Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

deutsche Kaiserfrage von ihrem demokratischen Standpunkte aus ausbeutete, aber
es war gewiß sehr lehrreich, daß die offizielle und ultramontane Presse, die Augs¬
burger Postzeitung an der Spitze, den neuen Kaiser so lange mit wahrhaft cyni-
schen Hohn und Spott übergössen, als sie in ihrer blinden Leidenschaft annahm,
der König Friedrich Wilhelm IV. könne die Ankunft der Kaiserkrone kaum erwar¬
ten, er werde ihr wohl noch entgegenreifen. Als aber des Königs Antwort an
die Kaiserboten dieser Presse als Ablehnung erschien, stand der preußische König
plötzlich vor ihnen als ein Charakter, mit welchem Ehrennamen die sacrosancte
Presse nun auch unsern Premier Dr. Ludwig v. d. Pfordten geschmückt hat.

Ein Dr. Friedrich Beck hatte im "Neichsboten," einem schwachen Contingent
der loyalen NegierungSpresse, mit großer Salbung den Schaudertag des 28. März
besungen und es dem deutschen Volke verkündet, es werde demnach dem Parla¬
mente nicht gelingen, das große einige Deutschland zu spalten.

Fragen Sie nach wahren, aufrichtigen Volkssympathien für Preußen, so find
solche wohl in keinen der acht bairischen Kreise vorhanden, wenn sie eine kleine
Schaar eifriger Protestanten aufnehmen, die in Preußen einseitig den Hort des
confessionellen Protestantismus sehen, während doch gerade in Preußen wenigstens
von Seiten der gebildeteren Volkskreise der Protestantismus von einer höheren
Warte als der schmalen Zinne der Konfession aus aufgefaßt wird "ud andererseits
gerade dort die katholische Kirche durch den edlen Charakter und die tiefe Gelehr¬
samkeit ihrer Priester wie durch deu festen Zusammenhalt ihrer Laien eine wahr¬
haft respektable Stellung behauptet. Die Mittelfränkische Zeitung brachte zwar
im verflossenen Winter in einem länger" Aufsatz so etwas von Hinneigung der
Ansbacher nud Baireuther zu Preußen; allein es ist spurlos verhallt. Dagegen
iGt sich mit Bestimmtheit behaupten, daß hätte Preußen seit 1848 eine bestimmte,
offene, beharrliche volksthümlich deutsche Politik eingeschlagen, die Mehrheit der
Bevölkerung Baierns wie ein Mann zu ihr gestanden wäre. Man ist der mit¬
telalterlichen Politik der eigenen Regierung, der bureaukratischen und geistlichen
Bevormundung etwa mit Ausnahme der Mehrheit von Oberbaiern im ganzen
übrigen Lande herzlich müde und sehnt sich nach freieren Wettlauf mit dem übrigen
Deutschland in allen geistigen und materiellen Interessen. Der Ultramontanismus
i>n vulgären Sinne ist Allen bekannt, nicht so die ultra montane Tory-
pcirtei am Hofe, geleitet durch die Prinzessin Luitpold, geborene Erzherzogin
Auguste von Oestreich, großherzogliche Prinzessin von Toscana, einen hochkatho-
Aschen, politisch wie dynastisch ganz entschiedenem Franencharakter, welcher den
Einflüssen der geistvollen Sophie, der Mutter des jugendlichen Kaisers von Oest¬
reich so weit sehr nahe steht, als es das bairische Hausinteresse zuläßt.
Der reiche Graf Arco-Valley gibt von hier aus die Parole und die Inspira¬
tionen an die cui und tlo-"" nimm-um ^enim" im Staate und die rothen Schaa-
ren des Ultramontanismus draußen im Volke. Die Hanptstrebnisse dieser Hos-


