Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.ausgehn, in Erwägung gezogen und für diesen Fall eine neue Auflösung in Aus¬ Wir wollen zunächst jene beiden Fälle ins Auge fassen. Der erste ist ganz Der zweite Punkt, in welchem die Negierung eine Überschreitung der stän¬ 30*
ausgehn, in Erwägung gezogen und für diesen Fall eine neue Auflösung in Aus¬ Wir wollen zunächst jene beiden Fälle ins Auge fassen. Der erste ist ganz Der zweite Punkt, in welchem die Negierung eine Überschreitung der stän¬ 30*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0235" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278745"/> <p xml:id="ID_735" prev="#ID_734"> ausgehn, in Erwägung gezogen und für diesen Fall eine neue Auflösung in Aus¬<lb/> sicht gestellt hat, und so in'S Unendliche fort.</p><lb/> <p xml:id="ID_736"> Wir wollen zunächst jene beiden Fälle ins Auge fassen. Der erste ist ganz<lb/> unzweifelhaft. Der Belagerungszustand darf nur mit Genehmigung der Kammern<lb/> aufrecht gehalten werden; in Folge dieses unbestrittenen Grundsatzes legt die Re¬<lb/> gierung der Kammer ihre Motive vor und verlangt theils eine JndemnitätSbill<lb/> über die frühere Verhängung des BelageruugszustaudeS, theils eine Erlaubniß<lb/> zur vorläufigen Fortdauer desselben, bis durch anderweitige Gesetze den Gefahren,<lb/> welche die Auflösung mit sich führte, vorgebeugt sein würde. Die Kammer erklärt<lb/> die Motive für ungenügend; sie hat die Mäßigung, das Gouvernement nicht, wie<lb/> es ihr zustand, wegen der Vergangenheit in Anklagestand zu setzen, in Anbetracht<lb/> der eigenthümlichen Verhältnisse, für welche der Rcchtöpunkt schwer aufzufinden<lb/> wäre; sie setzt aber voraus, daß nunmehr diese Beschränkung der constitutionellen<lb/> Freiheit nothwendig wegfallen müsse, und hält es, einem Ministerium gegenüber,<lb/> das noch neu in constitutionellen Dingen ist, für nöthig, diese Voraussetzung be¬<lb/> stimmt auszusprechen, also dasselbe aufzufordern, den Belagerungszustand sofort<lb/> aufzuheben: eine Voraussetzung, die sich eigentlich von selbst versteht, da derselbe<lb/> rechtlich nur mit Genehmigung der Kammern möglich ist, da seine Rechtsgiltigkcit<lb/> also augenblicklich wegfällt, sobald diese Genehmigung versagt wird. Wenn nun<lb/> das Ministerium erklärt, zu einer Einmischung in Verwaltungsangelegenheiten (die<lb/> Beschränkung der Freiheit eine Verwaltungsaugclegeuheit!) sei die Kammer uicht<lb/> competent, so läßt es sich dadurch von einer Reminiscenz an vergangene Zustände<lb/> verleiten, die in keiner Weise mehr paßt. Damals hatte man es mit einer con-<lb/> stituirenden Versammlung zu thun, d. h. mit einem Staatskörper, dessen ein¬<lb/> zige Aufgabe die Feststellung der Verfassung war, soweit ihm nicht ständische Be¬<lb/> fugnisse ausdrücklich übertragen waren; jetzt aber leben wir in einem constitutionellen<lb/> Staat, und die Kammer hat das Recht, jede Handlung der Regierung vor ihr<lb/> Forum zu zieh», und namentlich bei Schritten, die eine Verletzung der Constitution<lb/> enthalten oder darauf ausgehn, die augenblickliche Zurücknahme zu fordern. Sonst<lb/> wäre ja die Regierung uicht constitutionell, soudern absolut; sie ließe die Stände<lb/> Gesetze geben, welche sie wollte und handelte dann uach Gutdünken.</p><lb/> <p xml:id="ID_737" next="#ID_738"> Der zweite Punkt, in welchem die Negierung eine Überschreitung der stän¬<lb/> dischen Competenz zu erkläre» glaubt, ist die Anerkennung der Reichsvcrfassmig<lb/> von Seite der zweiten Kammer. Ich habe schon früher auseinandergesetzt, !>iß<lb/> die deutsche Angelegenheit eine Lebensfrage Preußens ist und daß es der Regie¬<lb/> rung nicht freistand, in derselben irgend einen entscheidenden Schritt zu UM,,<lb/> ohne die Zustimmung der Vertreter des deutschen Volks. Die Ansicht derselben<lb/> hatte sich in beiden Kammern, durch mehrere auf einander folgende Adressen, auf<lb/> d«s Unzweideutigste kundgethan. Ich gebe zu, daß eine fehlerhafte Taktik der<lb/> Parteien, eine gewisse Unbestimmtheit in dem, was man eigentlich erreichen wollte,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 30*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0235]
ausgehn, in Erwägung gezogen und für diesen Fall eine neue Auflösung in Aus¬
sicht gestellt hat, und so in'S Unendliche fort.
