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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Grundbesitzes. Rußland ist ein Beispiel und einzelne Departements in Frankreich
send ein anderes. In unserem Osten uoch die Gebundenheit massenhafter Güter-
complexe, und i" einigen Gegenden Frankreichs bereits ein Dahinscheiden der'
humosen Bodeutraft und eine Verminderung der atmosphärischen Fruchtbarkeit;
dort siud die Bande der Leibeigenschaft noch nicht gebrochen, hier hat die zerstö¬
rende Wuth der Revolution bereits das Lebensmark einer edlen Nation angegrif¬
fen, indem sie ihre Wälder niederschlug und ihre großen Güter in Trümmer warf.

Deutschland liegt uoch in der rechten Mitte zwischen beiden Extremen; wohl
ist das Verhältniß des großen Grundbesitzes zu dem bäuerlichen und kleinen nicht
überall das beste; dem östlichen Deutschland wäre vielleicht mehr Theilung, den
Rheingegenden größerer Zusammenhang der Besijzuugeu zu wünschen; indeß soll
man nicht vergessen , daß Länder am AbHange der Gebirge, welche den oberen
Lauf großer Ströme beherrschen, wie Böhmen, Steiermark, Schlesien, oder Flach¬
länder in der Nähe des Meeres mit sandigem oder grasigen Grund, wie Preu¬
ßen , Pommern, Mecklenburg, Hannover ihren aristokratischen Anstrich, die Menge
großer Gütercomplexe, im höchsten Interesse der Cultur unseres Vaterlandes be¬
sitzen. Denn Böhmen, Steiermark und Oberschlesien halten durch ihre großen
Höhcuwäldcr theils die kalten Stürme des Ostens ab, theils erhalten sie den re¬
gelmäßigen Wasserlauf der Elbe, der Oder, selbst der Donan; die Flachländer
aber bedürfen Landbau in großen Räumen, um entweder auf schlechtem Boden
Cultur zu schaffen und Reinertrage zu gewinnen, oder dnrch eine höchst sinnreiche
Verbindung großartiger Viehzucht mit dem Ackerbau den letzteren vortheilhaft zu
machen. Der größte Uebelstand der großen Güter in manchen Gegenden Deutsch¬
lands ist der, daß sie nicht kräftige Bauergüter ueben und zwischen sich besitzen
und nach Ablösung der bäuerlichen Lasten und Roboten aus sich ausscheiden, son¬
dern kleine kraftlose Besitzungen, welche ihnen und dem Staat zum Schaden ge¬
reichen. Im Ganzen aber ist der Blick auf die Vertheilung unseres Grundes
beruhigend, denn die Morgenzahl der Besitzungen, welche ihrer Große nach der Gewähr
von Uebcrschüssen sähig sind, ist die unendlich überwiegende; und demnach ist auch
der Einfluß, welchen der Landbau ans unsere politischen Gestaltungen auszuüben
hat, ein conservirender. Auch ist nicht zu fürchten, daß unsere Revolutions-
periode große Veränderungen in dem Verhältniß des großen Grundbesitzes zu
zu dem kleinen hervorbringen wird; die Aufhebung der Majorate und Fideikom-
misse wird den großen Grundbesitz viel weniger zerschneiden, als die Besitzer jetzt
fürchten, und unsere großen Gutsherren mögen so conservativ und loyal als
möglich sein, sie haben das Schicksal nicht zu fürchten, das den Adel Ludwig XVI
traf, denn sie sind nützliche Staatsbürger geworden.

Und wenn man die Erschütterungen bedauert, welche die gewaltsame Aufhe¬
bung der Scrvituteu in dem Wirthsschaftsbetrieb und Wohlstand großer Grund¬
besitzer hervorgebracht hat, so darf man sich doch tröstend sagen, daß auch dadurch


Grundbesitzes. Rußland ist ein Beispiel und einzelne Departements in Frankreich
send ein anderes. In unserem Osten uoch die Gebundenheit massenhafter Güter-
complexe, und i» einigen Gegenden Frankreichs bereits ein Dahinscheiden der'
humosen Bodeutraft und eine Verminderung der atmosphärischen Fruchtbarkeit;
dort siud die Bande der Leibeigenschaft noch nicht gebrochen, hier hat die zerstö¬
rende Wuth der Revolution bereits das Lebensmark einer edlen Nation angegrif¬
fen, indem sie ihre Wälder niederschlug und ihre großen Güter in Trümmer warf.