Grenzbotcn. II. Z2

deutsche Kaiserfrage von ihrem demokratischen Standpunkte aus ausbeutete, aber
es war gewiß sehr lehrreich, daß die offizielle und ultramontane Presse, die Augs¬
burger Postzeitung an der Spitze, den neuen Kaiser so lange mit wahrhaft cyni-
schen Hohn und Spott übergössen, als sie in ihrer blinden Leidenschaft annahm,
der König Friedrich Wilhelm IV. könne die Ankunft der Kaiserkrone kaum erwar¬
ten, er werde ihr wohl noch entgegenreifen. Als aber des Königs Antwort an
die Kaiserboten dieser Presse als Ablehnung erschien, stand der preußische König
plötzlich vor ihnen als ein Charakter, mit welchem Ehrennamen die sacrosancte
Presse nun auch unsern Premier Dr. Ludwig v. d. Pfordten geschmückt hat.

Ein Dr. Friedrich Beck hatte im „Neichsboten," einem schwachen Contingent
der loyalen NegierungSpresse, mit großer Salbung den Schaudertag des 28. März
besungen und es dem deutschen Volke verkündet, es werde demnach dem Parla¬
mente nicht gelingen, das große einige Deutschland zu spalten.

Fragen Sie nach wahren, aufrichtigen Volkssympathien für Preußen, so find
solche wohl in keinen der acht bairischen Kreise vorhanden, wenn sie eine kleine
Schaar eifriger Protestanten aufnehmen, die in Preußen einseitig den Hort des
confessionellen Protestantismus sehen, während doch gerade in Preußen wenigstens
von Seiten der gebildeteren Volkskreise der Protestantismus von einer höheren
Warte als der schmalen Zinne der Konfession aus aufgefaßt wird »ud andererseits
gerade dort die katholische Kirche durch den edlen Charakter und die tiefe Gelehr¬
samkeit ihrer Priester wie durch deu festen Zusammenhalt ihrer Laien eine wahr¬
haft respektable Stellung behauptet. Die Mittelfränkische Zeitung brachte zwar
im verflossenen Winter in einem länger» Aufsatz so etwas von Hinneigung der
Ansbacher nud Baireuther zu Preußen; allein es ist spurlos verhallt. Dagegen
iGt sich mit Bestimmtheit behaupten, daß hätte Preußen seit 1848 eine bestimmte,
offene, beharrliche volksthümlich deutsche Politik eingeschlagen, die Mehrheit der
Bevölkerung Baierns wie ein Mann zu ihr gestanden wäre. Man ist der mit¬
telalterlichen Politik der eigenen Regierung, der bureaukratischen und geistlichen
Bevormundung etwa mit Ausnahme der Mehrheit von Oberbaiern im ganzen
übrigen Lande herzlich müde und sehnt sich nach freieren Wettlauf mit dem übrigen
Deutschland in allen geistigen und materiellen Interessen. Der Ultramontanismus
i>n vulgären Sinne ist Allen bekannt, nicht so die ultra montane Tory-
pcirtei am Hofe, geleitet durch die Prinzessin Luitpold, geborene Erzherzogin
Auguste von Oestreich, großherzogliche Prinzessin von Toscana, einen hochkatho-
Aschen, politisch wie dynastisch ganz entschiedenem Franencharakter, welcher den
Einflüssen der geistvollen Sophie, der Mutter des jugendlichen Kaisers von Oest¬
reich so weit sehr nahe steht, als es das bairische Hausinteresse zuläßt.
Der reiche Graf Arco-Valley gibt von hier aus die Parole und die Inspira¬
tionen an die cui und tlo-»« nimm-um ^enim» im Staate und die rothen Schaa-
ren des Ultramontanismus draußen im Volke. Die Hanptstrebnisse dieser Hos-


