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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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sei, das Schwert müsse entscheiden, und sie hoffe nur, die Entscheidung werde
uicht allznblutig sein -- eine Hoffnung, die bekanntlich bei der Unterdrückung des
Wiener OctoberaufstandeS Herr Welcker, der damalige Reichscommissar, gleichfalls
getheilt hatte.

Das Reichsministerium erklärt dieses Versprechen Preußens für ungesetzlich;
nur der Centralgewalt stehe es zu, über die Verwendung von Truppenthcilcn des
einen Staats in dem andern zu verfügen. In Folge dieser Erklärung rücken
preußische Truppe" in Dresden ein, um den ebeu ausgebrochenen Aufstand zu
dampfen, preußische und östreichische Truppen nähern sich der Rheinpfalz, wo
ebenfalls ein Aufstand zu Gunsten der Verfassung bevorsteht.

Was thut uuter diesen Umständen die Centralgewalt? Sie schickt auf's Neue
Commissarien an die betreffenden Punkte, deren Wirksamkeit uoch dadurch gehoben
wird, daß sich der Träger der Centralgewalt in einem Privatschreiben an den König
von Würtemberg mit dem Princip der Vereinbarung vollkommen einverstanden erklärt.

Inzwischen bekämpft der Kaiser von Oestreich mit Hilfe russischer Truppen
die ungarischen "Heiden", seine rebellischen Unterthanen.

- Die blutigen Ereignisse in Sachsen scheinen nnn derjenige Puukt zu sein, um
welchen die vollendete Contrerevolution sich crystallisiren wird. Die gesetzlichen
Mittel, die Regierung von ihrem bisherigen Wege abzuwenden, waren für den
Augenblick erschöpft. Dennoch war es, so lange die Regierung uoch durch
keinen offenen Schritt angedeutet hatte, sie wolle von der sächsischen Verfassung
abgehen, ein Verbrechen, zum Aufstand zu schreiten, um so mehr, da man zu
denselben die unreinen Elemente, vou welchen man sich bis dahin strenge geson¬
dert hatte, heraufbeschwören mußte. Durch die Einsetzung einer provisorischen
Regierung trat der Aufstand in Dresden aus allen constitutionellen Schranken;
in Leipzig schrieen die Sturmvögel der rothen Republik ihre wilde" Schaaren zu¬
sammen, bei deren Bekämpfung es sich nicht mehr um ein politisches Princip,
sondern um die letzten Fundamente der gesellschaftlichen Ordnung handelte. Es
waren zum Theil entlassene Zuchthaussträfliuge, die man auf der Barrikade einfing.
Die Stadt, deren Behörden im Anfang soweit gingen, sich für neutral zu erklä¬
ren zwischen der Regierung und der Jnsurrection, ist nun dnrch eine sehr natür¬
liche Reaction wieder im extremsten Sinne conservativ geworden.

Unter diesen Umständen bleiben der Nationalversammlung mir zwei Wege.
'Entweder stellt sie sich offen an die Spitze des Aufstandes oder sie unterhandelt mit
den Regierungen und geht im Wesentlichen auf deren Vorschläge ein. Sie wird
keinen von beiden wählen. An dem ersten hindert sie ihr gesetzlicher Sinn; sie
wußte, wie die Franzosen in Canada gegen die Engländer, die wilden Rothhäute
bewaffnen und diese Verantwortung kann sie nicht tragen. Von dem zweiten hält
sie ihr Ehrgefühl zurück. Jeder Mittelweg aber entscheidet den, Sieg der Contre-
revolution.


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sei, das Schwert müsse entscheiden, und sie hoffe nur, die Entscheidung werde
uicht allznblutig sein — eine Hoffnung, die bekanntlich bei der Unterdrückung des
Wiener OctoberaufstandeS Herr Welcker, der damalige Reichscommissar, gleichfalls
getheilt hatte.

Das Reichsministerium erklärt dieses Versprechen Preußens für ungesetzlich;
nur der Centralgewalt stehe es zu, über die Verwendung von Truppenthcilcn des
einen Staats in dem andern zu verfügen. In Folge dieser Erklärung rücken
preußische Truppe» in Dresden ein, um den ebeu ausgebrochenen Aufstand zu
dampfen, preußische und östreichische Truppen nähern sich der Rheinpfalz, wo
ebenfalls ein Aufstand zu Gunsten der Verfassung bevorsteht.

Was thut uuter diesen Umständen die Centralgewalt? Sie schickt auf's Neue
Commissarien an die betreffenden Punkte, deren Wirksamkeit uoch dadurch gehoben
wird, daß sich der Träger der Centralgewalt in einem Privatschreiben an den König
von Würtemberg mit dem Princip der Vereinbarung vollkommen einverstanden erklärt.

Inzwischen bekämpft der Kaiser von Oestreich mit Hilfe russischer Truppen
die ungarischen „Heiden", seine rebellischen Unterthanen.

- Die blutigen Ereignisse in Sachsen scheinen nnn derjenige Puukt zu sein, um
welchen die vollendete Contrerevolution sich crystallisiren wird. Die gesetzlichen
Mittel, die Regierung von ihrem bisherigen Wege abzuwenden, waren für den
Augenblick erschöpft. Dennoch war es, so lange die Regierung uoch durch
keinen offenen Schritt angedeutet hatte, sie wolle von der sächsischen Verfassung
abgehen, ein Verbrechen, zum Aufstand zu schreiten, um so mehr, da man zu
denselben die unreinen Elemente, vou welchen man sich bis dahin strenge geson¬
dert hatte, heraufbeschwören mußte. Durch die Einsetzung einer provisorischen
Regierung trat der Aufstand in Dresden aus allen constitutionellen Schranken;
in Leipzig schrieen die Sturmvögel der rothen Republik ihre wilde» Schaaren zu¬
sammen, bei deren Bekämpfung es sich nicht mehr um ein politisches Princip,
sondern um die letzten Fundamente der gesellschaftlichen Ordnung handelte. Es
waren zum Theil entlassene Zuchthaussträfliuge, die man auf der Barrikade einfing.
Die Stadt, deren Behörden im Anfang soweit gingen, sich für neutral zu erklä¬
ren zwischen der Regierung und der Jnsurrection, ist nun dnrch eine sehr natür¬
liche Reaction wieder im extremsten Sinne conservativ geworden.

Unter diesen Umständen bleiben der Nationalversammlung mir zwei Wege.
'Entweder stellt sie sich offen an die Spitze des Aufstandes oder sie unterhandelt mit
den Regierungen und geht im Wesentlichen auf deren Vorschläge ein. Sie wird
keinen von beiden wählen. An dem ersten hindert sie ihr gesetzlicher Sinn; sie
wußte, wie die Franzosen in Canada gegen die Engländer, die wilden Rothhäute
bewaffnen und diese Verantwortung kann sie nicht tragen. Von dem zweiten hält
sie ihr Ehrgefühl zurück. Jeder Mittelweg aber entscheidet den, Sieg der Contre-
revolution.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/265>, abgerufen am 15.01.2025.