Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.wie es sich in den Kirchenvätern und den Scholastikern entwickelt, ein ebenso tiefsinniges Um so triumphirender blickte die Schule nach ihren Gegnern auf beiden Sei¬ Die Philosophie Hegels hat zwei Seiten; einmal die logische. "Das Ideal wie es sich in den Kirchenvätern und den Scholastikern entwickelt, ein ebenso tiefsinniges Um so triumphirender blickte die Schule nach ihren Gegnern auf beiden Sei¬ Die Philosophie Hegels hat zwei Seiten; einmal die logische. „Das Ideal <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0317" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278827"/> <p xml:id="ID_973" prev="#ID_972"> wie es sich in den Kirchenvätern und den Scholastikern entwickelt, ein ebenso tiefsinniges<lb/> als umfangreiches System von Gedanken enthalten sei, und stellte dieselben, auf<lb/> ihre logische Form zurückgeführt, und in einen innern Zusammenhang gebracht,<lb/> in zwei ziemlich starken Bänden zusammen. Man kann sagen, daß über diese Ent¬<lb/> deckung, wieviel speculativer Inhalt im Christenthum verborgen sei, Niemand mehr<lb/> überrascht und betroffen war, als die Anhänger des alten christlichen Systems.<lb/> Ans der einen Seite kam es ihnen ganz gelegen, denn ihre Gegner, welche sie<lb/> bis dahin nur der Herzlosigkeit zeihen können, wurden nun von einem hochgebil¬<lb/> deten Geist als flach und trivial dargestellt; ihr eigner Glaube war schon zu kalt,<lb/> als daß er sich an fremdem Feuer nicht gern hätten nähren mögen. Aber es wurde<lb/> ihnen auch unheimlich dabei, denn wenn sie sich bei ihren Dogmen Nichts hatten<lb/> denken können, so war das ganz in der Ordnung,, weil das Wesen der überlie¬<lb/> ferten Glaubenssätze eben darin bestehn sollte, daß sie über die menschliche Ver¬<lb/> nunft hinausgingen; daß sie aber die neuen Erläuterungen ebenso wenig verstehn<lb/> sollten, war ihnen unbequem. Ein Gott und drei Personen! das ließ sich hören,<lb/> es war eben ein Geheimniß. Aber daß dieses Geheimniß nnn das offenbare sein<lb/> sollte, daß die Identität des An-steh-seins, des Für-sich-seins und des An-und-<lb/> sür - sich - seins diese übermenschliche Offenbarung in einen menschlichen Vernnnftsatz<lb/> verwandeln sollte — die alten Herren schüttelten die Köpfe, sie konnten sich nicht<lb/> hineinfinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_974"> Um so triumphirender blickte die Schule nach ihren Gegnern auf beiden Sei¬<lb/> ten hin: nach denen, welche den Inhalt der Offenbarung nicht anerkennen wollten,<lb/> Und nach denen, die es für eine Anmaßung hielten, ihn logisch begründen zu<lb/> wollen. Sie merkten es selber nicht, daß sie durch ihre Rechtfertigung des christ¬<lb/> lichen Glaubens, daß Gott die Welt regiere, d. h. daß ans Erden Alles ver¬<lb/> nünftig zugehe, dem Wesen des christlichen Glaubens widersprächen, daß zwischen Gott<lb/> und dem Menschen, den, Reich des Guten und dem Weltlauf, eine unausfüllbare Kluft<lb/> ^ge. Sie waren, wie es den Deutschen immer gegangen ist, die am liebsten im<lb/> Reich der Ideale, im Jenseits der Speculation verweilte», zu sehr Theologen, um<lb/> den eigenen Widerspruch auch nur zu suhlen. Die eigenthümliche Methode der<lb/> vorzugsweise aus eine absolute Theodicei? ausgehenden Schule bestärkte sie in dieser<lb/> Naivität.</p><lb/> <p xml:id="ID_975" next="#ID_976"> Die Philosophie Hegels hat zwei Seiten; einmal die logische. „Das Ideal<lb/> ist wirklich/' dieser Glaubenssatz soll sich erweisen, durch eine Kritik der Begriffe<lb/> ^deal und Wirklichkeit, zu welchem Zweck eine Logik in drei Bänden geschrieben<lb/> ist, die mit dein „Sein" anfängt, dnrch die Mittelstufen des „Daseins" und der<lb/> "Existenz" zur „Wirklichkeit" übergeht und endlich an das luftige Reich der „Idee"<lb/> Klange, vou der es sich zeigt, daß sie eigentlich nichts anderes ist, als „Sein"<lb/> -'Wirklichkeit" u. s. w. in einer höhern Einheit. Die Methode dieser Dednctton<lb/> ist einfach und bekannt; die Einseitigkeit der Begriffe wird aufgehoben, indem man</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0317]
wie es sich in den Kirchenvätern und den Scholastikern entwickelt, ein ebenso tiefsinniges
als umfangreiches System von Gedanken enthalten sei, und stellte dieselben, auf
ihre logische Form zurückgeführt, und in einen innern Zusammenhang gebracht,
in zwei ziemlich starken Bänden zusammen. Man kann sagen, daß über diese Ent¬
deckung, wieviel speculativer Inhalt im Christenthum verborgen sei, Niemand mehr
überrascht und betroffen war, als die Anhänger des alten christlichen Systems.
