die Stege der Magyaren ans die Mehr¬
heit der Czechen ausüben, und der sich auch bei dem Plebejer auf naive Weise
durch Eljenrufe äußert, hat wie begreiflich, nicht in eiuer Sympathie für die Ma¬
gyaren, sondern »ur in der geheimen Schadenfreude seinen Grund, daß sich auf den
ungarschen Schlachtfeldern die Illusion des abstracten habsburgischen Staates, der
durchaus nicht in dem festen Boden der Böller wurzeln will, in ihrer ganzen
Unhalibarkeit klar herausstellt. Bon Gottes Gnaden geschehen keine Wunder mehr,
der Hinblick auf den König der Könige vermag weiter keine Hilfe zu schaffen:
nur das Boll, wenn es einen Gott in sich trägt, kann Wunder wirken. Mit
Entrüstung sahen die Czechen, daß die Krone nicht in dem freien Bündniß mit
jenen Bölkern, die im Kampfe gegen die Magyaren zu ihr standen, siegen wollte,
weil in dieser Weise das Princip der Volkssouveränität mitgesicgt hätte; daß sie
nicht nur die Farce des Magyar corszag bekämpfte, sondern auch den fernern Be¬
stand der Monarchie von ihren strategischen Erfolgen abhängig machte. Nur durch
die gerechten Forderungen der übrigen Völker ließ sich der Krieg mit den Magyaren
rechtfertigen, weil der einseitig abgeschlossene Vertrag, der zwischen der magyari¬
schen Deputation und der Krone zu Stande gekommen war, mit dem allgemeinen
Princip der nationale» Gleichberechtigung als unverträglich erschien. Die Regie¬
rung mußte in einer solchen Pflichten-Kollision dem Recht der Revolution gegen¬
über jene besondern Concessionen hintenansetzen, und im Namen der Gleichheit
des nationalen Rechts den Magyaren den Krieg erklären; sie war berufen, an
die Spitze dieses „heiligen Krieges" zu treten, damit so das Gleichgewicht in der
Völkerfamilie deö neuen Oestreich bleibend hergestellt, und der Ausnahmsstellung
Ungarns, als dem letzte» Ueberreste von Altöstreich ein Ende gemacht werde.
Aber die Regierung eröffnete blos im Namen der Völker den Krieg, um ihn dann
ura, domo hat zu Ende zu führen, und durch die volle Entwicklung einer absolu¬
ten , den: Volksbewußtsein e»tgegentrete»de» Macht die alte Herrlichkeit des habs¬
burgischen Staates so viel wie möglich wieder herzustellen. In Ungarn will man
der Schlange der Revolution auf deu Kopf treten, nachdem man schon in den
andern Ländern die Sturmglocke zum Schweigen gebracht hatte; und darum that
auch das Ministerium uach dem sogenannten Siege bei Kapolna jenen kühnen Schritt,
durch den die Revolution in Oestreich geschlossen werden sollte. Aber nur Pas-
kewitsch erscheint als völlig berufen, den Feldzug zu beenden, den Fürst Windisch-
grätz so ruhmvoll begonnen. Da wo Oestreich das Bündniß seiner eigenen Völ¬
ker verschmäht, kann es sich nur aus die heilige Allianz stützen; ja, bei dein Dop¬
pelsiege, den es erkämpfen will, muß es sogar jenes profane Bündniß auf das
entschiedenste zurückweisen. Daher waren die Führer der slvvakischen und serbischen
Nation, Hurban, Seur, Stratimirowic, Knicanin keine willkommenen Bundesgenossen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0424" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278934"/>
            <p xml:id="ID_1375" prev="#ID_1374" next="#ID_1376"> Czechen (darunter verstehe ich ihre Grundsätze im Bezug aus das Verhältniß zu<lb/>
Ungar» und Deutschland) seit dem März 184!» gestaltet hat. &#x2014; Der unleugbar<lb/>
