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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Preußische Brief e.



Sechzehnter Vries.
Die große Woche der Patente.

Die" sonst ziemlich inhaltlosen Blätter des StaatSanzeigerS haben in der
letzten Woche eine überraschende Fülle entwickelt; kann, hatte man Zeit, den Ein¬
druck von heute in sich zu verarbeiten, so drängte sich morgen ein neues Interesse
dazwischen. Es thut Noch, diese wechselnden Eindrücke zu ordnen. Wir wollen
zunächst, was die preußische Regierung gethan, in den Mittelpunkt stellen.

Folgendes sind, nackt hingestellt, die vorliegenden Thatsachen.

Preußen hat mit Hannover und Sachsen ein Schutz- und TrulMndniß ge¬
schlossen; es ist ihm in demselben die Leitung der gemeinsamen Angelegenheiten
übertragen worden, ohne daß über die Form, in welcher dieselben berathen und
geordnet werden sollen, oder anch nnr über den Umfang und die Dauer des
Bündnisses etwas festgestellt wäre. Zunächst ist man nur über ein Ansträgalgericht
von sieben Mitgliedern übereingekommen -- drei aus Preußen, zwei aus Hanno-
vc>', zwei aus Sachsen -- vor welchem die gegenseitigen Streitigkeiten ausgeglichen
werden sollen. Das Gericht wird vorläufig wenig zu thun haben.

Es haben ferner die verbündeten drei Ncgiernugc" an die übrigen deutschen
Staaten die Aufforderung erlassen, sich diesem Bündniß iiuzuschlicßeu. Als Be¬
engung des Anschlusses haben sie einen Verfassung" - Entwurf ausgearbeitet,
welcher zum Theil dem Frankfurter entspricht, in maiiche" wesentlichen Punkten
Modifikationen eintreten läßt, vor Allem aber von dem Gesichtspunkt ausgeht,
daß Oestreich an dein projectirten Bündniß keinen Antheil nehmen werde.

Dieser Entwurf ist also in keiner Weise eine re.i tsgillige Verfassung. Ein¬
mal richten sich seine Bedingungen zum großen Theil nach der Zahl der Regie¬
rungen, welche ihn annehmen. Noch aber kann man nicht einmal von Hannover
oder Sachsen sagen, daß sie ihm definitiv beigetreten wären, wenigstens hat das
^lere ausdrücklich erklärt, es gebe seine Zustimmung nnr unter dem Vorbehalt
der Genehmigung seiner Kammern.

Aber auch nach der Einwilligung sämmtlicher Staaten soll die Verfassung
M) nicht rechtsgiltig sein. Sie soll vielmehr mit den Volksrepräsentanten -- die'


Grrnzboten. II. Is"". ^)
Preußische Brief e.



Sechzehnter Vries.
Die große Woche der Patente.

Die" sonst ziemlich inhaltlosen Blätter des StaatSanzeigerS haben in der
letzten Woche eine überraschende Fülle entwickelt; kann, hatte man Zeit, den Ein¬
druck von heute in sich zu verarbeiten, so drängte sich morgen ein neues Interesse
dazwischen. Es thut Noch, diese wechselnden Eindrücke zu ordnen. Wir wollen
zunächst, was die preußische Regierung gethan, in den Mittelpunkt stellen.

Folgendes sind, nackt hingestellt, die vorliegenden Thatsachen.

Preußen hat mit Hannover und Sachsen ein Schutz- und TrulMndniß ge¬
schlossen; es ist ihm in demselben die Leitung der gemeinsamen Angelegenheiten
übertragen worden, ohne daß über die Form, in welcher dieselben berathen und
geordnet werden sollen, oder anch nnr über den Umfang und die Dauer des
Bündnisses etwas festgestellt wäre. Zunächst ist man nur über ein Ansträgalgericht
von sieben Mitgliedern übereingekommen — drei aus Preußen, zwei aus Hanno-
vc>', zwei aus Sachsen — vor welchem die gegenseitigen Streitigkeiten ausgeglichen
werden sollen. Das Gericht wird vorläufig wenig zu thun haben.

