Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Volksbewußtseins liegt, als eine fremde und abstrakte Macht die autonomen Ge¬ Seitdem sich das revolutionäre Laster erbrach, setzte sich die patriarchalische Volksbewußtseins liegt, als eine fremde und abstrakte Macht die autonomen Ge¬ Seitdem sich das revolutionäre Laster erbrach, setzte sich die patriarchalische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278893"/> <p xml:id="ID_1221" prev="#ID_1220"> Volksbewußtseins liegt, als eine fremde und abstrakte Macht die autonomen Ge¬<lb/> lüste der einzelnen Länder bändigen könne. Um die Armee in dieser ihrer Mission<lb/> nicht zu beirren, mußte der Reichstag beseitigt werden, weil er in die Aufgabe<lb/> der Einigung Oestreichs einen nicht zu ermittelnder Dualismus brachte, da es<lb/> nicht zu gleicher Zeit von unten aus constituirt und von oben erobert und bela¬<lb/> gert werden konnte. Eine innerliche Einigung der Volksstämme von Oestreich,<lb/> eine Verständigung der durch die Sprache entzweiten und verwirrten Volksgeister<lb/> kann uicht in der Absicht der dynastischen Politik liegen. Die vielen dämonischen<lb/> Mächte, welche det Bewegung in Oestreich einen so vielgestaltigen, phantastischen<lb/> Charakter gaben, welche das Mythcnalter wieder heraufholten und die Prosa der<lb/> Geschichte in wüste Volksmärchen auflösen, dürfen nur negativ in gewisse Schran¬<lb/> ke» zurückgewiesen, aber uicht positiv in dem Pantheismus der Freiheit versöhnt<lb/> und befriedigt werden. Die Regierung braucht Amel-Deutsche, Auti-Magyaren,<lb/> Amel-Polen u. s. w., und wem, sie uicht da wären, so müßte man sie erfinden<lb/> und schaffen. Aber eben durch die gewaltthätige Auflösung des Reichstages wurde<lb/> die Einigung der Volker Oestreichs im Geiste und in der Wahrheit mächtig ge¬<lb/> fördert, und das theure Vermächtnis) ihrer Vertreter, der Verfassungsentwurf<lb/> eines östreichischen Bundesstaates tief in ihre Herzen geschrieben. Die Idee eines<lb/> in solcher Weise popularistrten Oestreich steht nun klar und in bestimmten Um¬<lb/> rissen vor den Augen der Völker — sie haben daran einen festen Maßstab, und<lb/> brauchen nicht erst der träumenden Willkür die Erfindung eines idealen Staates<lb/> ZU überlassen, um damit die Misere des wirklichen zusammenzuhalten. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1222" next="#ID_1223"> Seitdem sich das revolutionäre Laster erbrach, setzte sich die patriarchalische<lb/> Tugend, die zahlungsfähige Moral der lieben alten Zeit wieder zu Tisch. Der<lb/> hohe Klerus constituirte sich zu einem Concil, oder besser zu einem privilegirten<lb/> Club, um der Kirche eine „zeitgemäße" Verfassung zu octroyiren, und die alten<lb/> Stammbäume schlugen wieder lustig aus, seitdem die Axt an den Freiheitsbaum<lb/> gelegt wurde. Das hohle Salongeschwätz, welches durch die Philippika des Reichs-<lb/> ^Uf eine Zeit lang unterbrochen ward, kann sich wieder frei ergehen, und je Stil-<lb/> es ans dem Forum wird, desto lauter wird es bei den Theetischcn und in den<lb/> Privatcirkcln. Die Revolution untergräbt den Frieden des Privatlebens; die Pc-<lb/> "ater sind ihr Götzen, die sie mit einem mächtigen Ruck schonungslos vom Altar<lb/> stürzt. Sie duldet weder die romantische Gcistrcichigkeit eines Königs, der den<lb/> Staat als eine Welt beherrschen mochte, die er willkürlich aus seinem genialen<lb/> ^es heraus construirt har, uoch auch die noblen Gewohnheiten des Adels und<lb/> ^»e kleinen Hausfreuden, die der behäbige Kleinbürger nnverkümmert genießen<lb/> Möchte. Aber alle jene Stände, an welche die Revolution ihre rücksichtslosen For¬<lb/> derungen stellt, lassen nichts unversucht, um sich dem kategorischen Imperativ der<lb/> demokratischen Tugend zu entziehen, und die weltgeschichtliche Flut des öffentlichen<lb/> Lebens wieder zur Ebbe des Privatlebens zurückzuführen. Auf dem Markte soll</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0383]