Deutschland liegt uoch in der rechten Mitte zwischen beiden Extremen; wohl
ist das Verhältniß des großen Grundbesitzes zu dem bäuerlichen und kleinen nicht
überall das beste; dem östlichen Deutschland wäre vielleicht mehr Theilung, den
Rheingegenden größerer Zusammenhang der Besijzuugeu zu wünschen; indeß soll
man nicht vergessen , daß Länder am AbHange der Gebirge, welche den oberen
Lauf großer Ströme beherrschen, wie Böhmen, Steiermark, Schlesien, oder Flach¬
länder in der Nähe des Meeres mit sandigem oder grasigen Grund, wie Preu¬
ßen , Pommern, Mecklenburg, Hannover ihren aristokratischen Anstrich, die Menge
großer Gütercomplexe, im höchsten Interesse der Cultur unseres Vaterlandes be¬
sitzen. Denn Böhmen, Steiermark und Oberschlesien halten durch ihre großen
Höhcuwäldcr theils die kalten Stürme des Ostens ab, theils erhalten sie den re¬
gelmäßigen Wasserlauf der Elbe, der Oder, selbst der Donan; die Flachländer
aber bedürfen Landbau in großen Räumen, um entweder auf schlechtem Boden
Cultur zu schaffen und Reinertrage zu gewinnen, oder dnrch eine höchst sinnreiche
Verbindung großartiger Viehzucht mit dem Ackerbau den letzteren vortheilhaft zu
machen. Der größte Uebelstand der großen Güter in manchen Gegenden Deutsch¬
lands ist der, daß sie nicht kräftige Bauergüter ueben und zwischen sich besitzen
und nach Ablösung der bäuerlichen Lasten und Roboten aus sich ausscheiden, son¬
dern kleine kraftlose Besitzungen, welche ihnen und dem Staat zum Schaden ge¬
reichen. Im Ganzen aber ist der Blick auf die Vertheilung unseres Grundes
beruhigend, denn die Morgenzahl der Besitzungen, welche ihrer Große nach der Gewähr
von Uebcrschüssen sähig sind, ist die unendlich überwiegende; und demnach ist auch
der Einfluß, welchen der Landbau ans unsere politischen Gestaltungen auszuüben
hat, ein conservirender. Auch ist nicht zu fürchten, daß unsere Revolutions-
periode große Veränderungen in dem Verhältniß des großen Grundbesitzes zu
zu dem kleinen hervorbringen wird; die Aufhebung der Majorate und Fideikom-
misse wird den großen Grundbesitz viel weniger zerschneiden, als die Besitzer jetzt
fürchten, und unsere großen Gutsherren mögen so conservativ und loyal als
möglich sein, sie haben das Schicksal nicht zu fürchten, das den Adel Ludwig XVI
traf, denn sie sind nützliche Staatsbürger geworden.

Und wenn man die Erschütterungen bedauert, welche die gewaltsame Aufhe¬
bung der Scrvituteu in dem Wirthsschaftsbetrieb und Wohlstand großer Grund¬
besitzer hervorgebracht hat, so darf man sich doch tröstend sagen, daß auch dadurch


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[0416] Grundbesitzes. Rußland ist ein Beispiel und einzelne Departements in Frankreich send ein anderes. In unserem Osten uoch die Gebundenheit massenhafter Güter- complexe, und i» einigen Gegenden Frankreichs bereits ein Dahinscheiden der' humosen Bodeutraft und eine Verminderung der atmosphärischen Fruchtbarkeit; dort siud die Bande der Leibeigenschaft noch nicht gebrochen, hier hat die zerstö¬ rende Wuth der Revolution bereits das Lebensmark einer edlen Nation angegrif¬ fen, indem sie ihre Wälder niederschlug und ihre großen Güter in Trümmer warf. Deutschland liegt uoch in der rechten Mitte zwischen beiden Extremen; wohl ist das Verhältniß des großen Grundbesitzes zu dem bäuerlichen und kleinen nicht überall das beste; dem östlichen Deutschland wäre vielleicht mehr Theilung, den Rheingegenden größerer Zusammenhang der Besijzuugeu zu wünschen; indeß soll man nicht vergessen , daß Länder am AbHange der Gebirge, welche den oberen Lauf großer Ströme beherrschen, wie Böhmen, Steiermark, Schlesien, oder Flach¬ länder in der Nähe des Meeres mit sandigem oder grasigen Grund, wie Preu¬ ßen , Pommern, Mecklenburg, Hannover ihren aristokratischen Anstrich, die Menge großer Gütercomplexe, im höchsten Interesse der Cultur unseres Vaterlandes be¬ sitzen. Denn Böhmen, Steiermark und Oberschlesien halten durch ihre großen Höhcuwäldcr theils die kalten Stürme des Ostens ab, theils erhalten sie den re¬ gelmäßigen Wasserlauf der Elbe, der Oder, selbst der Donan; die Flachländer aber bedürfen Landbau in großen Räumen, um entweder auf schlechtem Boden Cultur zu schaffen und Reinertrage zu gewinnen, oder dnrch eine höchst sinnreiche Verbindung großartiger Viehzucht mit dem Ackerbau den letzteren vortheilhaft zu machen. Der größte Uebelstand der großen Güter in manchen Gegenden Deutsch¬ lands ist der, daß sie nicht kräftige Bauergüter ueben und zwischen sich besitzen und nach Ablösung der bäuerlichen Lasten und Roboten aus sich ausscheiden, son¬ dern kleine kraftlose Besitzungen, welche ihnen und dem Staat zum Schaden ge¬ reichen. Im Ganzen aber ist der Blick auf die Vertheilung unseres Grundes beruhigend, denn die Morgenzahl der Besitzungen, welche ihrer Große nach der Gewähr von Uebcrschüssen sähig sind, ist die unendlich überwiegende; und demnach ist auch der Einfluß, welchen der Landbau ans unsere politischen Gestaltungen auszuüben hat, ein conservirender. Auch ist nicht zu fürchten, daß unsere Revolutions- periode große Veränderungen in dem Verhältniß des großen Grundbesitzes zu zu dem kleinen hervorbringen wird; die Aufhebung der Majorate und Fideikom- misse wird den großen Grundbesitz viel weniger zerschneiden, als die Besitzer jetzt fürchten, und unsere großen Gutsherren mögen so conservativ und loyal als möglich sein, sie haben das Schicksal nicht zu fürchten, das den Adel Ludwig XVI traf, denn sie sind nützliche Staatsbürger geworden. Und wenn man die Erschütterungen bedauert, welche die gewaltsame Aufhe¬ bung der Scrvituteu in dem Wirthsschaftsbetrieb und Wohlstand großer Grund¬ besitzer hervorgebracht hat, so darf man sich doch tröstend sagen, daß auch dadurch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/416>, abgerufen am 15.01.2025.