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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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beitervereine in Baiern und ein integrirender Theil der gesammten Arbeiterver-
brüderuug von Deutschland. Wenn wir bedenken, daß die städtischen Arbeiter¬
vereine in Baiern, in Deutschland sich seit einiger Zeit zum Ziel gesetzt haben,
Arbeitervereine auf dem Lande, sogenannte Bauernvereine zu gründen, also
städtisches und ländliches Proletariat in eine einzige große Verbrüderung gegen
die Herrschaft des Capitals zu verschmelzen, so wird einleuchten, welches Gewicht
man auf den Einfluß zu legen hat, den die beiden hiesigen demokratischen Vereine
aus den Central-Arbeiterbildungsverein ausüben. Wir haben hier 12 bis 14,000
Arbeiter, unter denen viel Lernbegierde und noch mehr Entschlossenheit herrscht.

An Begeisterung und Rührigkeit fehlt es in diesem Verein nicht; aber weder
damit, noch mit der negativen Kenntniß der vorhandnen Mängel baut man den
Rechtsstaat auf. Wenn Eines der hiesigen Demokratie bei allen ihren Mängeln
Vorschub leisten kann, so sind es die zahllosen Blößen, welche die Regierung in
ihrer Politik, wie namentlich in ihrer Presse seit dem März 1848 Schlag für
Schlag gegeben hat und ferner ein gewisser limitirender Tact, welcher einem
großen Theil der bairischen Demokratie überhaupt eigen ist. Noch muß einer
sehr kleinen, aber auch sehr rührigen Partei gedacht werden, der sogenannten Li¬
beral-Konservativ en. Obwohl nur aus den Gebrüdern Rohmer, Pro¬
fessor Bluntschli (für Jurisprudenz an hiesiger Universität) und den wenigen
Freunden derselben bestehend, entwickelte diese Partei bisher durch Friedrich Roh-
mers Brochüren und Zcituugsaufsätze eine große Thätigkeit. Die jetzt eingegangene
süddeutsche politische Zeitung war ganz in ihren Händen; sie wirkt jetzt nament¬
lich in der Augsburger Abendzeitung, im Nürnberger Correspondenten und in einer
von ihr ausgehenden lithographirten Korrespondenz an die auswärtigen Blätter.
Wäre Friedrich Rohmer nicht gar so berüchtigt, so arrogant und eitel, so
würde er längst eine einflußreiche politische Stellung erlangt haben, denn an Fähigkeit
und Umsicht fehlt es ihm nicht, wie sein jüngstes Sendschreiben an's bairische
Staatsministerium für Anerkennung der Reichsve'fassuug beweist.

Lassen Sie mich nun mit einigen Worten der hiesigen Tagespresse gedenken,
so weit sie noch uicht besprochen worden. Baiern war stets in der Presse daS
rührigste Land und München ist seit dem März 1848 mit Tagesliteratur über¬
schüttet gewesen. Außer den in 20,000 Exemplaren verbreiteten illustrirten "flie¬
genden Blättern" und den in 4000 Exemplaren wirkenden illnstmten "Leuchtku¬
geln" ist neuerdings die illustvirte Zeitschrift "Lug in's Land" erschienen; Bertram
unser beliebtester Humorist, geißelt in seinem "Punsch" mit unerschöpflichen aber
überwiegend localen Humor Tagesereignisse und Personen. -- Die "neuesten
Nachrichten", die 5000 Abonnenten in München und 0000 auswärts zählen und
mit einem wahren Frachtwagen von Anzeigen und Briefränzcln versehen sind, bil¬
den den eigentlichen Saal aller Spezies der Volkötlatsche; doch haben sie auch in
Vielen Aufsätzen die Mängel der Bureaukratie-Verwaltung schonungslos an's Licht


beitervereine in Baiern und ein integrirender Theil der gesammten Arbeiterver-
brüderuug von Deutschland. Wenn wir bedenken, daß die städtischen Arbeiter¬
vereine in Baiern, in Deutschland sich seit einiger Zeit zum Ziel gesetzt haben,
Arbeitervereine auf dem Lande, sogenannte Bauernvereine zu gründen, also
städtisches und ländliches Proletariat in eine einzige große Verbrüderung gegen
die Herrschaft des Capitals zu verschmelzen, so wird einleuchten, welches Gewicht
man auf den Einfluß zu legen hat, den die beiden hiesigen demokratischen Vereine
aus den Central-Arbeiterbildungsverein ausüben. Wir haben hier 12 bis 14,000
Arbeiter, unter denen viel Lernbegierde und noch mehr Entschlossenheit herrscht.

An Begeisterung und Rührigkeit fehlt es in diesem Verein nicht; aber weder
damit, noch mit der negativen Kenntniß der vorhandnen Mängel baut man den
Rechtsstaat auf. Wenn Eines der hiesigen Demokratie bei allen ihren Mängeln
Vorschub leisten kann, so sind es die zahllosen Blößen, welche die Regierung in
ihrer Politik, wie namentlich in ihrer Presse seit dem März 1848 Schlag für
Schlag gegeben hat und ferner ein gewisser limitirender Tact, welcher einem
großen Theil der bairischen Demokratie überhaupt eigen ist. Noch muß einer
sehr kleinen, aber auch sehr rührigen Partei gedacht werden, der sogenannten Li¬
beral-Konservativ en. Obwohl nur aus den Gebrüdern Rohmer, Pro¬
fessor Bluntschli (für Jurisprudenz an hiesiger Universität) und den wenigen
Freunden derselben bestehend, entwickelte diese Partei bisher durch Friedrich Roh-
mers Brochüren und Zcituugsaufsätze eine große Thätigkeit. Die jetzt eingegangene
süddeutsche politische Zeitung war ganz in ihren Händen; sie wirkt jetzt nament¬
lich in der Augsburger Abendzeitung, im Nürnberger Correspondenten und in einer
von ihr ausgehenden lithographirten Korrespondenz an die auswärtigen Blätter.
Wäre Friedrich Rohmer nicht gar so berüchtigt, so arrogant und eitel, so
würde er längst eine einflußreiche politische Stellung erlangt haben, denn an Fähigkeit
und Umsicht fehlt es ihm nicht, wie sein jüngstes Sendschreiben an's bairische
Staatsministerium für Anerkennung der Reichsve'fassuug beweist.

