Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.ernstliche Beschäftigung war die Sorge für sein Eigenthum. Er untersuchte Korn- Selten hatte der Landgentleman einen Schimmer der großen Welt erfaßt, *) ^ielä "portz , worunter die in England unendlich mannigfaltigen Gattungen
Text Genannten begriffen werden. ernstliche Beschäftigung war die Sorge für sein Eigenthum. Er untersuchte Korn- Selten hatte der Landgentleman einen Schimmer der großen Welt erfaßt, *) ^ielä «portz , worunter die in England unendlich mannigfaltigen Gattungen
Text Genannten begriffen werden. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278848"/> <p xml:id="ID_1036" prev="#ID_1035"> ernstliche Beschäftigung war die Sorge für sein Eigenthum. Er untersuchte Korn-<lb/> probcn, befühlte Ferkel, und an Markttagen machte er, bei einem Schoppen, sei¬<lb/> nen Handel mit Viehhändlern und Hopfenhändlern. Seine Hauptvergnügungen<lb/> flössen gemeiniglich aus Jagd und Wettkampf*) und aus einer nicht verfeinerten<lb/> Sinnlichkeit. Seine Redeweise und Aussprache war so, wie wir sie jetzt nur von<lb/> den unwissendsten Bauerburschen zu hören erwarten würden. Seine Schwüre,<lb/> groben Scherze und possenhaften Schimpfworte wurden mit dem breitesten Accent<lb/> seiner Provinz ausgesprochen. Es war leicht, an den ersten Worten, die er<lb/> sprach, zu erkennen, ob er von Somersetshire oder Aorkshire kam. Er trug wenig<lb/> Sorge, seinen Aufenthalt auszuschmücken, und wenn er eine Verzierung versuchte,<lb/> so brachte er selten etwas heraus, als eine Entstellung. Der Unrath eines Pach¬<lb/> terhofes sammelte sich uuter deu Fenstern seiner Schlafkammer, und die Kohlköpfe<lb/> und Stachelbeerbüsche wuchsen dicht an seiner Saalthüre. Sein Tisch war mit<lb/> einem Ueberfluß derber Speisen beladen, und Gäste waren herzlich willkommen<lb/> dazu. Aber da die Gewohnheit, übermäßig zu trinken, bei der Classe, zu der er<lb/> gehörte, allgemein war, und sein Vermögen ihn nicht in den Stand setzte, große<lb/> Gesellschaften täglich mit Claret oder Canariensckt zu berauschen, so war starkes<lb/> Bier das gewöhnliche Getränk. Die Masse des in jenen Tagen consnmirten Bieres<lb/> war in der That ungeheuer. Deun Bier war für die mittlern und untern Classe»<lb/> nicht blos, was es jetzt ist, sondern Alles, was jetzt Wein, Thee und gebrannte Wasser<lb/> sind. Nur in großen Häusern, oder bei großen Gelegenheiten wurden fremde<lb/> Weine auf die Tafel gesetzt. Die Damen des Hauses, deren Geschäft es gewöhn¬<lb/> lich gewesen war, das Mahl zu bereiten, entfernten sich, sobald die Speisen ver¬<lb/> zehrt waren und ließen die Gentlemen ihrem Ale und Tabak. Die derbe Fröh¬<lb/> lichkeit des Nachtisches wurde oft verlängert, bis die Schwelger unter dem Tische<lb/> lagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1037" next="#ID_1038"> Selten hatte der Landgentleman einen Schimmer der großen Welt erfaßt,<lb/> und was er davon gesehen, diente mehr, ihn zu verwirren, als seinen Verstand<lb/> zu erleuchten. Seine Ansichten über Religion, Verfassung, fremde Länder und<lb/> frühere Zeiten, nicht aus Studium, Beobachtung oder Unterredung mit erleuch¬<lb/> teten Gesellschaftern, sondern aus Ueberlieferungen geflossen, wie sie in seinein<lb/> eignen kleinen Kreise gangbar waren, waren die Ansichten eines Kindes. Gleich¬<lb/> wohl hing er an ihnen mit der Hartnäckigkeit, welche gewöhnlich bei unwissenden<lb/> Menschen gefunden wird, welche gewohnt sind, mit Schmeichelei bedient zu wer^<lb/> den. Seine Abneigungen waren zahlreich und bitter. Er haßte Franzosen un<lb/> Italiener, Schotten und Irländer, Papisten und Presbyterianer, Indcpendente»<lb/> und Baptisten, Quäker und Juden. Gegen London und die Londoner fühlte er</p><lb/> <note xml:id="FID_30" place="foot"> *) ^ielä «portz<note type="byline"/> , worunter die in England unendlich mannigfaltigen Gattungen<lb/> Text Genannten begriffen werden.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0338]
