Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wart zu verpflanze". Das wunderbare Costum des vielberühmte" Se. WenzelS-
corps, das keiner wirklichen Nationaltracht irgend eines bestimmten Slavenstam-
mes entlehnt ist, scheint sogar auf den Versuch hinzudeuten, den abstrakten Gat¬
tungsbegriff der Slaven zur äußern Erscheinung zu bringen. Daher kaun der
Swornoster in seinem theatralischen Auszüge und erkünstelten Barbarenthlnn recht
gut den Slaven im Allgemeinen repräsentirt haben, während der Serezaner in
seinem historischen Rothmäntel und mit dem schwerfälligen Waffcnmagazin im Gür¬
tel ohne weitere Symbolik nur sich selber bedeute" kann. - >

In Prag bemühte man sich, den geheimen Leitton des gesammten Slaven-
thums herauszufinden; wie in einer Omler" obscur-l reflectirten sich hier die
bunten Bilder des bewegten Lebens aus der ganzen Slavenwelt. Dieses rein
generelle Interesse, welches durch den wenig ausgebildeten Stammescgvismus den
verwandten Brudervölkeru gegenüber nicht getrübt wurde, machte anch das hun-
dertthürmige Prag zu der passendsten Stätte für den oftbesprochenen Slavencon-
greß; gleichsam zu einem neuen Antis, wo sich die nenverbrüdertcn Stämme der
Slaven sammeln können, um vou da vereint hinanöznsegeln auf die bewegten
Wogen der Weltgeschichte. Während Lubomiröky, BvriSkiewic, Stamatowic, Hur¬
bau u. a. deu Berathungen jenes Congresses im Name" ihrer Stämme mit den
bestimmtesten, specifischen Wünschen und Beschwerde" beiwohnten, wischten sich die
Czechen im Hintergründe die Angen aus Rührung und Frende über ihre wer¬
then Gäste, und streckten mit deklamatorischer Geste die Arme aus, um die
verbrüderte" Millionen Slaven zu umschlingen. --

Ich brauche nicht erst zu bemerken, daß man ans dem Lande die Maskenzüge
und das redouteuhafte Treiben der Hauptstadt nicht verstand. So lauge es blos für
ein Schauspiel gelten konnte, ließ man steh's recht gern gefallen, als aber die Schau¬
spieler mit der Handlung Ernst machten und die Zuschauer selbst als mithandelnde
Personen auf die Bühne ziehen wollten, da ging nur ein geringer Theil auf eine
solche Zumuthung ein. Die theatralischen Helden deö Slavencongresses konnten dem
Volke nicht als wirkliche Heroen gelten; es sah die Vorgänge in Prag nur als
bühnengerechte Darstellungen aus dem slavischen Mythenalter an, und trennte ge¬
nau die Wirklichkeit seiner Zustände und Stimmnnge" von der Bühnenhandlnng
der Aula und des Museums ab. Als daher in Prag die Jnnirevolte zum Aus-
bruche kam, und man erst nachträglich das eigentliche Volk für diese nationale
Erhebung zu gewinnen suchte, da konnten die Emissäre vo" Prag nicht an das
Nationalgefühl, soudern nur an den bäuerlichen Egoismus der Landleute sich wen¬
den; sie mußten dein Volke vorspiegeln, daß der Absolutismus der Gutsherrn
und die Robot wieder werde eingeführt werden, wenn sie sich nur einigermassen
eine Wirkung versprechen wollte". Die Nothwendigkeit einer Wiederherstellung
des großmährischen Reiches hätte das czechische Landvolk niemals begriffen, wäh¬
rend doch ein jeder gemeine Serbe für die Unabhängigkeit der Woiwodowina jetzt


wart zu verpflanze». Das wunderbare Costum des vielberühmte» Se. WenzelS-
corps, das keiner wirklichen Nationaltracht irgend eines bestimmten Slavenstam-
mes entlehnt ist, scheint sogar auf den Versuch hinzudeuten, den abstrakten Gat¬
tungsbegriff der Slaven zur äußern Erscheinung zu bringen. Daher kaun der
Swornoster in seinem theatralischen Auszüge und erkünstelten Barbarenthlnn recht
gut den Slaven im Allgemeinen repräsentirt haben, während der Serezaner in
seinem historischen Rothmäntel und mit dem schwerfälligen Waffcnmagazin im Gür¬
tel ohne weitere Symbolik nur sich selber bedeute« kann. - >

In Prag bemühte man sich, den geheimen Leitton des gesammten Slaven-
thums herauszufinden; wie in einer Omler» obscur-l reflectirten sich hier die
bunten Bilder des bewegten Lebens aus der ganzen Slavenwelt. Dieses rein
generelle Interesse, welches durch den wenig ausgebildeten Stammescgvismus den
verwandten Brudervölkeru gegenüber nicht getrübt wurde, machte anch das hun-
dertthürmige Prag zu der passendsten Stätte für den oftbesprochenen Slavencon-
greß; gleichsam zu einem neuen Antis, wo sich die nenverbrüdertcn Stämme der
Slaven sammeln können, um vou da vereint hinanöznsegeln auf die bewegten
Wogen der Weltgeschichte. Während Lubomiröky, BvriSkiewic, Stamatowic, Hur¬
bau u. a. deu Berathungen jenes Congresses im Name» ihrer Stämme mit den
bestimmtesten, specifischen Wünschen und Beschwerde» beiwohnten, wischten sich die
Czechen im Hintergründe die Angen aus Rührung und Frende über ihre wer¬
then Gäste, und streckten mit deklamatorischer Geste die Arme aus, um die
verbrüderte» Millionen Slaven zu umschlingen. —

