Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Zwar ist in diesem Codex von der Centuriat-Verfassung keine Rede, aber unsere Ueberdem wäre dadurch die Einheit des Princips in der Verfassung strenger Bekanntlich hat schon in den vormärzlichen Zeiten das Princip der sogenann- 35"
Zwar ist in diesem Codex von der Centuriat-Verfassung keine Rede, aber unsere Ueberdem wäre dadurch die Einheit des Princips in der Verfassung strenger Bekanntlich hat schon in den vormärzlichen Zeiten das Princip der sogenann- 35"
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Zwar ist in diesem Codex von der Centuriat-Verfassung keine Rede, aber unsere
bewährtesten Rechtslehrer haben es ja nachgewiesen, daß eigentlich diese Aufzeich¬
nung nur als eine principlose Unterbrechung der organische» Fortbildung des rö¬
mischen Rechts aufzufassen ist. Gesetzlich ist die Centuriat-Verfassung nie aufge¬
hoben, wenn auch das bekannte Gesetz ut quoll triliutim nlvbes Msisct, >>o>»»I»in
tvnoiet, dem Umfang ihrer politischen Functionen Abbruch gethan haben mag.
Es wäre immerhin ein Znrückgehn auf ein im wissenschaftlichen Recht Begrün¬
detes, wenn mau die Manteusselsche Verfassung durch das Statut des Servius
Tullius ameudirte.
Ueberdem wäre dadurch die Einheit des Princips in der Verfassung strenger
festgehalten. Wie es jetzt ist, wählen die' Hochbesteuerten — die beiden ersten
Tullianischen Classen — die erste Kammer ausschließlich, an den Wahlen zur zwei¬
ten haben sie nur so viel Theil, als die übrigen Classen, wenn das Ministerium
auf meinen Vorschlag eingeht, würde diese Form beibehalten, dem Inhalt nach
aber würden die Wähln: zu beiden Kammern ausschließlich der ersten Classe zu¬
kommen , was auf die Uebereinstimmung dieser beiden gesetzgebenden Körper nur
einen ersprießlichen Einfluß haben könnte. —
Bekanntlich hat schon in den vormärzlichen Zeiten das Princip der sogenann-
ten ständischen Vertretung mit dem Princip der abstrakten Kopfzahl gekämpft. Da¬
mals konnte die Partei des organischen Naturwuchses nicht lebhaft genug das
System des französischen Census verurtheilen, welches den Staat in die Hände
der dickbäuchige» Bourgeoisie gab. Damals coquettirte die Reaction mit dem
Radicalismus, und es wurde» gegenseitig Komplimente gewechselt: was der Geg¬
ner behaupte, sei zwar Blödsinn, aber es habe doch Hand und Fuß; das princip-
uud farblose ^lüfte- Nililui dagegen u. s. w. Das preussische Repräsentativsystem
hatte die wunderliche Einseitigkeit, einem einzigen Stande, dem Grundbesitzer, die
Vertretung des Volks zu übertragen; es unterschied zwischen fürstlichem, ritterli¬
chem, städtischem und bäuerlichen Grundbesitz, aber der Kaufmann, der große
Fabrikant, der Gelehrte, der Staatsbeamte war weder wählbar noch Wähler,
wenn er nicht zugleich Grundbesitzer war. Herr v. Bülow Cummcrow gab damals
das Stichwort: Vertretung der Interessen, anstatt Vertretung der Stände. Denn
die staatliche Anerkennung ständischer Unterschiede hat nur so lange Sinn, als
diese selbst bestehn; der specifische Unterschied aber zwischen dem Ritter, dem Bür¬
ger und Bauern war im Zeitalter der Aufklärung verwischt. Das Princip, sämmt¬
liche divergirende Interessen innerhalb des Staats zu einer politischen Geltung
zu bringen, hat den Anschein großer Berechtigung, wenn nnr die Möglichkeit der
Ausführung näher läge. Einmal ist es aber schwer, die Interessen zu sondern.
Nur ein Beispiel. Nichts kann mehr anseinanderlaufen, als das Interesse des
Fabrikanten und des Kaufmanns, des großen Kaufherrn und des kleinen Krämers,
des Fabrikbesitzers und des Fabrikarbeiters. Wirft man alle diese Classen zusam-
35"
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