Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Preußische Briefe.



fünfzehnter Vries.
Vom N e i es.

Nachdem Preußen definitiv mit der Nationalversammlung gebrochen hatte,
war der nächste, unvermeidliche Schritt die Lossagung von der Centralgewalt.
Das eigenmächtige Verfahren in den sächsischen Wirren deutete schou darauf hin;
bei Gelegenheit der dänischen Frage spricht das Organ des Ministeriums es offen
aus. Die Reichsgewalt soll uicht mehr competent sein, mit Dänemark über den
Frieden oder auch nur über den Waffenstillstand zu unterhandeln; sie sei über¬
haupt nur denkbar im Verein mit der Nationalversammlung; nur durch die dieser
Versammlung verantwortlichen Minister könne sie regieren, mit der Auflösung der¬
selben hörten daher anch ihre eigenen Funktionen auf.

Eine Deduction, deren rechtliche Basis sehr schwach ist. Die provisorische
Centralgewalt sollte so lange bestehen, bis die Reichsverfassung eingeführt wäre. Das
ist uicht geschehen, und was die Verantwortlichkeit der Neichsministcr betrifft, so
Kehl dieselbe natürlich auf den neu zu berufenden Reichstag über. Sonst müßte
ja bei jeder Parlamentsauflösung die Regierung ihre Thätigkeit einstellen.

Am schwierigsten aber wird es zu begründen sein, wie Preußen dazu kommen
die Unterhandlungen mit Dänemark und gar den definitiven Abschluß dersel¬
ben in seiue Hand zu nehmen. Es führt den Krieg doch nicht auf eigne Hand
Und nicht allein, sondern es führt ihn im Auftrage des Reichs und mit allen
Mietern desselben gemeinsam. Wenn Preußen die Ehre hatte, den ruhmvollen
Waffenstillstand vou Malmoe abzuschließen, so geschah das im speziellen Auftrage
des Reichs. Gegenwärtig hat es aber keine Vollmacht, und wenn es dennoch einen
Separatfrieden abschließt, so sagt es sich damit nicht blos von der provisorischen
^entralgewalt los, sondern vom deutschen Bunde, dessen Functionen auf vollkom¬
men legalem Wege an den Reichsverweser übertragen worden sind.

Freilich hat Preußen die Neigung, und hat sie auch ausgesprochen, selber
^e Centralgewalt zu bilden. Es stützt diese Neigung ans die Berufung des Kö¬
nigs von Preußen zur deutschen Kaiserwürde ans Grund der von dem Parlament
^


"'izbotcn. II. 1849. 45
Preußische Briefe.



fünfzehnter Vries.
Vom N e i es.

Nachdem Preußen definitiv mit der Nationalversammlung gebrochen hatte,
war der nächste, unvermeidliche Schritt die Lossagung von der Centralgewalt.
Das eigenmächtige Verfahren in den sächsischen Wirren deutete schou darauf hin;
bei Gelegenheit der dänischen Frage spricht das Organ des Ministeriums es offen
aus. Die Reichsgewalt soll uicht mehr competent sein, mit Dänemark über den
Frieden oder auch nur über den Waffenstillstand zu unterhandeln; sie sei über¬
haupt nur denkbar im Verein mit der Nationalversammlung; nur durch die dieser
Versammlung verantwortlichen Minister könne sie regieren, mit der Auflösung der¬
selben hörten daher anch ihre eigenen Funktionen auf.

Eine Deduction, deren rechtliche Basis sehr schwach ist. Die provisorische
Centralgewalt sollte so lange bestehen, bis die Reichsverfassung eingeführt wäre. Das
ist uicht geschehen, und was die Verantwortlichkeit der Neichsministcr betrifft, so
Kehl dieselbe natürlich auf den neu zu berufenden Reichstag über. Sonst müßte
ja bei jeder Parlamentsauflösung die Regierung ihre Thätigkeit einstellen.

Am schwierigsten aber wird es zu begründen sein, wie Preußen dazu kommen
die Unterhandlungen mit Dänemark und gar den definitiven Abschluß dersel¬
ben in seiue Hand zu nehmen. Es führt den Krieg doch nicht auf eigne Hand
Und nicht allein, sondern es führt ihn im Auftrage des Reichs und mit allen
Mietern desselben gemeinsam. Wenn Preußen die Ehre hatte, den ruhmvollen
Waffenstillstand vou Malmoe abzuschließen, so geschah das im speziellen Auftrage
des Reichs. Gegenwärtig hat es aber keine Vollmacht, und wenn es dennoch einen
Separatfrieden abschließt, so sagt es sich damit nicht blos von der provisorischen
^entralgewalt los, sondern vom deutschen Bunde, dessen Functionen auf vollkom¬
men legalem Wege an den Reichsverweser übertragen worden sind.

