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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Die Volksvereine in München und ihre Presse.



Neben dem ultramontanen Hauptverein für konstitutionelle Monarchie und
religiöse Freiheit ist das Weißblau vom reinsten Wasser besonders organisirt in
dem "constitutionell-monarchischen Verein für Freiheit und Gesetzmäßigkeit." Der
Grundzug dieses Vereins, dessen Organ "der Reichsbote" ist, besteht in jener
gottseliger Hyperloyalilät, welcher Hof und Minister noch zu radikal erscheinen.
Die Hauptbestandteile dieses Vereins sind Bureaukraten, Advocaten, Bürger,
Kaufleute, Privatiers, Pensionärs und Lehrer von verschiedenen Schulen. Die
Advocaten Keller, Nuhwandl, k. Rath Dr. Hirncis und Dr. Graf geben die lei¬
tenden Genien ab. Der Verein ist eigentlich der schwache Epigone einer unter¬
gegangenen Bürgergröße. Der "Bürgerverein für Freiheit und Ordnung," zu
welchem die Celebritäten des Mittelstandes, aber nur die hier bürgerlich Ausässigen
gehörten. Fabrikant Härte war Vorsitzender, der Münchener Reichstagsabgeord¬
nete Ministerialrath Prof. Ilr. Hermann stand mit diesem Verein von Frankfurt
aus in Briefverkehr und Oberappellatious-Gerichtsrath Pixis hielt darin Vor-
lesungen über Geschwornengerichte. Bei aller Bildung, die im Verein vertreten
war, schwebte über ihm ein eigener Austern. Er wollte die "Freiheit," die er
als fest errungen annahm, gemüthlich im Volke vertheilen, aber die Zeit war
gar zu unruhig, es gelang ihm nicht.

Gedenken wir nun einer Corporation, die in fester Gliederung dem jungen
Freiheitsstreben hier den ersten kalten Todesstoß versetzt hat; es ist der "allge¬
meine Gewerbeverein," aus mehr als 3000 Mitgliedern bestehend. Seine Parole
lautet: Hebung des vaterländischen Gewerbfleißes, so wie Beseitigung aller Mi߬
stände in demselben. Ein stillgrollendcr Feind des Zollvereins, ohne alle Erfind-
samkeit und Genialität, mußte er natürlich den Kampf gegen die Grundrechte und
die von ihnen gepredigte Freizügigkeit und Gcwerbcconcnrrcnz mit Wuth beginnen.
Der sichere Einfluß, die feste Organisation dieses Vereins und seiner Presse konnte
nichts anders als den Ultramontanen und Bureaukraten wohlgefällig in die Augen
lachen. Selbst ohne alles Verständniß der gewerblichen Interessen, ohne tieferes
Mitgefühl bezüglich der Gefahren der Concurrenz, konnte man doch aus der
Gegnerschaft des Gewerbevereins gegen die verhaßten Grundrechte Seitens der
Geistlichkeit und des Beamtenthums die besten Früchte für sich ziehen. Der Ver¬
ein setzte bei den Landtagswahlen den Schlossermeister Wiedemann, den er¬
klärtesten Feind der Gewerbefreiheit und somit anch aller damit zusammenhängenden
freien Institutionen durch, wie es der Wirksamkeit des ultramontanen und bureau¬
kratischen Vereins gelungen war, den Oberst v. Kratzeisen, den fulminantesten


Die Volksvereine in München und ihre Presse.



Neben dem ultramontanen Hauptverein für konstitutionelle Monarchie und
religiöse Freiheit ist das Weißblau vom reinsten Wasser besonders organisirt in
dem „constitutionell-monarchischen Verein für Freiheit und Gesetzmäßigkeit." Der
Grundzug dieses Vereins, dessen Organ „der Reichsbote" ist, besteht in jener
gottseliger Hyperloyalilät, welcher Hof und Minister noch zu radikal erscheinen.
Die Hauptbestandteile dieses Vereins sind Bureaukraten, Advocaten, Bürger,
Kaufleute, Privatiers, Pensionärs und Lehrer von verschiedenen Schulen. Die
Advocaten Keller, Nuhwandl, k. Rath Dr. Hirncis und Dr. Graf geben die lei¬
tenden Genien ab. Der Verein ist eigentlich der schwache Epigone einer unter¬
gegangenen Bürgergröße. Der „Bürgerverein für Freiheit und Ordnung," zu
welchem die Celebritäten des Mittelstandes, aber nur die hier bürgerlich Ausässigen
gehörten. Fabrikant Härte war Vorsitzender, der Münchener Reichstagsabgeord¬
nete Ministerialrath Prof. Ilr. Hermann stand mit diesem Verein von Frankfurt
aus in Briefverkehr und Oberappellatious-Gerichtsrath Pixis hielt darin Vor-
lesungen über Geschwornengerichte. Bei aller Bildung, die im Verein vertreten
war, schwebte über ihm ein eigener Austern. Er wollte die „Freiheit," die er
als fest errungen annahm, gemüthlich im Volke vertheilen, aber die Zeit war
gar zu unruhig, es gelang ihm nicht.