Grenzbotcn. II. Z2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0249" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278759"/>
          <p xml:id="ID_780" prev="#ID_779"> deutsche Kaiserfrage von ihrem demokratischen Standpunkte aus ausbeutete, aber<lb/>
es war gewiß sehr lehrreich, daß die offizielle und ultramontane Presse, die Augs¬<lb/>
burger Postzeitung an der Spitze, den neuen Kaiser so lange mit wahrhaft cyni-<lb/>
schen Hohn und Spott übergössen, als sie in ihrer blinden Leidenschaft annahm,<lb/>
der König Friedrich Wilhelm IV. könne die Ankunft der Kaiserkrone kaum erwar¬<lb/>
ten, er werde ihr wohl noch entgegenreifen. Als aber des Königs Antwort an<lb/>
die Kaiserboten dieser Presse als Ablehnung erschien, stand der preußische König<lb/>
plötzlich vor ihnen als ein Charakter, mit welchem Ehrennamen die sacrosancte<lb/>
Presse nun auch unsern Premier Dr. Ludwig v. d. Pfordten geschmückt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_781"> Ein Dr. Friedrich Beck hatte im &#x201E;Neichsboten," einem schwachen Contingent<lb/>
der loyalen NegierungSpresse, mit großer Salbung den Schaudertag des 28. März<lb/>
besungen und es dem deutschen Volke verkündet, es werde demnach dem Parla¬<lb/>
mente nicht gelingen, das große einige Deutschland zu spalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_782" next="#ID_783"> Fragen Sie nach wahren, aufrichtigen Volkssympathien für Preußen, so find<lb/>
solche wohl in keinen der acht bairischen Kreise vorhanden, wenn sie eine kleine<lb/>
Schaar eifriger Protestanten aufnehmen, die in Preußen einseitig den Hort des<lb/>
confessionellen Protestantismus sehen, während doch gerade in Preußen wenigstens<lb/>
von Seiten der gebildeteren Volkskreise der Protestantismus von einer höheren<lb/>
Warte als der schmalen Zinne der Konfession aus aufgefaßt wird »ud andererseits<lb/>
gerade dort die katholische Kirche durch den edlen Charakter und die tiefe Gelehr¬<lb/>
samkeit ihrer Priester wie durch deu festen Zusammenhalt ihrer Laien eine wahr¬<lb/>
haft respektable Stellung behauptet. Die Mittelfränkische Zeitung brachte zwar<lb/>
im verflossenen Winter in einem länger» Aufsatz so etwas von Hinneigung der<lb/>
Ansbacher nud Baireuther zu Preußen; allein es ist spurlos verhallt. Dagegen<lb/>
iGt sich mit Bestimmtheit behaupten, daß hätte Preußen seit 1848 eine bestimmte,<lb/>
offene, beharrliche volksthümlich deutsche Politik eingeschlagen, die Mehrheit der<lb/>
Bevölkerung Baierns wie ein Mann zu ihr gestanden wäre. Man ist der mit¬<lb/>
telalterlichen Politik der eigenen Regierung, der bureaukratischen und geistlichen<lb/>
Bevormundung etwa mit Ausnahme der Mehrheit von Oberbaiern im ganzen<lb/>
übrigen Lande herzlich müde und sehnt sich nach freieren Wettlauf mit dem übrigen<lb/>
Deutschland in allen geistigen und materiellen Interessen. Der Ultramontanismus<lb/>
i&gt;n vulgären Sinne ist Allen bekannt, nicht so die ultra montane Tory-<lb/>
pcirtei am Hofe, geleitet durch die Prinzessin Luitpold, geborene Erzherzogin<lb/>
Auguste von Oestreich, großherzogliche Prinzessin von Toscana, einen hochkatho-<lb/>
Aschen, politisch wie dynastisch ganz entschiedenem Franencharakter, welcher den<lb/>
Einflüssen der geistvollen Sophie, der Mutter des jugendlichen Kaisers von Oest¬<lb/>
reich so weit sehr nahe steht, als es das bairische Hausinteresse zuläßt.<lb/>
Der reiche Graf Arco-Valley gibt von hier aus die Parole und die Inspira¬<lb/>
tionen an die cui und tlo-»« nimm-um ^enim» im Staate und die rothen Schaa-<lb/>
