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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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die Existenz und das Gedeihen des großen Landbaus ernstlich nicht gefährdet wird,
denn mit den Gespanndiensten und stehenden Verpflichtungen zwischen Gutsherrn
und Arbeitern fällt auch ein großer Theil der Fesseln, welche den Ackerbau hier
und da mock im alten ausgetretenen Gleise erhielten. Die größere Freiheit und
günstigere Lage aber, in welche die kleinen Landbauer durch die rechtswidrige
Aufhebung ihrer Verpflichtungen gekommen sind, wird ihnen allerdings zu gut
kommen, aber erst in den nächsten Generationen.

Wenn wir die Größenverhältnisse des deutschen Landbaus mit Befriedigung
betrachten, so dürfen wir uns noch mehr über den Höhenpunkt freuen, wel¬
chen seine theoretische Bildung und die Cultur des Bodens erreicht hat. Wahr¬
lich, wer geneigt ist, die Gegenwart schwarz zu scheu und an der starken Lebens¬
kraft unserer Nation zu zweifeln, der überschaue die Eroberungen, welche der
Ackerbau in den letzten fünfzig Jahren gemacht hat. Seit der Einbürgerung der
Electoralschafe in Sachsen, seit der Einordnung der Hackfrüchte in die Dreifelder¬
wirthschaft, welche ungeheure Masse von Fortschritten in Viehzucht, Ackerbau und
den ländlichen Fabrikanlagen! Die Cultur der Futterkräuter, der Handclsgewächse,
der Zuckerrüben; der Wieseukuustbau, die Bildung edler Racen von Schafen,
Rindern, selbst von Pferden, welche mit dem Grund, der ihre fremden Ahnen
einst an sich zog, fest verwachsen sind; die künstlichen Systeme der Frnchtfolgcn,
die Vervollkommnung der Ackergeräthschaften, die Ausmittlung des Fnttcrwerths
der Bodcnprodukre, die chemischen und physikalischen Entdeckungen über Leben und
Ernährung der Pflanzen und Nutzthiere, die Cultur selbst des Düngers, vor
Allem aber die Verbindung großartiger Fabrikrhätigkeit mit dem Ackerbau, und
die vortreffliche Organisation unserer Wirthschaften. Es freut und erhebt die
Seele, so große Resultate des menschlichen Fleißes zu sehen. Wir bewundern so
stern in die Ferne hinein, was irgendwo Wunderbares geschaffen worden, und
überall dicht um uns hat der menschliche Geist in stiller, emsiger Thätigkeit das
Größte gefördert, eine weise Herrschaft über die Natur, welche innerhalb gewisser
Grenzen fast souverän waltet. Und diese Musterwirthschasten, die Höhenpunkte
unserer Agricultur, stehen nicht mehr vereinzelt, fast in allen Theilen Deutschlands
send sie zu sehen, nicht mehr isolirt, sondern in Massen, und überall macht sich
ihre segensreiche Wirkung auf die kleineren Landgüter mehr oder weniger geltend.
Muß ich erst sagen, daß die große" Güter die Träger dieser neuen Cultur sind?
Die productive Kraft des deutschen Volkes ist in der letzten Vergangenheit nicht
nur in Wissenschaft und Kunst thätig gewesen, sie hat sich auch im Reiche des
Praktischen Geistes ihr Gebiet erobert und daS wird uus grade jetzt zum Heil
dienen.

Der Einfluß, welchen der Landbau auf deu Staat ausübt, wird aber bedingt durch
das Verhältniß, in welchem er zu den beiden anderen großen Kreisen praktischer
Thätigkeit steht, zum Handel und zur Industrie des Handwerks und der Fabriken.


Grrnzboten. II. 1"4S. 53

die Existenz und das Gedeihen des großen Landbaus ernstlich nicht gefährdet wird,
denn mit den Gespanndiensten und stehenden Verpflichtungen zwischen Gutsherrn
und Arbeitern fällt auch ein großer Theil der Fesseln, welche den Ackerbau hier
und da mock im alten ausgetretenen Gleise erhielten. Die größere Freiheit und
günstigere Lage aber, in welche die kleinen Landbauer durch die rechtswidrige
Aufhebung ihrer Verpflichtungen gekommen sind, wird ihnen allerdings zu gut
kommen, aber erst in den nächsten Generationen.

