Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.des größten Theils der Bevölkerung nicht deshalb von so großer Wichtigkeit, weil Aber die Stimmungen der Individuen sind abhängig von ihren Lebensver¬ Der alte Streit darüber, ob großer oder kleiner Grundbesitz vortheilhafter 52*
des größten Theils der Bevölkerung nicht deshalb von so großer Wichtigkeit, weil Aber die Stimmungen der Individuen sind abhängig von ihren Lebensver¬ Der alte Streit darüber, ob großer oder kleiner Grundbesitz vortheilhafter 52*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0411" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278921"/> <p xml:id="ID_1340" prev="#ID_1339"> des größten Theils der Bevölkerung nicht deshalb von so großer Wichtigkeit, weil<lb/> ste in dem Kampf selbst sich mit unwiderstehlicher Kraft geltend machen, sondern<lb/> deshalb, weil sie vor einem rücksichtslosen Abwerfen bestehender Verhältnisse<lb/> warnen müssen; denn jeden Schritt, welchen die Fortschrittspartei zu weit geht,<lb/> wird das Volk einst, in Zeiten größerer Erschöpfung, wo die Grundstimmung<lb/> der Mehrzahl wieder zu ihren Rechten kommt, zurückgehen müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1341"> Aber die Stimmungen der Individuen sind abhängig von ihren Lebensver¬<lb/> hältnissen, und wenn die Bedingungen ihres Lebens Andere werden, ändern sich<lb/> wehr oder weniger die Ansichten der Menschen. Der Einfluß, welchen der Land¬<lb/> bau auf die politische Entwicklung ausüben muß, hängt also nicht allein von den<lb/> Landbauern ab, sondern auch von der Beschaffenheit des Grundbesitzes, seiner<lb/> Größe, seiner Cultur und seiner Stellung zu Vermögen der Nation.</p><lb/> <p xml:id="ID_1342" next="#ID_1343"> Der alte Streit darüber, ob großer oder kleiner Grundbesitz vortheilhafter<lb/> für das Leben der Völker sei, ist in diesem Blatt durch Koppe behandelt worden,<lb/> ich kann mich auf das Urtheil des berühmten Landwirths beziehen und kurz fassen.<lb/> Die eigenthümlichen Vortheile des großen Grundbesitzes für die Entwicklung der<lb/> nationalen Kraft sind im allgemeinen folgende: Er ist für dünn bevölkerte und<lb/> entlegene Länder, oder für uncultivirte Landstriche von mäßiger Bodengüte das<lb/> einzige Mittel, dieselben zu cultiviren, weil in beiden Fällen eine ausgedehnte Wei¬<lb/> dewirthschaft, also Viehzucht nöthig wird, entweder um die nicht verkäuflichen Früchte<lb/> der entlegenen Gegend in Fleisch, Wolle, Talg, Hänte zu verwandeln und so zu<lb/> versilbern, oder um den Boden dnrch Weidegang und Dünger großer Viehheerden<lb/> zu dem Ackerbau planvoll heranzubilden; er gibt ferner, gut bewirthschaftet bei<lb/> jeder Bodenbeschaffenheit im Ganzen genommen höhere Ernteerträge,<lb/> als der kleine Grundbesitz, weil der große Vorrath von Arbeitskraft da, wo es<lb/> gerade Noth thut, in schneller Concentration wirken kann; weil Anforderungen der<lb/> einzelnen Früchte an eine bestimmte Beschaffenheit der Ackerkrume weil mehr be¬<lb/> rücksichtigt werden, und endlich weil ein großer Besitz auch leichter die Energie<lb/> "Ad Intelligenz el »es tüchtigen Menschen für sich gewinnt, während dieselbe Feld¬<lb/> mark in kleinere Güter getheilt, viele leitende Kräfte von derselben Intelligenz bedarf,<lb/> annähernd günstige Resultate zu geben. Für den Nationalwohlstand haben große<lb/> Güter eine doppelte Bedeutung. Einmal sind die Abzüge der Wirthschastskvsten<lb/> von der Gesammteinnahme geringer, als bei kleinen, von dem Ertrag großer Güter<lb/> ^ ungefähr ein Drittel für die Wirthschaft abzuziehn, von dem Ertrage kleinerer<lb/> die Hälfte und mehr, es bleibt demnach von derselben Fläche ein größerer Nein-<lb/> ^'trag, wenn sie in großem Gut zusammenliegt, als wenn sie in kleine Einheiten<lb/> Varcellirt ist; und zweitens gibt der Reinertrag in einer Hand eine jährliche<lb/> ^berschußsumme, welche die productive Geldkraft der Nation wesentlich ver¬<lb/> wehrt und weitere Fortschritte der Cultur möglich macht. Wir verdanken end¬<lb/> lich dem großen Grundbesitz eine Fülle von Culturbiloungen, welche der kleine</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 52*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0411]
des größten Theils der Bevölkerung nicht deshalb von so großer Wichtigkeit, weil
ste in dem Kampf selbst sich mit unwiderstehlicher Kraft geltend machen, sondern
deshalb, weil sie vor einem rücksichtslosen Abwerfen bestehender Verhältnisse
warnen müssen; denn jeden Schritt, welchen die Fortschrittspartei zu weit geht,
wird das Volk einst, in Zeiten größerer Erschöpfung, wo die Grundstimmung
der Mehrzahl wieder zu ihren Rechten kommt, zurückgehen müssen.