günstige Eindruck, den seit längerer Zeit die Stege der Magyaren ans die Mehr¬<lb/>
heit der Czechen ausüben, und der sich auch bei dem Plebejer auf naive Weise<lb/>
durch Eljenrufe äußert, hat wie begreiflich, nicht in eiuer Sympathie für die Ma¬<lb/>
gyaren, sondern »ur in der geheimen Schadenfreude seinen Grund, daß sich auf den<lb/>
ungarschen Schlachtfeldern die Illusion des abstracten habsburgischen Staates, der<lb/>
durchaus nicht in dem festen Boden der Böller wurzeln will, in ihrer ganzen<lb/>
Unhalibarkeit klar herausstellt. Bon Gottes Gnaden geschehen keine Wunder mehr,<lb/>
der Hinblick auf den König der Könige vermag weiter keine Hilfe zu schaffen:<lb/>
nur das Boll, wenn es einen Gott in sich trägt, kann Wunder wirken. Mit<lb/>
Entrüstung sahen die Czechen, daß die Krone nicht in dem freien Bündniß mit<lb/>
jenen Bölkern, die im Kampfe gegen die Magyaren zu ihr standen, siegen wollte,<lb/>
weil in dieser Weise das Princip der Volkssouveränität mitgesicgt hätte; daß sie<lb/>
nicht nur die Farce des Magyar corszag bekämpfte, sondern auch den fernern Be¬<lb/>
stand der Monarchie von ihren strategischen Erfolgen abhängig machte. Nur durch<lb/>
die gerechten Forderungen der übrigen Völker ließ sich der Krieg mit den Magyaren<lb/>
rechtfertigen, weil der einseitig abgeschlossene Vertrag, der zwischen der magyari¬<lb/>
schen Deputation und der Krone zu Stande gekommen war, mit dem allgemeinen<lb/>
Princip der nationale» Gleichberechtigung als unverträglich erschien. Die Regie¬<lb/>
rung mußte in einer solchen Pflichten-Kollision dem Recht der Revolution gegen¬<lb/>
über jene besondern Concessionen hintenansetzen, und im Namen der Gleichheit<lb/>
des nationalen Rechts den Magyaren den Krieg erklären; sie war berufen, an<lb/>
die Spitze dieses &#x201E;heiligen Krieges" zu treten, damit so das Gleichgewicht in der<lb/>
Völkerfamilie deö neuen Oestreich bleibend hergestellt, und der Ausnahmsstellung<lb/>
Ungarns, als dem letzte» Ueberreste von Altöstreich ein Ende gemacht werde.<lb/>
Aber die Regierung eröffnete blos im Namen der Völker den Krieg, um ihn dann<lb/>
ura, domo hat zu Ende zu führen, und durch die volle Entwicklung einer absolu¬<lb/>
ten , den: Volksbewußtsein e»tgegentrete»de» Macht die alte Herrlichkeit des habs¬<lb/>
burgischen Staates so viel wie möglich wieder herzustellen. In Ungarn will man<lb/>
der Schlange der Revolution auf deu Kopf treten, nachdem man schon in den<lb/>
andern Ländern die Sturmglocke zum Schweigen gebracht hatte; und darum that<lb/>
auch das Ministerium uach dem sogenannten Siege bei Kapolna jenen kühnen Schritt,<lb/>
durch den die Revolution in Oestreich geschlossen werden sollte. Aber nur Pas-<lb/>
kewitsch erscheint als völlig berufen, den Feldzug zu beenden, den Fürst Windisch-<lb/>
grätz so ruhmvoll begonnen. Da wo Oestreich das Bündniß seiner eigenen Völ¬<lb/>
ker verschmäht, kann es sich nur aus die heilige Allianz stützen; ja, bei dein Dop¬<lb/>
pelsiege, den es erkämpfen will, muß es sogar jenes profane Bündniß auf das<lb/>
entschiedenste zurückweisen. Daher waren die Führer der slvvakischen und serbischen<lb/>