Gedenken wir nun einer Corporation, die in fester Gliederung dem jungen
Freiheitsstreben hier den ersten kalten Todesstoß versetzt hat; es ist der „allge¬
meine Gewerbeverein," aus mehr als 3000 Mitgliedern bestehend. Seine Parole
lautet: Hebung des vaterländischen Gewerbfleißes, so wie Beseitigung aller Mi߬
stände in demselben. Ein stillgrollendcr Feind des Zollvereins, ohne alle Erfind-
samkeit und Genialität, mußte er natürlich den Kampf gegen die Grundrechte und
die von ihnen gepredigte Freizügigkeit und Gcwerbcconcnrrcnz mit Wuth beginnen.
Der sichere Einfluß, die feste Organisation dieses Vereins und seiner Presse konnte
nichts anders als den Ultramontanen und Bureaukraten wohlgefällig in die Augen
lachen. Selbst ohne alles Verständniß der gewerblichen Interessen, ohne tieferes
Mitgefühl bezüglich der Gefahren der Concurrenz, konnte man doch aus der
Gegnerschaft des Gewerbevereins gegen die verhaßten Grundrechte Seitens der
Geistlichkeit und des Beamtenthums die besten Früchte für sich ziehen. Der Ver¬
ein setzte bei den Landtagswahlen den Schlossermeister Wiedemann, den er¬
klärtesten Feind der Gewerbefreiheit und somit anch aller damit zusammenhängenden
freien Institutionen durch, wie es der Wirksamkeit des ultramontanen und bureau¬
kratischen Vereins gelungen war, den Oberst v. Kratzeisen, den fulminantesten


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[0370] Die Volksvereine in München und ihre Presse. Neben dem ultramontanen Hauptverein für konstitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit ist das Weißblau vom reinsten Wasser besonders organisirt in dem „constitutionell-monarchischen Verein für Freiheit und Gesetzmäßigkeit." Der Grundzug dieses Vereins, dessen Organ „der Reichsbote" ist, besteht in jener gottseliger Hyperloyalilät, welcher Hof und Minister noch zu radikal erscheinen. Die Hauptbestandteile dieses Vereins sind Bureaukraten, Advocaten, Bürger, Kaufleute, Privatiers, Pensionärs und Lehrer von verschiedenen Schulen. Die Advocaten Keller, Nuhwandl, k. Rath Dr. Hirncis und Dr. Graf geben die lei¬ tenden Genien ab. Der Verein ist eigentlich der schwache Epigone einer unter¬ gegangenen Bürgergröße. Der „Bürgerverein für Freiheit und Ordnung," zu welchem die Celebritäten des Mittelstandes, aber nur die hier bürgerlich Ausässigen gehörten. Fabrikant Härte war Vorsitzender, der Münchener Reichstagsabgeord¬ nete Ministerialrath Prof. Ilr. Hermann stand mit diesem Verein von Frankfurt aus in Briefverkehr und Oberappellatious-Gerichtsrath Pixis hielt darin Vor- lesungen über Geschwornengerichte. Bei aller Bildung, die im Verein vertreten war, schwebte über ihm ein eigener Austern. Er wollte die „Freiheit," die er als fest errungen annahm, gemüthlich im Volke vertheilen, aber die Zeit war gar zu unruhig, es gelang ihm nicht. Gedenken wir nun einer Corporation, die in fester Gliederung dem jungen Freiheitsstreben hier den ersten kalten Todesstoß versetzt hat; es ist der „allge¬ meine Gewerbeverein," aus mehr als 3000 Mitgliedern bestehend. Seine Parole lautet: Hebung des vaterländischen Gewerbfleißes, so wie Beseitigung aller Mi߬ stände in demselben. Ein stillgrollendcr Feind des Zollvereins, ohne alle Erfind- samkeit und Genialität, mußte er natürlich den Kampf gegen die Grundrechte und die von ihnen gepredigte Freizügigkeit und Gcwerbcconcnrrcnz mit Wuth beginnen. Der sichere Einfluß, die feste Organisation dieses Vereins und seiner Presse konnte nichts anders als den Ultramontanen und Bureaukraten wohlgefällig in die Augen lachen. Selbst ohne alles Verständniß der gewerblichen Interessen, ohne tieferes Mitgefühl bezüglich der Gefahren der Concurrenz, konnte man doch aus der Gegnerschaft des Gewerbevereins gegen die verhaßten Grundrechte Seitens der Geistlichkeit und des Beamtenthums die besten Früchte für sich ziehen. Der Ver¬ ein setzte bei den Landtagswahlen den Schlossermeister Wiedemann, den er¬ klärtesten Feind der Gewerbefreiheit und somit anch aller damit zusammenhängenden freien Institutionen durch, wie es der Wirksamkeit des ultramontanen und bureau¬ kratischen Vereins gelungen war, den Oberst v. Kratzeisen, den fulminantesten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/370>, abgerufen am 15.01.2025.