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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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deutschen Bundes abschließen mag, ein neues, auf Grund dessen z. B. Holstein
oder Limburg kaum wird angehalten werden können, sein Contingent zur Bundcs-
armee zu stellen.

Statt also offen zu sagen: Es siud in Folge des deutschen Bundes rechtliche
Verhältnisse entstände", welche auf rechtlichem Wege abgelöst werden müssen, z. B.
die NeichSsestnngen, zu denen Oestreich seinen Theil beizutragen hat, wie gewisse
allgemeine Gesetze, z> B. das gegen den Nachdruck -- nimmt man den Mund
voll und zwingt sich selbst in Unwahrheiten hinein, die Niemanden täuschen können.

Indeß von dieser theoretischen Schwierigkeit könnten wir absehn, wenn sich
die praktischen nicht zu sehr vordrängten.

Gesetzt nämlich, der projectirte Bnndesstaatsvereiu käme dnrch einen Beschluß
der norddeutschen, sowie einiger westdeutschen Regierungen zu Stande: wie will
man sich zu dem Bunde verhalten, den möglicher Weise Baiern um sich crystallisirt,
dem sich Oestreich schützend zur Seite stellen wird, und dem sich vielleicht mit einem
letzte" Verzwcift""göstreich die Neste der parlamentarischen Partei in die Arme
werfen?

Wie will man ferner den demokratischen Bestrebungen in Baden begegne",
wenn man sich selber vom Gehorsam gegen die Reichsgewalt lossagt? Endlich wie
will man seinen Forderungen in der deutschen Frage eine rechtliche Begründung
oder auch nur eine klare Fassinig gebe", wenn man nicht medr im Namen des
Reichs anftritt? Werden die Regierungen der nicht dem neuen Bündniß angehöri-
gen Staaten sich dazu hergeben, ihre Truppen im preußischen Interesse verwenden
zu lassen?

Das alles sind Fragen, auf welche uns die preußische Staatsschrift die Ant¬
wort schuldig bleibt. Sie sind es aber hauptsächlich, auf welche das Einheitöbe-
streben der deutschen Nation sich gründet. Löst man sie vom Standpunkt des rein
dynastischen Interesses, so wird es schwer fallen, dasselbe noch ferner auszubeuten.

Die Schwierigkeit wäre geringer, wenn Preußen im eignen Staatswesen
reine Hand hätte. Es könnte dann sagen: macht mit dem Bunde, was euch be¬
liebt, ich, der souveräne Staat Preußen, werde handeln, wie meine eignen Be¬
dürfnisse es erheischen.

So steht es aber nicht; dnrch ihren Bruch mit dem Reich und mit den Be¬
schlüsse" der deutschen Nationalversammlung hat die preußische Regierung anch "ut
den Vertretern des eignen Volks gebrochen. Auf diese innern Verhältnisse müssen
wir einen Augenblick unsere Aufmerksamkeit richten.

Nachdem Preußen unter dem Ministerium Camphausen sich für einen consti-
tutionellen Staat e>klärt hatte, kam es darauf an, den Inhalt der Verfassung
festzustellen. Die Regierung selbst, obgleich von de" Demokraten lebhaft dazu
aufgefordert, fühlte sich nicht im Stande, denselben einseitig zu octroyiren; gegen
die Uebertragung dieses Geschäfts an das bisherige Organ der ständischen Ver-


deutschen Bundes abschließen mag, ein neues, auf Grund dessen z. B. Holstein
oder Limburg kaum wird angehalten werden können, sein Contingent zur Bundcs-
armee zu stellen.

Statt also offen zu sagen: Es siud in Folge des deutschen Bundes rechtliche
Verhältnisse entstände», welche auf rechtlichem Wege abgelöst werden müssen, z. B.
die NeichSsestnngen, zu denen Oestreich seinen Theil beizutragen hat, wie gewisse
allgemeine Gesetze, z> B. das gegen den Nachdruck — nimmt man den Mund
voll und zwingt sich selbst in Unwahrheiten hinein, die Niemanden täuschen können.

Indeß von dieser theoretischen Schwierigkeit könnten wir absehn, wenn sich
die praktischen nicht zu sehr vordrängten.

Gesetzt nämlich, der projectirte Bnndesstaatsvereiu käme dnrch einen Beschluß
der norddeutschen, sowie einiger westdeutschen Regierungen zu Stande: wie will
man sich zu dem Bunde verhalten, den möglicher Weise Baiern um sich crystallisirt,
dem sich Oestreich schützend zur Seite stellen wird, und dem sich vielleicht mit einem
letzte» Verzwcift»»göstreich die Neste der parlamentarischen Partei in die Arme
werfen?

Wie will man ferner den demokratischen Bestrebungen in Baden begegne»,
wenn man sich selber vom Gehorsam gegen die Reichsgewalt lossagt? Endlich wie
will man seinen Forderungen in der deutschen Frage eine rechtliche Begründung
oder auch nur eine klare Fassinig gebe», wenn man nicht medr im Namen des
Reichs anftritt? Werden die Regierungen der nicht dem neuen Bündniß angehöri-
gen Staaten sich dazu hergeben, ihre Truppen im preußischen Interesse verwenden
zu lassen?

