Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Gegner der freien Presse und den Ministerialrath Feder, den gefälligsten In¬ Ihm stellen wir am besten einen andern Verein gegenüber, der nicht minder 47"
Gegner der freien Presse und den Ministerialrath Feder, den gefälligsten In¬ Ihm stellen wir am besten einen andern Verein gegenüber, der nicht minder 47"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0371" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278881"/> <p xml:id="ID_1154" prev="#ID_1153"> Gegner der freien Presse und den Ministerialrath Feder, den gefälligsten In¬<lb/> terpreten der Märzerrungenschaften für die Kammer durchzubringen. Alle drei<lb/> Abgeordnete waren in der kurzen Kammerthätigkeit eifrige Mitglieder der Rechten.<lb/> Kratzeisen hat wahrscheinlich im Gefühl, als Soldat bald bessere Dienste zu leisten,<lb/> denn als Abgeordneter, sein Mandat niedergelegt und wird durch einen Gleich¬<lb/> gesinnten, den zweiten Bürgermeister, v. Steirsdorff, in die Kammer ersetzt wer¬<lb/> den. Ultramontanismus, Bureaukratie und Gewerbcstand beherrschen, wie man<lb/> sieht, unseren Boden in vereinigter Wirksamkeit. Der allgemeine Gewerbeverein<lb/> hat in seiner schroffen Stellung zu den Grundrechten einen rein politischen Cha¬<lb/> rakter angenommen; er ist übrigens nicht selbstständig, da er eine namhafte Unter¬<lb/> stützung des Königs genießt, wie aus einer Dankadresse an denselben hervorgeht.<lb/> Um den Schein der Selbständigkeit gegenüber den Itttramontanen zu retten, hat<lb/> sich der allgemeine Gewerbevereiu als solcher an dem Fackelznge derselben vom<lb/> 9. Februar, der dem Könige gegen die Adresse der Kammermajorität gebracht<lb/> wurde, nicht betheiligt, auf der Adresse aber, welche die Ultramontanen gegen<lb/> die Reichsverfassung an den König gerichtet, prangte anch der Gewerbevereiu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1155" next="#ID_1156"> Ihm stellen wir am besten einen andern Verein gegenüber, der nicht minder<lb/> aus dem Leben der Nation herauswachsend dem vernunftgemäßen Fortschritt auf<lb/> der Bcchu der Volksfreiheiten huldigt. Es ist der „Volksverein zur Beförderung<lb/> der Landwirthschaft." Der Verein will die Rechte und Interessen der landwirth-<lb/> schaftlichen Bevölkerung wahre», die Landwirthschaft überhaupt, die in Baiern<lb/> leider noch auf einem kaum mittelmäßigen Standpuncte steht, heben, und alle ihr<lb/> entgegenstehenden Hemmnisse beseitigen. In rein politischer Beziehung erstrebt der<lb/> Verein: Aufrechthaltung der constitutionellen Monarchie mit einer freisinnigen,<lb/> volksthümlichen Verfassung, die Verwirklichung der Märzverheißungen, die unge¬<lb/> schmälerte Einführung der allgemeinen Grundrechte des deutsche» Volkes, so wie<lb/> die Einigung und Einigkeit des gesammten deutschen Vaterlandes; bei vollster<lb/> Erstarkung will der Verein eine ländliche Creditanstalt gründen; an der<lb/> Spitze dieser Vereinigung steht der Gutsbesitzer Chr. Reubel, die Grundsätze<lb/> und Strcbnisse derselben werden in einem höchst freisinnig und sehr volksthümlich<lb/> geschriebene» „Vereins blatt" im ganzen oberbairischen Volk in vielen tausenden<lb/> von Exemplare» verbreitet. Es scheint als werde neben diesen Verein noch ein<lb/> anderer mit eingreifenderen Tendenzen trete». Der katholische Pfarrer Max Ste¬<lb/> phan Stigelmaier zu Thanning, seit Jahren als einer der liberalsten Geist¬<lb/> lichen auch a»f dem Felde der Presse bekannt, hat auf den 29. d. M. eine große<lb/> Volksversammlung für ganz Oberbaiern »ach Thanmng ausgeschrieben, die mit<lb/> Gottesdienst beginne» soll, wozu er alle Vereine, seine sämmtlichen College» und<lb/> alle Stadt- und Dorfgemeinden eingeladen. In diesem Meeting sollten die wich¬<lb/> tigen Tagesereignisse, vor allem aber die Bildung von Landvolksvereinen<lb/> besprochen werden; es galt der Wohlfahrt der Landbewohner, der Landstädte und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 47"</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0371]
Gegner der freien Presse und den Ministerialrath Feder, den gefälligsten In¬
terpreten der Märzerrungenschaften für die Kammer durchzubringen. Alle drei
Abgeordnete waren in der kurzen Kammerthätigkeit eifrige Mitglieder der Rechten.