Es haben ferner die verbündeten drei Ncgiernugc» an die übrigen deutschen
Staaten die Aufforderung erlassen, sich diesem Bündniß iiuzuschlicßeu. Als Be¬
engung des Anschlusses haben sie einen Verfassung« - Entwurf ausgearbeitet,
welcher zum Theil dem Frankfurter entspricht, in maiiche» wesentlichen Punkten
Modifikationen eintreten läßt, vor Allem aber von dem Gesichtspunkt ausgeht,
daß Oestreich an dein projectirten Bündniß keinen Antheil nehmen werde.

Dieser Entwurf ist also in keiner Weise eine re.i tsgillige Verfassung. Ein¬
mal richten sich seine Bedingungen zum großen Theil nach der Zahl der Regie¬
rungen, welche ihn annehmen. Noch aber kann man nicht einmal von Hannover
oder Sachsen sagen, daß sie ihm definitiv beigetreten wären, wenigstens hat das
^lere ausdrücklich erklärt, es gebe seine Zustimmung nnr unter dem Vorbehalt
der Genehmigung seiner Kammern.

Aber auch nach der Einwilligung sämmtlicher Staaten soll die Verfassung
M) nicht rechtsgiltig sein. Sie soll vielmehr mit den Volksrepräsentanten — die'


Grrnzboten. II. Is«». ^)
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[0393] Preußische Brief e. Sechzehnter Vries. Die große Woche der Patente. Die" sonst ziemlich inhaltlosen Blätter des StaatSanzeigerS haben in der letzten Woche eine überraschende Fülle entwickelt; kann, hatte man Zeit, den Ein¬ druck von heute in sich zu verarbeiten, so drängte sich morgen ein neues Interesse dazwischen. Es thut Noch, diese wechselnden Eindrücke zu ordnen. Wir wollen zunächst, was die preußische Regierung gethan, in den Mittelpunkt stellen. Folgendes sind, nackt hingestellt, die vorliegenden Thatsachen. Preußen hat mit Hannover und Sachsen ein Schutz- und TrulMndniß ge¬ schlossen; es ist ihm in demselben die Leitung der gemeinsamen Angelegenheiten übertragen worden, ohne daß über die Form, in welcher dieselben berathen und geordnet werden sollen, oder anch nnr über den Umfang und die Dauer des Bündnisses etwas festgestellt wäre. Zunächst ist man nur über ein Ansträgalgericht von sieben Mitgliedern übereingekommen — drei aus Preußen, zwei aus Hanno- vc>', zwei aus Sachsen — vor welchem die gegenseitigen Streitigkeiten ausgeglichen werden sollen. Das Gericht wird vorläufig wenig zu thun haben. Es haben ferner die verbündeten drei Ncgiernugc» an die übrigen deutschen Staaten die Aufforderung erlassen, sich diesem Bündniß iiuzuschlicßeu. Als Be¬ engung des Anschlusses haben sie einen Verfassung« - Entwurf ausgearbeitet, welcher zum Theil dem Frankfurter entspricht, in maiiche» wesentlichen Punkten Modifikationen eintreten läßt, vor Allem aber von dem Gesichtspunkt ausgeht, daß Oestreich an dein projectirten Bündniß keinen Antheil nehmen werde. Dieser Entwurf ist also in keiner Weise eine re.i tsgillige Verfassung. Ein¬ mal richten sich seine Bedingungen zum großen Theil nach der Zahl der Regie¬ rungen, welche ihn annehmen. Noch aber kann man nicht einmal von Hannover oder Sachsen sagen, daß sie ihm definitiv beigetreten wären, wenigstens hat das ^lere ausdrücklich erklärt, es gebe seine Zustimmung nnr unter dem Vorbehalt der Genehmigung seiner Kammern. Aber auch nach der Einwilligung sämmtlicher Staaten soll die Verfassung M) nicht rechtsgiltig sein. Sie soll vielmehr mit den Volksrepräsentanten — die' Grrnzboten. II. Is«». ^)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/393>, abgerufen am 15.01.2025.