Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.anderes, wenn überall das ruhmvolle Preußische Heer die nulle von Dienern der Gewalt Es ist außer allem Zweifel, namentlich seit der offenbar republikanischen Jnsur- Allerdings sind auch wir der Ueberzeugung, daß eine entschiedne Unterdrückung Verlag von F. L. Hcrbig. -- Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von Frie trieb Andrä. anderes, wenn überall das ruhmvolle Preußische Heer die nulle von Dienern der Gewalt Es ist außer allem Zweifel, namentlich seit der offenbar republikanischen Jnsur- Allerdings sind auch wir der Ueberzeugung, daß eine entschiedne Unterdrückung Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von Frie trieb Andrä. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278822"/> <p xml:id="ID_959" prev="#ID_958"> anderes, wenn überall das ruhmvolle Preußische Heer die nulle von Dienern der Gewalt<lb/> spielen muß! Ist es ein Schritt zur Versöhnung, wenn in dem königlichen Armee¬<lb/> befehl sämmtliche Gegner der Regierung — wozu Männer wie Vincke gehören — als<lb/> eine Partei des ,Mdbrnchs, der Lüge, des Verraths und des Meuchelmords" bezeichnet<lb/> werden? Nicht wir haben zuerst gesagt, wer nicht mit uns ist, ist wieder uns, son¬<lb/> dern ihr. >— ^</p><lb/> <p xml:id="ID_960"> Es ist außer allem Zweifel, namentlich seit der offenbar republikanischen Jnsur-<lb/> rection in Baden, daß die Bewegung, welche ursprünglich durch das von der preußi¬<lb/> schen Regierung verletzte Rechtsgefühl des deutschen Volkes hervorgerufen wurde, in<lb/> ihrer jetzigen Wendung einer Partei in die Hände gefallen ist, welche die deutsche<lb/> Reichsverfassung nur zum Vorwand braucht. Wie wir es vorausgesagt, steht die rothe<lb/> Republik der rothen Monarchie gegenüber. Wenn nun aber, auf dieses Dilemma ge¬<lb/> stützt, die Organe der reaktionären Partei den Constitutionellen zurufen: „wer hätte<lb/> es gedacht, daß ihr in dieser Krisis von uns abfallen würdet!" so ist der Vorwurf<lb/> lächerlich. Die Vereinigung der constitutionellen und der legitimistischen Partei im<lb/> November des vorigen Jahres hatte in vorübergehenden Verhältnissen ihren Grund.<lb/> Die konstitutionellen Regierungen konnten den Ausschweifungen der Demokraten nicht kräftig<lb/> genug entgegentreten, weil sie über die Kräfte des Staats nicht frei disponirten; sie<lb/> machten daher der Gegenpartei Platz, und unterstützten dieselbe, unter der Voraus¬<lb/> setzung, daß sie durch die Zeit belehrt und wahrhaft zum constitutionellen Princip<lb/> übergegangen sei. Die preußischen Kammern haben uns eines andern belehrt; die<lb/> Kamarillen haben nichts gelernt und nichts vergessen, der Constitutionalismus ist nur<lb/> ein schlechtes Aushängeschild. Naiv genug erklärt die Deutsche Reform in demselben<lb/> Augenblick, wo sie die Constitutionellen haranguirt, die Preußischen Minister wollten<lb/> dem deutschen Volt eine liberale Verfassung geben, obgleich es völlig in ihrer Macht<lb/> läge, den alten Bundestag und was um und an ihm lag wieder herzustellen! Sie<lb/> wollten die Gnade haben! Falle nieder, ihr Völker und danket euern Wohlthätern!</p><lb/> <p xml:id="ID_961"> Allerdings sind auch wir der Ueberzeugung, daß eine entschiedne Unterdrückung<lb/> der Anarchie nur durch eine neue Koalition der beiden conservativen Parteien möglich<lb/> ist. Diese kann aber nicht darin besteh», daß wir uns von Neuem in die Arme des<lb/> Absolutismus weisen. Mögen diejenigen, welche Alles von der rothen Republik zu<lb/> fürchten haben, im letzten Augenblick sich der Nation anvertrauen. Roch steht es den<lb/> Regierungen frei, der constitutionellen Partei das Ruder zu übergeben. Geschieht<lb/> es nicht — der Bürgerkrieg ist schon da; das Endresultat ist rothe Republik oder Ab¬<lb/> solutismus. Die erste ist ein Fieber, das vorübergehn muß; die letztere aber procla-<lb/> mirt sich als einen dauernden Zustand. Die constitutionelle Partei wird nicht mit den<lb/> Demagogen aus den Barrikaden stehen, eben so wenig aber wird sie sich zu Schergen<lb/> deS absoluten Staats hergeben. Sie wird sich fester organisiren, um wie auch die<lb/> Entscheidung ausfalle, für Ordnung und Gesetz einzustehn. Stehn wir fest zusammen,<lb/> so geht die Fluth schnell über unsere Häupter weg, ohne unser Fundament zu unter¬<lb/> wühlen; und wer auch siegen mag, er wird mit uns „vereinbaren" müssen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.<lb/> Druck von Frie trieb Andrä.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0312]