Wenn wir die Größenverhältnisse des deutschen Landbaus mit Befriedigung
betrachten, so dürfen wir uns noch mehr über den Höhenpunkt freuen, wel¬
chen seine theoretische Bildung und die Cultur des Bodens erreicht hat. Wahr¬
lich, wer geneigt ist, die Gegenwart schwarz zu scheu und an der starken Lebens¬
kraft unserer Nation zu zweifeln, der überschaue die Eroberungen, welche der
Ackerbau in den letzten fünfzig Jahren gemacht hat. Seit der Einbürgerung der
Electoralschafe in Sachsen, seit der Einordnung der Hackfrüchte in die Dreifelder¬
wirthschaft, welche ungeheure Masse von Fortschritten in Viehzucht, Ackerbau und
den ländlichen Fabrikanlagen! Die Cultur der Futterkräuter, der Handclsgewächse,
der Zuckerrüben; der Wieseukuustbau, die Bildung edler Racen von Schafen,
Rindern, selbst von Pferden, welche mit dem Grund, der ihre fremden Ahnen
einst an sich zog, fest verwachsen sind; die künstlichen Systeme der Frnchtfolgcn,
die Vervollkommnung der Ackergeräthschaften, die Ausmittlung des Fnttcrwerths
der Bodcnprodukre, die chemischen und physikalischen Entdeckungen über Leben und
Ernährung der Pflanzen und Nutzthiere, die Cultur selbst des Düngers, vor
Allem aber die Verbindung großartiger Fabrikrhätigkeit mit dem Ackerbau, und
die vortreffliche Organisation unserer Wirthschaften. Es freut und erhebt die
Seele, so große Resultate des menschlichen Fleißes zu sehen. Wir bewundern so
stern in die Ferne hinein, was irgendwo Wunderbares geschaffen worden, und
überall dicht um uns hat der menschliche Geist in stiller, emsiger Thätigkeit das
Größte gefördert, eine weise Herrschaft über die Natur, welche innerhalb gewisser
Grenzen fast souverän waltet. Und diese Musterwirthschasten, die Höhenpunkte
unserer Agricultur, stehen nicht mehr vereinzelt, fast in allen Theilen Deutschlands
send sie zu sehen, nicht mehr isolirt, sondern in Massen, und überall macht sich
ihre segensreiche Wirkung auf die kleineren Landgüter mehr oder weniger geltend.
Muß ich erst sagen, daß die große» Güter die Träger dieser neuen Cultur sind?
Die productive Kraft des deutschen Volkes ist in der letzten Vergangenheit nicht
nur in Wissenschaft und Kunst thätig gewesen, sie hat sich auch im Reiche des
Praktischen Geistes ihr Gebiet erobert und daS wird uus grade jetzt zum Heil
dienen.

Der Einfluß, welchen der Landbau auf deu Staat ausübt, wird aber bedingt durch
das Verhältniß, in welchem er zu den beiden anderen großen Kreisen praktischer
Thätigkeit steht, zum Handel und zur Industrie des Handwerks und der Fabriken.


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[0417] die Existenz und das Gedeihen des großen Landbaus ernstlich nicht gefährdet wird, denn mit den Gespanndiensten und stehenden Verpflichtungen zwischen Gutsherrn und Arbeitern fällt auch ein großer Theil der Fesseln, welche den Ackerbau hier und da mock im alten ausgetretenen Gleise erhielten. Die größere Freiheit und günstigere Lage aber, in welche die kleinen Landbauer durch die rechtswidrige Aufhebung ihrer Verpflichtungen gekommen sind, wird ihnen allerdings zu gut kommen, aber erst in den nächsten Generationen. Wenn wir die Größenverhältnisse des deutschen Landbaus mit Befriedigung betrachten, so dürfen wir uns noch mehr über den Höhenpunkt freuen, wel¬ chen seine theoretische Bildung und die Cultur des Bodens erreicht hat. Wahr¬ lich, wer geneigt ist, die Gegenwart schwarz zu scheu und an der starken Lebens¬ kraft unserer Nation zu zweifeln, der überschaue die Eroberungen, welche der Ackerbau in den letzten fünfzig Jahren gemacht hat. Seit der Einbürgerung der Electoralschafe in Sachsen, seit der Einordnung der Hackfrüchte in die Dreifelder¬ wirthschaft, welche ungeheure Masse von Fortschritten in Viehzucht, Ackerbau und den ländlichen Fabrikanlagen! Die Cultur der Futterkräuter, der Handclsgewächse, der Zuckerrüben; der Wieseukuustbau, die Bildung edler Racen von Schafen, Rindern, selbst von Pferden, welche mit dem Grund, der ihre fremden Ahnen einst an sich zog, fest verwachsen sind; die künstlichen Systeme der Frnchtfolgcn, die Vervollkommnung der Ackergeräthschaften, die Ausmittlung des Fnttcrwerths der Bodcnprodukre, die chemischen und physikalischen Entdeckungen über Leben und Ernährung der Pflanzen und Nutzthiere, die Cultur selbst des Düngers, vor Allem aber die Verbindung großartiger Fabrikrhätigkeit mit dem Ackerbau, und die vortreffliche Organisation unserer Wirthschaften. Es freut und erhebt die Seele, so große Resultate des menschlichen Fleißes zu sehen. Wir bewundern so stern in die Ferne hinein, was irgendwo Wunderbares geschaffen worden, und überall dicht um uns hat der menschliche Geist in stiller, emsiger Thätigkeit das Größte gefördert, eine weise Herrschaft über die Natur, welche innerhalb gewisser Grenzen fast souverän waltet. Und diese Musterwirthschasten, die Höhenpunkte unserer Agricultur, stehen nicht mehr vereinzelt, fast in allen Theilen Deutschlands send sie zu sehen, nicht mehr isolirt, sondern in Massen, und überall macht sich ihre segensreiche Wirkung auf die kleineren Landgüter mehr oder weniger geltend. Muß ich erst sagen, daß die große» Güter die Träger dieser neuen Cultur sind? Die productive Kraft des deutschen Volkes ist in der letzten Vergangenheit nicht nur in Wissenschaft und Kunst thätig gewesen, sie hat sich auch im Reiche des Praktischen Geistes ihr Gebiet erobert und daS wird uus grade jetzt zum Heil dienen. Der Einfluß, welchen der Landbau auf deu Staat ausübt, wird aber bedingt durch das Verhältniß, in welchem er zu den beiden anderen großen Kreisen praktischer Thätigkeit steht, zum Handel und zur Industrie des Handwerks und der Fabriken. Grrnzboten. II. 1»4S. 53

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/417>, abgerufen am 28.01.2025.