Ich brauche nicht erst zu bemerken, daß man ans dem Lande die Maskenzüge
und das redouteuhafte Treiben der Hauptstadt nicht verstand. So lauge es blos für
ein Schauspiel gelten konnte, ließ man steh's recht gern gefallen, als aber die Schau¬
spieler mit der Handlung Ernst machten und die Zuschauer selbst als mithandelnde
Personen auf die Bühne ziehen wollten, da ging nur ein geringer Theil auf eine
solche Zumuthung ein. Die theatralischen Helden deö Slavencongresses konnten dem
Volke nicht als wirkliche Heroen gelten; es sah die Vorgänge in Prag nur als
bühnengerechte Darstellungen aus dem slavischen Mythenalter an, und trennte ge¬
nau die Wirklichkeit seiner Zustände und Stimmnnge» von der Bühnenhandlnng
der Aula und des Museums ab. Als daher in Prag die Jnnirevolte zum Aus-
bruche kam, und man erst nachträglich das eigentliche Volk für diese nationale
Erhebung zu gewinnen suchte, da konnten die Emissäre vo» Prag nicht an das
Nationalgefühl, soudern nur an den bäuerlichen Egoismus der Landleute sich wen¬
den; sie mußten dein Volke vorspiegeln, daß der Absolutismus der Gutsherrn
und die Robot wieder werde eingeführt werden, wenn sie sich nur einigermassen
eine Wirkung versprechen wollte». Die Nothwendigkeit einer Wiederherstellung
des großmährischen Reiches hätte das czechische Landvolk niemals begriffen, wäh¬
rend doch ein jeder gemeine Serbe für die Unabhängigkeit der Woiwodowina jetzt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278858"/>
            <p xml:id="ID_1066" prev="#ID_1065"> wart zu verpflanze». Das wunderbare Costum des vielberühmte» Se. WenzelS-<lb/>
corps, das keiner wirklichen Nationaltracht irgend eines bestimmten Slavenstam-<lb/>
mes entlehnt ist, scheint sogar auf den Versuch hinzudeuten, den abstrakten Gat¬<lb/>
tungsbegriff der Slaven zur äußern Erscheinung zu bringen. Daher kaun der<lb/>
Swornoster in seinem theatralischen Auszüge und erkünstelten Barbarenthlnn recht<lb/>
gut den Slaven im Allgemeinen repräsentirt haben, während der Serezaner in<lb/>
seinem historischen Rothmäntel und mit dem schwerfälligen Waffcnmagazin im Gür¬<lb/>
tel ohne weitere Symbolik nur sich selber bedeute« kann.   - &gt;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1067"> In Prag bemühte man sich, den geheimen Leitton des gesammten Slaven-<lb/>
thums herauszufinden; wie in einer Omler» obscur-l reflectirten sich hier die<lb/>
bunten Bilder des bewegten Lebens aus der ganzen Slavenwelt. Dieses rein<lb/>
generelle Interesse, welches durch den wenig ausgebildeten Stammescgvismus den<lb/>
verwandten Brudervölkeru gegenüber nicht getrübt wurde, machte anch das hun-<lb/>
dertthürmige Prag zu der passendsten Stätte für den oftbesprochenen Slavencon-<lb/>
greß; gleichsam zu einem neuen Antis, wo sich die nenverbrüdertcn Stämme der<lb/>
Slaven sammeln können, um vou da vereint hinanöznsegeln auf die bewegten<lb/>
Wogen der Weltgeschichte. Während Lubomiröky, BvriSkiewic, Stamatowic, Hur¬<lb/>
bau u. a. deu Berathungen jenes Congresses im Name» ihrer Stämme mit den<lb/>
bestimmtesten, specifischen Wünschen und Beschwerde» beiwohnten, wischten sich die<lb/>
Czechen im Hintergründe die Angen aus Rührung und Frende über ihre wer¬<lb/>
then Gäste, und streckten mit deklamatorischer Geste die Arme aus, um die<lb/>
verbrüderte» Millionen Slaven zu umschlingen. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1068" next="#ID_1069"> Ich brauche nicht erst zu bemerken, daß man ans dem Lande die Maskenzüge<lb/>
und das redouteuhafte Treiben der Hauptstadt nicht verstand. So lauge es blos für<lb/>
ein Schauspiel gelten konnte, ließ man steh's recht gern gefallen, als aber die Schau¬<lb/>
spieler mit der Handlung Ernst machten und die Zuschauer selbst als mithandelnde<lb/>
Personen auf die Bühne ziehen wollten, da ging nur ein geringer Theil auf eine<lb/>
solche Zumuthung ein. Die theatralischen Helden deö Slavencongresses konnten dem<lb/>
Volke nicht als wirkliche Heroen gelten; es sah die Vorgänge in Prag nur als<lb/>
bühnengerechte Darstellungen aus dem slavischen Mythenalter an, und trennte ge¬<lb/>