Lassen Sie mich nun mit einigen Worten der hiesigen Tagespresse gedenken,
so weit sie noch uicht besprochen worden. Baiern war stets in der Presse daS
rührigste Land und München ist seit dem März 1848 mit Tagesliteratur über¬
schüttet gewesen. Außer den in 20,000 Exemplaren verbreiteten illustrirten „flie¬
genden Blättern" und den in 4000 Exemplaren wirkenden illnstmten „Leuchtku¬
geln" ist neuerdings die illustvirte Zeitschrift „Lug in's Land" erschienen; Bertram
unser beliebtester Humorist, geißelt in seinem „Punsch" mit unerschöpflichen aber
überwiegend localen Humor Tagesereignisse und Personen. — Die „neuesten
Nachrichten", die 5000 Abonnenten in München und 0000 auswärts zählen und
mit einem wahren Frachtwagen von Anzeigen und Briefränzcln versehen sind, bil¬
den den eigentlichen Saal aller Spezies der Volkötlatsche; doch haben sie auch in
Vielen Aufsätzen die Mängel der Bureaukratie-Verwaltung schonungslos an's Licht


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[0374] beitervereine in Baiern und ein integrirender Theil der gesammten Arbeiterver- brüderuug von Deutschland. Wenn wir bedenken, daß die städtischen Arbeiter¬ vereine in Baiern, in Deutschland sich seit einiger Zeit zum Ziel gesetzt haben, Arbeitervereine auf dem Lande, sogenannte Bauernvereine zu gründen, also städtisches und ländliches Proletariat in eine einzige große Verbrüderung gegen die Herrschaft des Capitals zu verschmelzen, so wird einleuchten, welches Gewicht man auf den Einfluß zu legen hat, den die beiden hiesigen demokratischen Vereine aus den Central-Arbeiterbildungsverein ausüben. Wir haben hier 12 bis 14,000 Arbeiter, unter denen viel Lernbegierde und noch mehr Entschlossenheit herrscht. An Begeisterung und Rührigkeit fehlt es in diesem Verein nicht; aber weder damit, noch mit der negativen Kenntniß der vorhandnen Mängel baut man den Rechtsstaat auf. Wenn Eines der hiesigen Demokratie bei allen ihren Mängeln Vorschub leisten kann, so sind es die zahllosen Blößen, welche die Regierung in ihrer Politik, wie namentlich in ihrer Presse seit dem März 1848 Schlag für Schlag gegeben hat und ferner ein gewisser limitirender Tact, welcher einem großen Theil der bairischen Demokratie überhaupt eigen ist. Noch muß einer sehr kleinen, aber auch sehr rührigen Partei gedacht werden, der sogenannten Li¬ beral-Konservativ en. Obwohl nur aus den Gebrüdern Rohmer, Pro¬ fessor Bluntschli (für Jurisprudenz an hiesiger Universität) und den wenigen Freunden derselben bestehend, entwickelte diese Partei bisher durch Friedrich Roh- mers Brochüren und Zcituugsaufsätze eine große Thätigkeit. Die jetzt eingegangene süddeutsche politische Zeitung war ganz in ihren Händen; sie wirkt jetzt nament¬ lich in der Augsburger Abendzeitung, im Nürnberger Correspondenten und in einer von ihr ausgehenden lithographirten Korrespondenz an die auswärtigen Blätter. Wäre Friedrich Rohmer nicht gar so berüchtigt, so arrogant und eitel, so würde er längst eine einflußreiche politische Stellung erlangt haben, denn an Fähigkeit und Umsicht fehlt es ihm nicht, wie sein jüngstes Sendschreiben an's bairische Staatsministerium für Anerkennung der Reichsve'fassuug beweist. Lassen Sie mich nun mit einigen Worten der hiesigen Tagespresse gedenken, so weit sie noch uicht besprochen worden. Baiern war stets in der Presse daS rührigste Land und München ist seit dem März 1848 mit Tagesliteratur über¬ schüttet gewesen. Außer den in 20,000 Exemplaren verbreiteten illustrirten „flie¬ genden Blättern" und den in 4000 Exemplaren wirkenden illnstmten „Leuchtku¬ geln" ist neuerdings die illustvirte Zeitschrift „Lug in's Land" erschienen; Bertram unser beliebtester Humorist, geißelt in seinem „Punsch" mit unerschöpflichen aber überwiegend localen Humor Tagesereignisse und Personen. — Die „neuesten Nachrichten", die 5000 Abonnenten in München und 0000 auswärts zählen und mit einem wahren Frachtwagen von Anzeigen und Briefränzcln versehen sind, bil¬ den den eigentlichen Saal aller Spezies der Volkötlatsche; doch haben sie auch in Vielen Aufsätzen die Mängel der Bureaukratie-Verwaltung schonungslos an's Licht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/374>, abgerufen am 15.01.2025.