ernstliche Beschäftigung war die Sorge für sein Eigenthum. Er untersuchte Korn-
probcn, befühlte Ferkel, und an Markttagen machte er, bei einem Schoppen, sei¬
nen Handel mit Viehhändlern und Hopfenhändlern. Seine Hauptvergnügungen
flössen gemeiniglich aus Jagd und Wettkampf*) und aus einer nicht verfeinerten
Sinnlichkeit. Seine Redeweise und Aussprache war so, wie wir sie jetzt nur von
den unwissendsten Bauerburschen zu hören erwarten würden. Seine Schwüre,
groben Scherze und possenhaften Schimpfworte wurden mit dem breitesten Accent
seiner Provinz ausgesprochen. Es war leicht, an den ersten Worten, die er
sprach, zu erkennen, ob er von Somersetshire oder Aorkshire kam. Er trug wenig
Sorge, seinen Aufenthalt auszuschmücken, und wenn er eine Verzierung versuchte,
so brachte er selten etwas heraus, als eine Entstellung. Der Unrath eines Pach¬
terhofes sammelte sich uuter deu Fenstern seiner Schlafkammer, und die Kohlköpfe
und Stachelbeerbüsche wuchsen dicht an seiner Saalthüre. Sein Tisch war mit
einem Ueberfluß derber Speisen beladen, und Gäste waren herzlich willkommen
dazu. Aber da die Gewohnheit, übermäßig zu trinken, bei der Classe, zu der er
gehörte, allgemein war, und sein Vermögen ihn nicht in den Stand setzte, große
Gesellschaften täglich mit Claret oder Canariensckt zu berauschen, so war starkes
Bier das gewöhnliche Getränk. Die Masse des in jenen Tagen consnmirten Bieres
war in der That ungeheuer. Deun Bier war für die mittlern und untern Classe»
nicht blos, was es jetzt ist, sondern Alles, was jetzt Wein, Thee und gebrannte Wasser
sind. Nur in großen Häusern, oder bei großen Gelegenheiten wurden fremde
Weine auf die Tafel gesetzt. Die Damen des Hauses, deren Geschäft es gewöhn¬
lich gewesen war, das Mahl zu bereiten, entfernten sich, sobald die Speisen ver¬
zehrt waren und ließen die Gentlemen ihrem Ale und Tabak. Die derbe Fröh¬
lichkeit des Nachtisches wurde oft verlängert, bis die Schwelger unter dem Tische
lagen.
Selten hatte der Landgentleman einen Schimmer der großen Welt erfaßt,
und was er davon gesehen, diente mehr, ihn zu verwirren, als seinen Verstand
zu erleuchten. Seine Ansichten über Religion, Verfassung, fremde Länder und
frühere Zeiten, nicht aus Studium, Beobachtung oder Unterredung mit erleuch¬
teten Gesellschaftern, sondern aus Ueberlieferungen geflossen, wie sie in seinein
eignen kleinen Kreise gangbar waren, waren die Ansichten eines Kindes. Gleich¬
wohl hing er an ihnen mit der Hartnäckigkeit, welche gewöhnlich bei unwissenden
Menschen gefunden wird, welche gewohnt sind, mit Schmeichelei bedient zu wer^
den. Seine Abneigungen waren zahlreich und bitter. Er haßte Franzosen un
Italiener, Schotten und Irländer, Papisten und Presbyterianer, Indcpendente»
und Baptisten, Quäker und Juden. Gegen London und die Londoner fühlte er
*) ^ielä «portz , worunter die in England unendlich mannigfaltigen Gattungen
Text Genannten begriffen werden.
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