nau die Wirklichkeit seiner Zustände und Stimmnnge» von der Bühnenhandlnng<lb/>
der Aula und des Museums ab. Als daher in Prag die Jnnirevolte zum Aus-<lb/>
bruche kam, und man erst nachträglich das eigentliche Volk für diese nationale<lb/>
Erhebung zu gewinnen suchte, da konnten die Emissäre vo» Prag nicht an das<lb/>
Nationalgefühl, soudern nur an den bäuerlichen Egoismus der Landleute sich wen¬<lb/>
den; sie mußten dein Volke vorspiegeln, daß der Absolutismus der Gutsherrn<lb/>
und die Robot wieder werde eingeführt werden, wenn sie sich nur einigermassen<lb/>
eine Wirkung versprechen wollte». Die Nothwendigkeit einer Wiederherstellung<lb/>
des großmährischen Reiches hätte das czechische Landvolk niemals begriffen, wäh¬<lb/>
rend doch ein jeder gemeine Serbe für die Unabhängigkeit der Woiwodowina jetzt</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0348] wart zu verpflanze». Das wunderbare Costum des vielberühmte» Se. WenzelS- corps, das keiner wirklichen Nationaltracht irgend eines bestimmten Slavenstam- mes entlehnt ist, scheint sogar auf den Versuch hinzudeuten, den abstrakten Gat¬ tungsbegriff der Slaven zur äußern Erscheinung zu bringen. Daher kaun der Swornoster in seinem theatralischen Auszüge und erkünstelten Barbarenthlnn recht gut den Slaven im Allgemeinen repräsentirt haben, während der Serezaner in seinem historischen Rothmäntel und mit dem schwerfälligen Waffcnmagazin im Gür¬ tel ohne weitere Symbolik nur sich selber bedeute« kann. - > In Prag bemühte man sich, den geheimen Leitton des gesammten Slaven- thums herauszufinden; wie in einer Omler» obscur-l reflectirten sich hier die bunten Bilder des bewegten Lebens aus der ganzen Slavenwelt. Dieses rein generelle Interesse, welches durch den wenig ausgebildeten Stammescgvismus den verwandten Brudervölkeru gegenüber nicht getrübt wurde, machte anch das hun- dertthürmige Prag zu der passendsten Stätte für den oftbesprochenen Slavencon- greß; gleichsam zu einem neuen Antis, wo sich die nenverbrüdertcn Stämme der Slaven sammeln können, um vou da vereint hinanöznsegeln auf die bewegten Wogen der Weltgeschichte. Während Lubomiröky, BvriSkiewic, Stamatowic, Hur¬ bau u. a. deu Berathungen jenes Congresses im Name» ihrer Stämme mit den bestimmtesten, specifischen Wünschen und Beschwerde» beiwohnten, wischten sich die Czechen im Hintergründe die Angen aus Rührung und Frende über ihre wer¬ then Gäste, und streckten mit deklamatorischer Geste die Arme aus, um die verbrüderte» Millionen Slaven zu umschlingen. — Ich brauche nicht erst zu bemerken, daß man ans dem Lande die Maskenzüge und das redouteuhafte Treiben der Hauptstadt nicht verstand. So lauge es blos für ein Schauspiel gelten konnte, ließ man steh's recht gern gefallen, als aber die Schau¬ spieler mit der Handlung Ernst machten und die Zuschauer selbst als mithandelnde Personen auf die Bühne ziehen wollten, da ging nur ein geringer Theil auf eine solche Zumuthung ein. Die theatralischen Helden deö Slavencongresses konnten dem Volke nicht als wirkliche Heroen gelten; es sah die Vorgänge in Prag nur als bühnengerechte Darstellungen aus dem slavischen Mythenalter an, und trennte ge¬ nau die Wirklichkeit seiner Zustände und Stimmnnge» von der Bühnenhandlnng der Aula und des Museums ab. Als daher in Prag die Jnnirevolte zum Aus- bruche kam, und man erst nachträglich das eigentliche Volk für diese nationale Erhebung zu gewinnen suchte, da konnten die Emissäre vo» Prag nicht an das Nationalgefühl, soudern nur an den bäuerlichen Egoismus der Landleute sich wen¬ den; sie mußten dein Volke vorspiegeln, daß der Absolutismus der Gutsherrn und die Robot wieder werde eingeführt werden, wenn sie sich nur einigermassen eine Wirkung versprechen wollte». Die Nothwendigkeit einer Wiederherstellung des großmährischen Reiches hätte das czechische Landvolk niemals begriffen, wäh¬ rend doch ein jeder gemeine Serbe für die Unabhängigkeit der Woiwodowina jetzt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/348
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/348>, abgerufen am 15.01.2025.