Das alles sind Fragen, auf welche uns die preußische Staatsschrift die Ant¬
wort schuldig bleibt. Sie sind es aber hauptsächlich, auf welche das Einheitöbe-
streben der deutschen Nation sich gründet. Löst man sie vom Standpunkt des rein
dynastischen Interesses, so wird es schwer fallen, dasselbe noch ferner auszubeuten.

Die Schwierigkeit wäre geringer, wenn Preußen im eignen Staatswesen
reine Hand hätte. Es könnte dann sagen: macht mit dem Bunde, was euch be¬
liebt, ich, der souveräne Staat Preußen, werde handeln, wie meine eignen Be¬
dürfnisse es erheischen.

So steht es aber nicht; dnrch ihren Bruch mit dem Reich und mit den Be¬
schlüsse» der deutschen Nationalversammlung hat die preußische Regierung anch «ut
den Vertretern des eignen Volks gebrochen. Auf diese innern Verhältnisse müssen
wir einen Augenblick unsere Aufmerksamkeit richten.

Nachdem Preußen unter dem Ministerium Camphausen sich für einen consti-
tutionellen Staat e>klärt hatte, kam es darauf an, den Inhalt der Verfassung
festzustellen. Die Regierung selbst, obgleich von de» Demokraten lebhaft dazu
aufgefordert, fühlte sich nicht im Stande, denselben einseitig zu octroyiren; gegen
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[0396] deutschen Bundes abschließen mag, ein neues, auf Grund dessen z. B. Holstein oder Limburg kaum wird angehalten werden können, sein Contingent zur Bundcs- armee zu stellen. Statt also offen zu sagen: Es siud in Folge des deutschen Bundes rechtliche Verhältnisse entstände», welche auf rechtlichem Wege abgelöst werden müssen, z. B. die NeichSsestnngen, zu denen Oestreich seinen Theil beizutragen hat, wie gewisse allgemeine Gesetze, z> B. das gegen den Nachdruck — nimmt man den Mund voll und zwingt sich selbst in Unwahrheiten hinein, die Niemanden täuschen können. Indeß von dieser theoretischen Schwierigkeit könnten wir absehn, wenn sich die praktischen nicht zu sehr vordrängten. Gesetzt nämlich, der projectirte Bnndesstaatsvereiu käme dnrch einen Beschluß der norddeutschen, sowie einiger westdeutschen Regierungen zu Stande: wie will man sich zu dem Bunde verhalten, den möglicher Weise Baiern um sich crystallisirt, dem sich Oestreich schützend zur Seite stellen wird, und dem sich vielleicht mit einem letzte» Verzwcift»»göstreich die Neste der parlamentarischen Partei in die Arme werfen? Wie will man ferner den demokratischen Bestrebungen in Baden begegne», wenn man sich selber vom Gehorsam gegen die Reichsgewalt lossagt? Endlich wie will man seinen Forderungen in der deutschen Frage eine rechtliche Begründung oder auch nur eine klare Fassinig gebe», wenn man nicht medr im Namen des Reichs anftritt? Werden die Regierungen der nicht dem neuen Bündniß angehöri- gen Staaten sich dazu hergeben, ihre Truppen im preußischen Interesse verwenden zu lassen? Das alles sind Fragen, auf welche uns die preußische Staatsschrift die Ant¬ wort schuldig bleibt. Sie sind es aber hauptsächlich, auf welche das Einheitöbe- streben der deutschen Nation sich gründet. Löst man sie vom Standpunkt des rein dynastischen Interesses, so wird es schwer fallen, dasselbe noch ferner auszubeuten. Die Schwierigkeit wäre geringer, wenn Preußen im eignen Staatswesen reine Hand hätte. Es könnte dann sagen: macht mit dem Bunde, was euch be¬ liebt, ich, der souveräne Staat Preußen, werde handeln, wie meine eignen Be¬ dürfnisse es erheischen. So steht es aber nicht; dnrch ihren Bruch mit dem Reich und mit den Be¬ schlüsse» der deutschen Nationalversammlung hat die preußische Regierung anch «ut den Vertretern des eignen Volks gebrochen. Auf diese innern Verhältnisse müssen wir einen Augenblick unsere Aufmerksamkeit richten. Nachdem Preußen unter dem Ministerium Camphausen sich für einen consti- tutionellen Staat e>klärt hatte, kam es darauf an, den Inhalt der Verfassung festzustellen. Die Regierung selbst, obgleich von de» Demokraten lebhaft dazu aufgefordert, fühlte sich nicht im Stande, denselben einseitig zu octroyiren; gegen die Uebertragung dieses Geschäfts an das bisherige Organ der ständischen Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/396>, abgerufen am 15.01.2025.