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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Man erinnert sich unwillkürlich dabei an eine ähnliche Versicherung des Königs
von Preußen, es nie zugeben zu wollen, daß ein beschriebenes Blatt sich zwischen
Ihn, sein Volk und seinen Gott stelle.

Es scheint nun ein Widerruf zu sein, wenn die am 31. Mai veröffentlichte
Preußische Staatsschrift über das mit Hannover und Sachsen abgeschlossene Separat-
Bündniß Folgendes enthält. "Dieses ans den Forderungen der Gegenwart her¬
vorgegangene und von deren Dauer abhängende Bündniß ist nicht der
deutsche Bund von 1815. Auf die Befugnisse gestützt, welche Art. 11 der Bun¬
desakte allen Bundesglicdern vorbehält, berührt es nirgend den völkerrechtlichen
Verein der Staaten, die zum deutschen Bunde gehöre", sondern erkennt vielmehr
den rechtlichen Fortbestand desselben mit allen hieraus erwachsenen neckten und
Pflichten unverändert an. Ebensowenig fällt daher die an Preußen übertragene
Leitung der gemeinsamen Interessen jenes Bündnisses mit der durch den Bundcs-
beschluß vom 12. Juli 1848 anerkannten provisorischen Centralgewalt zusammen;
Über die Fortdauer dieser Institution wurde, wenn der Erzherzog-Reichsverweser
sich veranlaßt finden sollte, sein Mandat niederzulegen, immer wieder nur durch
die Gesammtheit der Glieder des deutschen Bundes bestimmt werden können."

Ferner. "Sollte es erforderlich werden, die durch die Auflösung des Bun¬
destages verursachte Lücke in der formellen Behandlung der Bnndeögeschäfte durch
neue Uebereinkünfte zu ersetzen, so werden sich die in dem engern Bundesstaat
vereinigten Glieder dazu stets bereit finden lassen."

Aber der Werth dieser Gefälligkeit wird sehr vermindert, wenn man in der^
selben Denkschrift liest: "der bisherige und rechtlich fortbestehende deutsche Staa-
tenbund ist nicht fähig, seine Glieder gegen den innern und äußern Brand zu
schützen." Ferner: "die Nationalversammlung hat es den Regierungen unmöglich
gemacht, ihren ferneren Handlungen irgend eine Giltigkeit beizumessen." Endlich:
"Da die Negierung des Reichsverwesers nur durch die der Nationalversammlung
verantwortlichen Minister ausgeübt wird, so hat auch deren Thätigkeit ebenso ihren
rechtlichen Boden verloren, als sie jetzt factisch anßer Stande ist, einem Berufe
!U genügen" n. s. w.

Also: der rechtlich fortbestehende Bund mag entweder in der alten Form er¬
neuert oder, wie bisher, durch den Reichsverweser vertreten werden, wir haben
"indes dagegen, nur sprechen wir seiner Thätigkeit jede rechtliche Basis und
jede factische Befähigung ab.

Da aber der Bundestag rechtlich wie factisch aufgehört hat, und da der pro¬
visorischen Centralgewalt, welche die einzige Vertretung der Einheit Deutschlands
!si, jede Wirksamkeit entzogen wird -- sogar die Durchführung des von ihr an¬
geknüpften völkerrechtlichen Verhältnisses zu Dänemark, so ist in der That kaum
Abzusehen, worin die Fortdauer des Bundes eigentlich noch bestehen soll. Jeden¬
falls ist das etwaige Bündniß, welches man mit den ehemaligen Staaten des


50*

Man erinnert sich unwillkürlich dabei an eine ähnliche Versicherung des Königs
von Preußen, es nie zugeben zu wollen, daß ein beschriebenes Blatt sich zwischen
Ihn, sein Volk und seinen Gott stelle.

Es scheint nun ein Widerruf zu sein, wenn die am 31. Mai veröffentlichte
Preußische Staatsschrift über das mit Hannover und Sachsen abgeschlossene Separat-
Bündniß Folgendes enthält. „Dieses ans den Forderungen der Gegenwart her¬
vorgegangene und von deren Dauer abhängende Bündniß ist nicht der
deutsche Bund von 1815. Auf die Befugnisse gestützt, welche Art. 11 der Bun¬
desakte allen Bundesglicdern vorbehält, berührt es nirgend den völkerrechtlichen
Verein der Staaten, die zum deutschen Bunde gehöre», sondern erkennt vielmehr
den rechtlichen Fortbestand desselben mit allen hieraus erwachsenen neckten und
Pflichten unverändert an. Ebensowenig fällt daher die an Preußen übertragene
Leitung der gemeinsamen Interessen jenes Bündnisses mit der durch den Bundcs-
beschluß vom 12. Juli 1848 anerkannten provisorischen Centralgewalt zusammen;
Über die Fortdauer dieser Institution wurde, wenn der Erzherzog-Reichsverweser
sich veranlaßt finden sollte, sein Mandat niederzulegen, immer wieder nur durch
die Gesammtheit der Glieder des deutschen Bundes bestimmt werden können."

Ferner. „Sollte es erforderlich werden, die durch die Auflösung des Bun¬
destages verursachte Lücke in der formellen Behandlung der Bnndeögeschäfte durch
neue Uebereinkünfte zu ersetzen, so werden sich die in dem engern Bundesstaat
vereinigten Glieder dazu stets bereit finden lassen."