Volksbewußtseins liegt, als eine fremde und abstrakte Macht die autonomen Ge¬
lüste der einzelnen Länder bändigen könne. Um die Armee in dieser ihrer Mission
nicht zu beirren, mußte der Reichstag beseitigt werden, weil er in die Aufgabe
der Einigung Oestreichs einen nicht zu ermittelnder Dualismus brachte, da es
nicht zu gleicher Zeit von unten aus constituirt und von oben erobert und bela¬
gert werden konnte. Eine innerliche Einigung der Volksstämme von Oestreich,
eine Verständigung der durch die Sprache entzweiten und verwirrten Volksgeister
kann uicht in der Absicht der dynastischen Politik liegen. Die vielen dämonischen
Mächte, welche det Bewegung in Oestreich einen so vielgestaltigen, phantastischen
Charakter gaben, welche das Mythcnalter wieder heraufholten und die Prosa der
Geschichte in wüste Volksmärchen auflösen, dürfen nur negativ in gewisse Schran¬
ke» zurückgewiesen, aber uicht positiv in dem Pantheismus der Freiheit versöhnt
und befriedigt werden. Die Regierung braucht Amel-Deutsche, Auti-Magyaren,
Amel-Polen u. s. w., und wem, sie uicht da wären, so müßte man sie erfinden
und schaffen. Aber eben durch die gewaltthätige Auflösung des Reichstages wurde
die Einigung der Volker Oestreichs im Geiste und in der Wahrheit mächtig ge¬
fördert, und das theure Vermächtnis) ihrer Vertreter, der Verfassungsentwurf
eines östreichischen Bundesstaates tief in ihre Herzen geschrieben. Die Idee eines
in solcher Weise popularistrten Oestreich steht nun klar und in bestimmten Um¬
rissen vor den Augen der Völker — sie haben daran einen festen Maßstab, und
brauchen nicht erst der träumenden Willkür die Erfindung eines idealen Staates
ZU überlassen, um damit die Misere des wirklichen zusammenzuhalten. —
Seitdem sich das revolutionäre Laster erbrach, setzte sich die patriarchalische
Tugend, die zahlungsfähige Moral der lieben alten Zeit wieder zu Tisch. Der
hohe Klerus constituirte sich zu einem Concil, oder besser zu einem privilegirten
Club, um der Kirche eine „zeitgemäße" Verfassung zu octroyiren, und die alten
Stammbäume schlugen wieder lustig aus, seitdem die Axt an den Freiheitsbaum
gelegt wurde. Das hohle Salongeschwätz, welches durch die Philippika des Reichs-
^Uf eine Zeit lang unterbrochen ward, kann sich wieder frei ergehen, und je Stil-
es ans dem Forum wird, desto lauter wird es bei den Theetischcn und in den
Privatcirkcln. Die Revolution untergräbt den Frieden des Privatlebens; die Pc-
"ater sind ihr Götzen, die sie mit einem mächtigen Ruck schonungslos vom Altar
stürzt. Sie duldet weder die romantische Gcistrcichigkeit eines Königs, der den
Staat als eine Welt beherrschen mochte, die er willkürlich aus seinem genialen
^es heraus construirt har, uoch auch die noblen Gewohnheiten des Adels und
^»e kleinen Hausfreuden, die der behäbige Kleinbürger nnverkümmert genießen
Möchte. Aber alle jene Stände, an welche die Revolution ihre rücksichtslosen For¬
derungen stellt, lassen nichts unversucht, um sich dem kategorischen Imperativ der
demokratischen Tugend zu entziehen, und die weltgeschichtliche Flut des öffentlichen
Lebens wieder zur Ebbe des Privatlebens zurückzuführen. Auf dem Markte soll
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