Nation, Hurban, Seur, Stratimirowic, Knicanin keine willkommenen Bundesgenossen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0424] Czechen (darunter verstehe ich ihre Grundsätze im Bezug aus das Verhältniß zu Ungar» und Deutschland) seit dem März 184!» gestaltet hat. — Der unleugbar günstige Eindruck, den seit längerer Zeit die Stege der Magyaren ans die Mehr¬ heit der Czechen ausüben, und der sich auch bei dem Plebejer auf naive Weise durch Eljenrufe äußert, hat wie begreiflich, nicht in eiuer Sympathie für die Ma¬ gyaren, sondern »ur in der geheimen Schadenfreude seinen Grund, daß sich auf den ungarschen Schlachtfeldern die Illusion des abstracten habsburgischen Staates, der durchaus nicht in dem festen Boden der Böller wurzeln will, in ihrer ganzen Unhalibarkeit klar herausstellt. Bon Gottes Gnaden geschehen keine Wunder mehr, der Hinblick auf den König der Könige vermag weiter keine Hilfe zu schaffen: nur das Boll, wenn es einen Gott in sich trägt, kann Wunder wirken. Mit Entrüstung sahen die Czechen, daß die Krone nicht in dem freien Bündniß mit jenen Bölkern, die im Kampfe gegen die Magyaren zu ihr standen, siegen wollte, weil in dieser Weise das Princip der Volkssouveränität mitgesicgt hätte; daß sie nicht nur die Farce des Magyar corszag bekämpfte, sondern auch den fernern Be¬ stand der Monarchie von ihren strategischen Erfolgen abhängig machte. Nur durch die gerechten Forderungen der übrigen Völker ließ sich der Krieg mit den Magyaren rechtfertigen, weil der einseitig abgeschlossene Vertrag, der zwischen der magyari¬ schen Deputation und der Krone zu Stande gekommen war, mit dem allgemeinen Princip der nationale» Gleichberechtigung als unverträglich erschien. Die Regie¬ rung mußte in einer solchen Pflichten-Kollision dem Recht der Revolution gegen¬ über jene besondern Concessionen hintenansetzen, und im Namen der Gleichheit des nationalen Rechts den Magyaren den Krieg erklären; sie war berufen, an die Spitze dieses „heiligen Krieges" zu treten, damit so das Gleichgewicht in der Völkerfamilie deö neuen Oestreich bleibend hergestellt, und der Ausnahmsstellung Ungarns, als dem letzte» Ueberreste von Altöstreich ein Ende gemacht werde. Aber die Regierung eröffnete blos im Namen der Völker den Krieg, um ihn dann ura, domo hat zu Ende zu führen, und durch die volle Entwicklung einer absolu¬ ten , den: Volksbewußtsein e»tgegentrete»de» Macht die alte Herrlichkeit des habs¬ burgischen Staates so viel wie möglich wieder herzustellen. In Ungarn will man der Schlange der Revolution auf deu Kopf treten, nachdem man schon in den andern Ländern die Sturmglocke zum Schweigen gebracht hatte; und darum that auch das Ministerium uach dem sogenannten Siege bei Kapolna jenen kühnen Schritt, durch den die Revolution in Oestreich geschlossen werden sollte. Aber nur Pas- kewitsch erscheint als völlig berufen, den Feldzug zu beenden, den Fürst Windisch- grätz so ruhmvoll begonnen. Da wo Oestreich das Bündniß seiner eigenen Völ¬ ker verschmäht, kann es sich nur aus die heilige Allianz stützen; ja, bei dein Dop¬ pelsiege, den es erkämpfen will, muß es sogar jenes profane Bündniß auf das entschiedenste zurückweisen. Daher waren die Führer der slvvakischen und serbischen Nation, Hurban, Seur, Stratimirowic, Knicanin keine willkommenen Bundesgenossen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/424
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/424>, abgerufen am 15.01.2025.