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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Partei laufen auf die Glorie des strengsten Katholicismus und die Wahrung der
alten Hausinteressen und der "us sie gestützten Cat'inetspolitik hinaus: doch ist
diese Partei eben so entfernt von dem professorlicheu Paubavarismus der preußi¬
schen Ankömmlinge (Görres, Philipps), als von dem geistlichen ultramontanen Ueber-
schuappen, das nur in Folge totaler Unkenntniß der schlauen östreichischen Welt-
lichkeitspolitik von dem katholischen Nachbarlande alles Heil erwartet, in ihm nö¬
tigenfalls aufzugehen bereit scheint. Die ultramontane Hospartei weiß sehr
wohl, was der uralte Volksspruch bedeutet: "Lieber bairisch sterben, als östreichisch
verderben."

Man hat in dem Umstände, daß das Wohl Baierns in dem kritischen Wende¬
punkte deutscher Interessen in die Hand des Protestanten Dr. Ludwig von der
Pfordten gelegt worden, den Sieg eiuer "protestantischen Hofpartei" sehen wollen.
Das-ist ein Irrthum. Die Zahl bairischer Staatsmänner ist nicht sehr groß.
Ein Ministeriuni Abel, ganz abgesehen von dessen jüngster parlamentarischer Nie¬
derlage in der Volkskammer und der Abfertigung seiner Unschuld durch Maurers
Eröffnungen, würde wie jedes andere ultramontane Cabinet die Mehrheit des Landes,
auch die Kammer gegen sich haben, könnte also mit konstitutionellem Gewissen gar
nicht verwalten, würde sich auch von der tiesgrollenden Geistlichkeit gedrängt, mit
unzeitigen Maßregeln überstürzen, ein deutsch gesinntes Ministerium vou dem
schwachen Willen Lerchenfeldö an bis hinauf zu voller Wahrheitehrlichkeit des
würtembergischen Römer will der König so wenig als der Hof; also bliebe noch
Ludwig von O ettinge n-W a l lerstein, der fürstliche Literat, der Großdeutsche,
der aber einst ans einer Volksversammlung in Nördlingen gesprochen und deshalb
creditlos am Hose ist, ferner auf Seiten der verfassunggebenden Nationalversammlung
steht und im Stillen wie man weiß, einen gefährlichen Groll hegt. Also war
von der Pfordten der einzige Mann, dem man vertrauen durfte. Bewährt
durch seinen Widerstand gegen Frankfurt im Reiche der Diplomatie, war er auch
durch die Gloriale des Altliberismns, durch reinen Privatcharakter und den festen
Willen, ein bairisch-constitutionelles Eben aufzurichten, gewissen Kreisen empfohlen. Er
soll hocherfreut gewesen sein, Baiern noch zu rechter Zeit als eine tvrra inde^r-t zu
finden und gelobt haben, das schöne Vaterland vor der preußischen Scylla und
der östreichischen Charybdis gleich entschieden sicher zu stellen. Da war er ja also
ganz der Mann nach dem Herzen des Hofes und der Bureaukratie; diesen Regio¬
nen ist es ohnehin nicht wünschenswert!) einem Manne des Volkes das
Staatswohl in die Hände zu geben.

Es gibt aber auch einepreußisch-kaiserliche Hofpartei mit den Idealen
eines geistig großen, materiell hochblühenden und militärisch unüberwindlich einigen
Deutschlands. Was die hellsten Köpfe, die bravsten Herzen in Preußen, in ganz
Deutschland von jeher erstrebt, das will auch sie, unaufhaltsamen Fortschritt in
allen geistigen und materiellen Interessen, sie hält die Verwirklichung dieser Ideale


Partei laufen auf die Glorie des strengsten Katholicismus und die Wahrung der
alten Hausinteressen und der «us sie gestützten Cat'inetspolitik hinaus: doch ist
diese Partei eben so entfernt von dem professorlicheu Paubavarismus der preußi¬
schen Ankömmlinge (Görres, Philipps), als von dem geistlichen ultramontanen Ueber-
schuappen, das nur in Folge totaler Unkenntniß der schlauen östreichischen Welt-
lichkeitspolitik von dem katholischen Nachbarlande alles Heil erwartet, in ihm nö¬
tigenfalls aufzugehen bereit scheint. Die ultramontane Hospartei weiß sehr
wohl, was der uralte Volksspruch bedeutet: „Lieber bairisch sterben, als östreichisch
verderben."