anderes, wenn überall das ruhmvolle Preußische Heer die nulle von Dienern der Gewalt
spielen muß! Ist es ein Schritt zur Versöhnung, wenn in dem königlichen Armee¬
befehl sämmtliche Gegner der Regierung — wozu Männer wie Vincke gehören — als
eine Partei des ,Mdbrnchs, der Lüge, des Verraths und des Meuchelmords" bezeichnet
werden? Nicht wir haben zuerst gesagt, wer nicht mit uns ist, ist wieder uns, son¬
dern ihr. >— ^
Es ist außer allem Zweifel, namentlich seit der offenbar republikanischen Jnsur-
rection in Baden, daß die Bewegung, welche ursprünglich durch das von der preußi¬
schen Regierung verletzte Rechtsgefühl des deutschen Volkes hervorgerufen wurde, in
ihrer jetzigen Wendung einer Partei in die Hände gefallen ist, welche die deutsche
Reichsverfassung nur zum Vorwand braucht. Wie wir es vorausgesagt, steht die rothe
Republik der rothen Monarchie gegenüber. Wenn nun aber, auf dieses Dilemma ge¬
stützt, die Organe der reaktionären Partei den Constitutionellen zurufen: „wer hätte
es gedacht, daß ihr in dieser Krisis von uns abfallen würdet!" so ist der Vorwurf
lächerlich. Die Vereinigung der constitutionellen und der legitimistischen Partei im
November des vorigen Jahres hatte in vorübergehenden Verhältnissen ihren Grund.
Die konstitutionellen Regierungen konnten den Ausschweifungen der Demokraten nicht kräftig
genug entgegentreten, weil sie über die Kräfte des Staats nicht frei disponirten; sie
machten daher der Gegenpartei Platz, und unterstützten dieselbe, unter der Voraus¬
setzung, daß sie durch die Zeit belehrt und wahrhaft zum constitutionellen Princip
übergegangen sei. Die preußischen Kammern haben uns eines andern belehrt; die
Kamarillen haben nichts gelernt und nichts vergessen, der Constitutionalismus ist nur
ein schlechtes Aushängeschild. Naiv genug erklärt die Deutsche Reform in demselben
Augenblick, wo sie die Constitutionellen haranguirt, die Preußischen Minister wollten
dem deutschen Volt eine liberale Verfassung geben, obgleich es völlig in ihrer Macht
läge, den alten Bundestag und was um und an ihm lag wieder herzustellen! Sie
wollten die Gnade haben! Falle nieder, ihr Völker und danket euern Wohlthätern!
Allerdings sind auch wir der Ueberzeugung, daß eine entschiedne Unterdrückung
der Anarchie nur durch eine neue Koalition der beiden conservativen Parteien möglich
ist. Diese kann aber nicht darin besteh», daß wir uns von Neuem in die Arme des
Absolutismus weisen. Mögen diejenigen, welche Alles von der rothen Republik zu
fürchten haben, im letzten Augenblick sich der Nation anvertrauen. Roch steht es den
Regierungen frei, der constitutionellen Partei das Ruder zu übergeben. Geschieht
es nicht — der Bürgerkrieg ist schon da; das Endresultat ist rothe Republik oder Ab¬
solutismus. Die erste ist ein Fieber, das vorübergehn muß; die letztere aber procla-
mirt sich als einen dauernden Zustand. Die constitutionelle Partei wird nicht mit den
Demagogen aus den Barrikaden stehen, eben so wenig aber wird sie sich zu Schergen
deS absoluten Staats hergeben. Sie wird sich fester organisiren, um wie auch die
Entscheidung ausfalle, für Ordnung und Gesetz einzustehn. Stehn wir fest zusammen,
so geht die Fluth schnell über unsere Häupter weg, ohne unser Fundament zu unter¬
wühlen; und wer auch siegen mag, er wird mit uns „vereinbaren" müssen.
Verlag von F. L. Hcrbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
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