Freilich hat Preußen die Neigung, und hat sie auch ausgesprochen, selber
^e Centralgewalt zu bilden. Es stützt diese Neigung ans die Berufung des Kö¬
nigs von Preußen zur deutschen Kaiserwürde ans Grund der von dem Parlament
^


"'izbotcn. II. 1849. 45
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278863"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Preußische Briefe.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> fünfzehnter Vries.<lb/>
Vom   N  e i es.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1084"> Nachdem Preußen definitiv mit der Nationalversammlung gebrochen hatte,<lb/>
war der nächste, unvermeidliche Schritt die Lossagung von der Centralgewalt.<lb/>
Das eigenmächtige Verfahren in den sächsischen Wirren deutete schou darauf hin;<lb/>
bei Gelegenheit der dänischen Frage spricht das Organ des Ministeriums es offen<lb/>
aus. Die Reichsgewalt soll uicht mehr competent sein, mit Dänemark über den<lb/>
Frieden oder auch nur über den Waffenstillstand zu unterhandeln; sie sei über¬<lb/>
haupt nur denkbar im Verein mit der Nationalversammlung; nur durch die dieser<lb/>
Versammlung verantwortlichen Minister könne sie regieren, mit der Auflösung der¬<lb/>
selben hörten daher anch ihre eigenen Funktionen auf.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1085"> Eine Deduction, deren rechtliche Basis sehr schwach ist. Die provisorische<lb/>
Centralgewalt sollte so lange bestehen, bis die Reichsverfassung eingeführt wäre. Das<lb/>
ist uicht geschehen, und was die Verantwortlichkeit der Neichsministcr betrifft, so<lb/>
Kehl dieselbe natürlich auf den neu zu berufenden Reichstag über. Sonst müßte<lb/>
ja bei jeder Parlamentsauflösung die Regierung ihre Thätigkeit einstellen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1086"> Am schwierigsten aber wird es zu begründen sein, wie Preußen dazu kommen<lb/>
die Unterhandlungen mit Dänemark und gar den definitiven Abschluß dersel¬<lb/>
ben in seiue Hand zu nehmen. Es führt den Krieg doch nicht auf eigne Hand<lb/>
Und nicht allein, sondern es führt ihn im Auftrage des Reichs und mit allen<lb/>
Mietern desselben gemeinsam. Wenn Preußen die Ehre hatte, den ruhmvollen<lb/>
Waffenstillstand vou Malmoe abzuschließen, so geschah das im speziellen Auftrage<lb/>
des Reichs. Gegenwärtig hat es aber keine Vollmacht, und wenn es dennoch einen<lb/>
Separatfrieden abschließt, so sagt es sich damit nicht blos von der provisorischen<lb/>
^entralgewalt los, sondern vom deutschen Bunde, dessen Functionen auf vollkom¬<lb/>
men legalem Wege an den Reichsverweser übertragen worden sind.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1087" next="#ID_1088"> Freilich hat Preußen die Neigung, und hat sie auch ausgesprochen, selber<lb/>
^e Centralgewalt zu bilden. Es stützt diese Neigung ans die Berufung des Kö¬<lb/>
nigs von Preußen zur deutschen Kaiserwürde ans Grund der von dem Parlament<lb/>
^</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> "'izbotcn. II. 1849. 45</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0353] Preußische Briefe. fünfzehnter Vries. Vom N e i es. Nachdem Preußen definitiv mit der Nationalversammlung gebrochen hatte, war der nächste, unvermeidliche Schritt die Lossagung von der Centralgewalt. Das eigenmächtige Verfahren in den sächsischen Wirren deutete schou darauf hin; bei Gelegenheit der dänischen Frage spricht das Organ des Ministeriums es offen aus. Die Reichsgewalt soll uicht mehr competent sein, mit Dänemark über den Frieden oder auch nur über den Waffenstillstand zu unterhandeln; sie sei über¬ haupt nur denkbar im Verein mit der Nationalversammlung; nur durch die dieser Versammlung verantwortlichen Minister könne sie regieren, mit der Auflösung der¬ selben hörten daher anch ihre eigenen Funktionen auf. Eine Deduction, deren rechtliche Basis sehr schwach ist. Die provisorische Centralgewalt sollte so lange bestehen, bis die Reichsverfassung eingeführt wäre. Das ist uicht geschehen, und was die Verantwortlichkeit der Neichsministcr betrifft, so Kehl dieselbe natürlich auf den neu zu berufenden Reichstag über. Sonst müßte ja bei jeder Parlamentsauflösung die Regierung ihre Thätigkeit einstellen. Am schwierigsten aber wird es zu begründen sein, wie Preußen dazu kommen die Unterhandlungen mit Dänemark und gar den definitiven Abschluß dersel¬ ben in seiue Hand zu nehmen. Es führt den Krieg doch nicht auf eigne Hand Und nicht allein, sondern es führt ihn im Auftrage des Reichs und mit allen Mietern desselben gemeinsam. Wenn Preußen die Ehre hatte, den ruhmvollen Waffenstillstand vou Malmoe abzuschließen, so geschah das im speziellen Auftrage des Reichs. Gegenwärtig hat es aber keine Vollmacht, und wenn es dennoch einen Separatfrieden abschließt, so sagt es sich damit nicht blos von der provisorischen ^entralgewalt los, sondern vom deutschen Bunde, dessen Functionen auf vollkom¬ men legalem Wege an den Reichsverweser übertragen worden sind. Freilich hat Preußen die Neigung, und hat sie auch ausgesprochen, selber ^e Centralgewalt zu bilden. Es stützt diese Neigung ans die Berufung des Kö¬ nigs von Preußen zur deutschen Kaiserwürde ans Grund der von dem Parlament ^ "'izbotcn. II. 1849. 45

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/353
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/353>, abgerufen am 15.01.2025.