Man hat in dem Umstände, daß das Wohl Baierns in dem kritischen Wende¬
punkte deutscher Interessen in die Hand des Protestanten Dr. Ludwig von der
Pfordten gelegt worden, den Sieg eiuer „protestantischen Hofpartei" sehen wollen.
Das-ist ein Irrthum. Die Zahl bairischer Staatsmänner ist nicht sehr groß.
Ein Ministeriuni Abel, ganz abgesehen von dessen jüngster parlamentarischer Nie¬
derlage in der Volkskammer und der Abfertigung seiner Unschuld durch Maurers
Eröffnungen, würde wie jedes andere ultramontane Cabinet die Mehrheit des Landes,
auch die Kammer gegen sich haben, könnte also mit konstitutionellem Gewissen gar
nicht verwalten, würde sich auch von der tiesgrollenden Geistlichkeit gedrängt, mit
unzeitigen Maßregeln überstürzen, ein deutsch gesinntes Ministerium vou dem
schwachen Willen Lerchenfeldö an bis hinauf zu voller Wahrheitehrlichkeit des
würtembergischen Römer will der König so wenig als der Hof; also bliebe noch
Ludwig von O ettinge n-W a l lerstein, der fürstliche Literat, der Großdeutsche,
der aber einst ans einer Volksversammlung in Nördlingen gesprochen und deshalb
creditlos am Hose ist, ferner auf Seiten der verfassunggebenden Nationalversammlung
steht und im Stillen wie man weiß, einen gefährlichen Groll hegt. Also war
von der Pfordten der einzige Mann, dem man vertrauen durfte. Bewährt
durch seinen Widerstand gegen Frankfurt im Reiche der Diplomatie, war er auch
durch die Gloriale des Altliberismns, durch reinen Privatcharakter und den festen
Willen, ein bairisch-constitutionelles Eben aufzurichten, gewissen Kreisen empfohlen. Er
soll hocherfreut gewesen sein, Baiern noch zu rechter Zeit als eine tvrra inde^r-t zu
finden und gelobt haben, das schöne Vaterland vor der preußischen Scylla und
der östreichischen Charybdis gleich entschieden sicher zu stellen. Da war er ja also
ganz der Mann nach dem Herzen des Hofes und der Bureaukratie; diesen Regio¬
nen ist es ohnehin nicht wünschenswert!) einem Manne des Volkes das
Staatswohl in die Hände zu geben.

Es gibt aber auch einepreußisch-kaiserliche Hofpartei mit den Idealen
eines geistig großen, materiell hochblühenden und militärisch unüberwindlich einigen
Deutschlands. Was die hellsten Köpfe, die bravsten Herzen in Preußen, in ganz
Deutschland von jeher erstrebt, das will auch sie, unaufhaltsamen Fortschritt in
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[0250] Partei laufen auf die Glorie des strengsten Katholicismus und die Wahrung der alten Hausinteressen und der «us sie gestützten Cat'inetspolitik hinaus: doch ist diese Partei eben so entfernt von dem professorlicheu Paubavarismus der preußi¬ schen Ankömmlinge (Görres, Philipps), als von dem geistlichen ultramontanen Ueber- schuappen, das nur in Folge totaler Unkenntniß der schlauen östreichischen Welt- lichkeitspolitik von dem katholischen Nachbarlande alles Heil erwartet, in ihm nö¬ tigenfalls aufzugehen bereit scheint. Die ultramontane Hospartei weiß sehr wohl, was der uralte Volksspruch bedeutet: „Lieber bairisch sterben, als östreichisch verderben." Man hat in dem Umstände, daß das Wohl Baierns in dem kritischen Wende¬ punkte deutscher Interessen in die Hand des Protestanten Dr. Ludwig von der Pfordten gelegt worden, den Sieg eiuer „protestantischen Hofpartei" sehen wollen. Das-ist ein Irrthum. Die Zahl bairischer Staatsmänner ist nicht sehr groß. Ein Ministeriuni Abel, ganz abgesehen von dessen jüngster parlamentarischer Nie¬ derlage in der Volkskammer und der Abfertigung seiner Unschuld durch Maurers Eröffnungen, würde wie jedes andere ultramontane Cabinet die Mehrheit des Landes, auch die Kammer gegen sich haben, könnte also mit konstitutionellem Gewissen gar nicht verwalten, würde sich auch von der tiesgrollenden Geistlichkeit gedrängt, mit unzeitigen Maßregeln überstürzen, ein deutsch gesinntes Ministerium vou dem schwachen Willen Lerchenfeldö an bis hinauf zu voller Wahrheitehrlichkeit des würtembergischen Römer will der König so wenig als der Hof; also bliebe noch Ludwig von O ettinge n-W a l lerstein, der fürstliche Literat, der Großdeutsche, der aber einst ans einer Volksversammlung in Nördlingen gesprochen und deshalb creditlos am Hose ist, ferner auf Seiten der verfassunggebenden Nationalversammlung steht und im Stillen wie man weiß, einen gefährlichen Groll hegt. Also war von der Pfordten der einzige Mann, dem man vertrauen durfte. Bewährt durch seinen Widerstand gegen Frankfurt im Reiche der Diplomatie, war er auch durch die Gloriale des Altliberismns, durch reinen Privatcharakter und den festen Willen, ein bairisch-constitutionelles Eben aufzurichten, gewissen Kreisen empfohlen. Er soll hocherfreut gewesen sein, Baiern noch zu rechter Zeit als eine tvrra inde^r-t zu finden und gelobt haben, das schöne Vaterland vor der preußischen Scylla und der östreichischen Charybdis gleich entschieden sicher zu stellen. Da war er ja also ganz der Mann nach dem Herzen des Hofes und der Bureaukratie; diesen Regio¬ nen ist es ohnehin nicht wünschenswert!) einem Manne des Volkes das Staatswohl in die Hände zu geben. Es gibt aber auch einepreußisch-kaiserliche Hofpartei mit den Idealen eines geistig großen, materiell hochblühenden und militärisch unüberwindlich einigen Deutschlands. Was die hellsten Köpfe, die bravsten Herzen in Preußen, in ganz Deutschland von jeher erstrebt, das will auch sie, unaufhaltsamen Fortschritt in allen geistigen und materiellen Interessen, sie hält die Verwirklichung dieser Ideale

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/250>, abgerufen am 15.01.2025.