Ans der einen Seite kam es ihnen ganz gelegen, denn ihre Gegner, welche sie
bis dahin nur der Herzlosigkeit zeihen können, wurden nun von einem hochgebil¬
deten Geist als flach und trivial dargestellt; ihr eigner Glaube war schon zu kalt,
als daß er sich an fremdem Feuer nicht gern hätten nähren mögen. Aber es wurde
ihnen auch unheimlich dabei, denn wenn sie sich bei ihren Dogmen Nichts hatten
denken können, so war das ganz in der Ordnung,, weil das Wesen der überlie¬
ferten Glaubenssätze eben darin bestehn sollte, daß sie über die menschliche Ver¬
nunft hinausgingen; daß sie aber die neuen Erläuterungen ebenso wenig verstehn
sollten, war ihnen unbequem. Ein Gott und drei Personen! das ließ sich hören,
es war eben ein Geheimniß. Aber daß dieses Geheimniß nnn das offenbare sein
sollte, daß die Identität des An-steh-seins, des Für-sich-seins und des An-und-
sür - sich - seins diese übermenschliche Offenbarung in einen menschlichen Vernnnftsatz
verwandeln sollte — die alten Herren schüttelten die Köpfe, sie konnten sich nicht
hineinfinden.
Um so triumphirender blickte die Schule nach ihren Gegnern auf beiden Sei¬
ten hin: nach denen, welche den Inhalt der Offenbarung nicht anerkennen wollten,
Und nach denen, die es für eine Anmaßung hielten, ihn logisch begründen zu
wollen. Sie merkten es selber nicht, daß sie durch ihre Rechtfertigung des christ¬
lichen Glaubens, daß Gott die Welt regiere, d. h. daß ans Erden Alles ver¬
nünftig zugehe, dem Wesen des christlichen Glaubens widersprächen, daß zwischen Gott
und dem Menschen, den, Reich des Guten und dem Weltlauf, eine unausfüllbare Kluft
^ge. Sie waren, wie es den Deutschen immer gegangen ist, die am liebsten im
Reich der Ideale, im Jenseits der Speculation verweilte», zu sehr Theologen, um
den eigenen Widerspruch auch nur zu suhlen. Die eigenthümliche Methode der
vorzugsweise aus eine absolute Theodicei? ausgehenden Schule bestärkte sie in dieser
Naivität.
Die Philosophie Hegels hat zwei Seiten; einmal die logische. „Das Ideal
ist wirklich/' dieser Glaubenssatz soll sich erweisen, durch eine Kritik der Begriffe
^deal und Wirklichkeit, zu welchem Zweck eine Logik in drei Bänden geschrieben
ist, die mit dein „Sein" anfängt, dnrch die Mittelstufen des „Daseins" und der
"Existenz" zur „Wirklichkeit" übergeht und endlich an das luftige Reich der „Idee"
Klange, vou der es sich zeigt, daß sie eigentlich nichts anderes ist, als „Sein"
-'Wirklichkeit" u. s. w. in einer höhern Einheit. Die Methode dieser Dednctton
ist einfach und bekannt; die Einseitigkeit der Begriffe wird aufgehoben, indem man
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