Aber der Werth dieser Gefälligkeit wird sehr vermindert, wenn man in der^
selben Denkschrift liest: „der bisherige und rechtlich fortbestehende deutsche Staa-
tenbund ist nicht fähig, seine Glieder gegen den innern und äußern Brand zu
schützen." Ferner: „die Nationalversammlung hat es den Regierungen unmöglich
gemacht, ihren ferneren Handlungen irgend eine Giltigkeit beizumessen." Endlich:
»Da die Negierung des Reichsverwesers nur durch die der Nationalversammlung
verantwortlichen Minister ausgeübt wird, so hat auch deren Thätigkeit ebenso ihren
rechtlichen Boden verloren, als sie jetzt factisch anßer Stande ist, einem Berufe
!U genügen" n. s. w.

Also: der rechtlich fortbestehende Bund mag entweder in der alten Form er¬
neuert oder, wie bisher, durch den Reichsverweser vertreten werden, wir haben
"indes dagegen, nur sprechen wir seiner Thätigkeit jede rechtliche Basis und
jede factische Befähigung ab.

Da aber der Bundestag rechtlich wie factisch aufgehört hat, und da der pro¬
visorischen Centralgewalt, welche die einzige Vertretung der Einheit Deutschlands
!si, jede Wirksamkeit entzogen wird — sogar die Durchführung des von ihr an¬
geknüpften völkerrechtlichen Verhältnisses zu Dänemark, so ist in der That kaum
Abzusehen, worin die Fortdauer des Bundes eigentlich noch bestehen soll. Jeden¬
falls ist das etwaige Bündniß, welches man mit den ehemaligen Staaten des


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[0395] Man erinnert sich unwillkürlich dabei an eine ähnliche Versicherung des Königs von Preußen, es nie zugeben zu wollen, daß ein beschriebenes Blatt sich zwischen Ihn, sein Volk und seinen Gott stelle. Es scheint nun ein Widerruf zu sein, wenn die am 31. Mai veröffentlichte Preußische Staatsschrift über das mit Hannover und Sachsen abgeschlossene Separat- Bündniß Folgendes enthält. „Dieses ans den Forderungen der Gegenwart her¬ vorgegangene und von deren Dauer abhängende Bündniß ist nicht der deutsche Bund von 1815. Auf die Befugnisse gestützt, welche Art. 11 der Bun¬ desakte allen Bundesglicdern vorbehält, berührt es nirgend den völkerrechtlichen Verein der Staaten, die zum deutschen Bunde gehöre», sondern erkennt vielmehr den rechtlichen Fortbestand desselben mit allen hieraus erwachsenen neckten und Pflichten unverändert an. Ebensowenig fällt daher die an Preußen übertragene Leitung der gemeinsamen Interessen jenes Bündnisses mit der durch den Bundcs- beschluß vom 12. Juli 1848 anerkannten provisorischen Centralgewalt zusammen; Über die Fortdauer dieser Institution wurde, wenn der Erzherzog-Reichsverweser sich veranlaßt finden sollte, sein Mandat niederzulegen, immer wieder nur durch die Gesammtheit der Glieder des deutschen Bundes bestimmt werden können." Ferner. „Sollte es erforderlich werden, die durch die Auflösung des Bun¬ destages verursachte Lücke in der formellen Behandlung der Bnndeögeschäfte durch neue Uebereinkünfte zu ersetzen, so werden sich die in dem engern Bundesstaat vereinigten Glieder dazu stets bereit finden lassen." Aber der Werth dieser Gefälligkeit wird sehr vermindert, wenn man in der^ selben Denkschrift liest: „der bisherige und rechtlich fortbestehende deutsche Staa- tenbund ist nicht fähig, seine Glieder gegen den innern und äußern Brand zu schützen." Ferner: „die Nationalversammlung hat es den Regierungen unmöglich gemacht, ihren ferneren Handlungen irgend eine Giltigkeit beizumessen." Endlich: »Da die Negierung des Reichsverwesers nur durch die der Nationalversammlung verantwortlichen Minister ausgeübt wird, so hat auch deren Thätigkeit ebenso ihren rechtlichen Boden verloren, als sie jetzt factisch anßer Stande ist, einem Berufe !U genügen" n. s. w. Also: der rechtlich fortbestehende Bund mag entweder in der alten Form er¬ neuert oder, wie bisher, durch den Reichsverweser vertreten werden, wir haben "indes dagegen, nur sprechen wir seiner Thätigkeit jede rechtliche Basis und jede factische Befähigung ab. Da aber der Bundestag rechtlich wie factisch aufgehört hat, und da der pro¬ visorischen Centralgewalt, welche die einzige Vertretung der Einheit Deutschlands !si, jede Wirksamkeit entzogen wird — sogar die Durchführung des von ihr an¬ geknüpften völkerrechtlichen Verhältnisses zu Dänemark, so ist in der That kaum Abzusehen, worin die Fortdauer des Bundes eigentlich noch bestehen soll. Jeden¬ falls ist das etwaige Bündniß, welches man mit den ehemaligen Staaten des 50*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/395>, abgerufen am 15.01.2025.