ren des Ultramontanismus draußen im Volke. Die Hanptstrebnisse dieser Hos-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotcn. II. Z2</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0249] deutsche Kaiserfrage von ihrem demokratischen Standpunkte aus ausbeutete, aber es war gewiß sehr lehrreich, daß die offizielle und ultramontane Presse, die Augs¬ burger Postzeitung an der Spitze, den neuen Kaiser so lange mit wahrhaft cyni- schen Hohn und Spott übergössen, als sie in ihrer blinden Leidenschaft annahm, der König Friedrich Wilhelm IV. könne die Ankunft der Kaiserkrone kaum erwar¬ ten, er werde ihr wohl noch entgegenreifen. Als aber des Königs Antwort an die Kaiserboten dieser Presse als Ablehnung erschien, stand der preußische König plötzlich vor ihnen als ein Charakter, mit welchem Ehrennamen die sacrosancte Presse nun auch unsern Premier Dr. Ludwig v. d. Pfordten geschmückt hat. Ein Dr. Friedrich Beck hatte im „Neichsboten," einem schwachen Contingent der loyalen NegierungSpresse, mit großer Salbung den Schaudertag des 28. März besungen und es dem deutschen Volke verkündet, es werde demnach dem Parla¬ mente nicht gelingen, das große einige Deutschland zu spalten. Fragen Sie nach wahren, aufrichtigen Volkssympathien für Preußen, so find solche wohl in keinen der acht bairischen Kreise vorhanden, wenn sie eine kleine Schaar eifriger Protestanten aufnehmen, die in Preußen einseitig den Hort des confessionellen Protestantismus sehen, während doch gerade in Preußen wenigstens von Seiten der gebildeteren Volkskreise der Protestantismus von einer höheren Warte als der schmalen Zinne der Konfession aus aufgefaßt wird »ud andererseits gerade dort die katholische Kirche durch den edlen Charakter und die tiefe Gelehr¬ samkeit ihrer Priester wie durch deu festen Zusammenhalt ihrer Laien eine wahr¬ haft respektable Stellung behauptet. Die Mittelfränkische Zeitung brachte zwar im verflossenen Winter in einem länger» Aufsatz so etwas von Hinneigung der Ansbacher nud Baireuther zu Preußen; allein es ist spurlos verhallt. Dagegen iGt sich mit Bestimmtheit behaupten, daß hätte Preußen seit 1848 eine bestimmte, offene, beharrliche volksthümlich deutsche Politik eingeschlagen, die Mehrheit der Bevölkerung Baierns wie ein Mann zu ihr gestanden wäre. Man ist der mit¬ telalterlichen Politik der eigenen Regierung, der bureaukratischen und geistlichen Bevormundung etwa mit Ausnahme der Mehrheit von Oberbaiern im ganzen übrigen Lande herzlich müde und sehnt sich nach freieren Wettlauf mit dem übrigen Deutschland in allen geistigen und materiellen Interessen. Der Ultramontanismus i>n vulgären Sinne ist Allen bekannt, nicht so die ultra montane Tory- pcirtei am Hofe, geleitet durch die Prinzessin Luitpold, geborene Erzherzogin Auguste von Oestreich, großherzogliche Prinzessin von Toscana, einen hochkatho- Aschen, politisch wie dynastisch ganz entschiedenem Franencharakter, welcher den Einflüssen der geistvollen Sophie, der Mutter des jugendlichen Kaisers von Oest¬ reich so weit sehr nahe steht, als es das bairische Hausinteresse zuläßt. Der reiche Graf Arco-Valley gibt von hier aus die Parole und die Inspira¬ tionen an die cui und tlo-»« nimm-um ^enim» im Staate und die rothen Schaa- ren des Ultramontanismus draußen im Volke. Die Hanptstrebnisse dieser Hos- Grenzbotcn. II. Z2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/249
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/249>, abgerufen am 15.01.2025.