Aber die Stimmungen der Individuen sind abhängig von ihren Lebensver¬
hältnissen, und wenn die Bedingungen ihres Lebens Andere werden, ändern sich
wehr oder weniger die Ansichten der Menschen. Der Einfluß, welchen der Land¬
bau auf die politische Entwicklung ausüben muß, hängt also nicht allein von den
Landbauern ab, sondern auch von der Beschaffenheit des Grundbesitzes, seiner
Größe, seiner Cultur und seiner Stellung zu Vermögen der Nation.
Der alte Streit darüber, ob großer oder kleiner Grundbesitz vortheilhafter
für das Leben der Völker sei, ist in diesem Blatt durch Koppe behandelt worden,
ich kann mich auf das Urtheil des berühmten Landwirths beziehen und kurz fassen.
Die eigenthümlichen Vortheile des großen Grundbesitzes für die Entwicklung der
nationalen Kraft sind im allgemeinen folgende: Er ist für dünn bevölkerte und
entlegene Länder, oder für uncultivirte Landstriche von mäßiger Bodengüte das
einzige Mittel, dieselben zu cultiviren, weil in beiden Fällen eine ausgedehnte Wei¬
dewirthschaft, also Viehzucht nöthig wird, entweder um die nicht verkäuflichen Früchte
der entlegenen Gegend in Fleisch, Wolle, Talg, Hänte zu verwandeln und so zu
versilbern, oder um den Boden dnrch Weidegang und Dünger großer Viehheerden
zu dem Ackerbau planvoll heranzubilden; er gibt ferner, gut bewirthschaftet bei
jeder Bodenbeschaffenheit im Ganzen genommen höhere Ernteerträge,
als der kleine Grundbesitz, weil der große Vorrath von Arbeitskraft da, wo es
gerade Noth thut, in schneller Concentration wirken kann; weil Anforderungen der
einzelnen Früchte an eine bestimmte Beschaffenheit der Ackerkrume weil mehr be¬
rücksichtigt werden, und endlich weil ein großer Besitz auch leichter die Energie
"Ad Intelligenz el »es tüchtigen Menschen für sich gewinnt, während dieselbe Feld¬
mark in kleinere Güter getheilt, viele leitende Kräfte von derselben Intelligenz bedarf,
annähernd günstige Resultate zu geben. Für den Nationalwohlstand haben große
Güter eine doppelte Bedeutung. Einmal sind die Abzüge der Wirthschastskvsten
von der Gesammteinnahme geringer, als bei kleinen, von dem Ertrag großer Güter
^ ungefähr ein Drittel für die Wirthschaft abzuziehn, von dem Ertrage kleinerer
die Hälfte und mehr, es bleibt demnach von derselben Fläche ein größerer Nein-
^'trag, wenn sie in großem Gut zusammenliegt, als wenn sie in kleine Einheiten
Varcellirt ist; und zweitens gibt der Reinertrag in einer Hand eine jährliche
^berschußsumme, welche die productive Geldkraft der Nation wesentlich ver¬
wehrt und weitere Fortschritte der Cultur möglich macht. Wir verdanken end¬
lich dem großen Grundbesitz eine Fülle von Culturbiloungen, welche der kleine
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