Kratzeisen hat wahrscheinlich im Gefühl, als Soldat bald bessere Dienste zu leisten,
denn als Abgeordneter, sein Mandat niedergelegt und wird durch einen Gleich¬
gesinnten, den zweiten Bürgermeister, v. Steirsdorff, in die Kammer ersetzt wer¬
den. Ultramontanismus, Bureaukratie und Gewerbcstand beherrschen, wie man
sieht, unseren Boden in vereinigter Wirksamkeit. Der allgemeine Gewerbeverein
hat in seiner schroffen Stellung zu den Grundrechten einen rein politischen Cha¬
rakter angenommen; er ist übrigens nicht selbstständig, da er eine namhafte Unter¬
stützung des Königs genießt, wie aus einer Dankadresse an denselben hervorgeht.
Um den Schein der Selbständigkeit gegenüber den Itttramontanen zu retten, hat
sich der allgemeine Gewerbevereiu als solcher an dem Fackelznge derselben vom
9. Februar, der dem Könige gegen die Adresse der Kammermajorität gebracht
wurde, nicht betheiligt, auf der Adresse aber, welche die Ultramontanen gegen
die Reichsverfassung an den König gerichtet, prangte anch der Gewerbevereiu.
Ihm stellen wir am besten einen andern Verein gegenüber, der nicht minder
aus dem Leben der Nation herauswachsend dem vernunftgemäßen Fortschritt auf
der Bcchu der Volksfreiheiten huldigt. Es ist der „Volksverein zur Beförderung
der Landwirthschaft." Der Verein will die Rechte und Interessen der landwirth-
schaftlichen Bevölkerung wahre», die Landwirthschaft überhaupt, die in Baiern
leider noch auf einem kaum mittelmäßigen Standpuncte steht, heben, und alle ihr
entgegenstehenden Hemmnisse beseitigen. In rein politischer Beziehung erstrebt der
Verein: Aufrechthaltung der constitutionellen Monarchie mit einer freisinnigen,
volksthümlichen Verfassung, die Verwirklichung der Märzverheißungen, die unge¬
schmälerte Einführung der allgemeinen Grundrechte des deutsche» Volkes, so wie
die Einigung und Einigkeit des gesammten deutschen Vaterlandes; bei vollster
Erstarkung will der Verein eine ländliche Creditanstalt gründen; an der
Spitze dieser Vereinigung steht der Gutsbesitzer Chr. Reubel, die Grundsätze
und Strcbnisse derselben werden in einem höchst freisinnig und sehr volksthümlich
geschriebene» „Vereins blatt" im ganzen oberbairischen Volk in vielen tausenden
von Exemplare» verbreitet. Es scheint als werde neben diesen Verein noch ein
anderer mit eingreifenderen Tendenzen trete». Der katholische Pfarrer Max Ste¬
phan Stigelmaier zu Thanning, seit Jahren als einer der liberalsten Geist¬
lichen auch a»f dem Felde der Presse bekannt, hat auf den 29. d. M. eine große
Volksversammlung für ganz Oberbaiern »ach Thanmng ausgeschrieben, die mit
Gottesdienst beginne» soll, wozu er alle Vereine, seine sämmtlichen College» und
alle Stadt- und Dorfgemeinden eingeladen. In diesem Meeting sollten die wich¬
tigen Tagesereignisse, vor allem aber die Bildung von Landvolksvereinen
besprochen werden; es galt der Wohlfahrt der Landbewohner, der Landstädte und
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