Wir wollen zunächst jene beiden Fälle ins Auge fassen. Der erste ist ganz
unzweifelhaft. Der Belagerungszustand darf nur mit Genehmigung der Kammern
aufrecht gehalten werden; in Folge dieses unbestrittenen Grundsatzes legt die Re¬
gierung der Kammer ihre Motive vor und verlangt theils eine JndemnitätSbill
über die frühere Verhängung des BelageruugszustaudeS, theils eine Erlaubniß
zur vorläufigen Fortdauer desselben, bis durch anderweitige Gesetze den Gefahren,
welche die Auflösung mit sich führte, vorgebeugt sein würde. Die Kammer erklärt
die Motive für ungenügend; sie hat die Mäßigung, das Gouvernement nicht, wie
es ihr zustand, wegen der Vergangenheit in Anklagestand zu setzen, in Anbetracht
der eigenthümlichen Verhältnisse, für welche der Rcchtöpunkt schwer aufzufinden
wäre; sie setzt aber voraus, daß nunmehr diese Beschränkung der constitutionellen
Freiheit nothwendig wegfallen müsse, und hält es, einem Ministerium gegenüber,
das noch neu in constitutionellen Dingen ist, für nöthig, diese Voraussetzung be¬
stimmt auszusprechen, also dasselbe aufzufordern, den Belagerungszustand sofort
aufzuheben: eine Voraussetzung, die sich eigentlich von selbst versteht, da derselbe
rechtlich nur mit Genehmigung der Kammern möglich ist, da seine Rechtsgiltigkcit
also augenblicklich wegfällt, sobald diese Genehmigung versagt wird. Wenn nun
das Ministerium erklärt, zu einer Einmischung in Verwaltungsangelegenheiten (die
Beschränkung der Freiheit eine Verwaltungsaugclegeuheit!) sei die Kammer uicht
competent, so läßt es sich dadurch von einer Reminiscenz an vergangene Zustände
verleiten, die in keiner Weise mehr paßt. Damals hatte man es mit einer con-
stituirenden Versammlung zu thun, d. h. mit einem Staatskörper, dessen ein¬
zige Aufgabe die Feststellung der Verfassung war, soweit ihm nicht ständische Be¬
fugnisse ausdrücklich übertragen waren; jetzt aber leben wir in einem constitutionellen
Staat, und die Kammer hat das Recht, jede Handlung der Regierung vor ihr
Forum zu zieh», und namentlich bei Schritten, die eine Verletzung der Constitution
enthalten oder darauf ausgehn, die augenblickliche Zurücknahme zu fordern. Sonst
wäre ja die Regierung uicht constitutionell, soudern absolut; sie ließe die Stände
Gesetze geben, welche sie wollte und handelte dann uach Gutdünken.
Der zweite Punkt, in welchem die Negierung eine Überschreitung der stän¬
dischen Competenz zu erkläre» glaubt, ist die Anerkennung der Reichsvcrfassmig
von Seite der zweiten Kammer. Ich habe schon früher auseinandergesetzt, !>iß
die deutsche Angelegenheit eine Lebensfrage Preußens ist und daß es der Regie¬
rung nicht freistand, in derselben irgend einen entscheidenden Schritt zu UM,,
ohne die Zustimmung der Vertreter des deutschen Volks. Die Ansicht derselben
hatte sich in beiden Kammern, durch mehrere auf einander folgende Adressen, auf
d«s Unzweideutigste kundgethan. Ich gebe zu, daß eine fehlerhafte Taktik der
Parteien, eine gewisse Unbestimmtheit in dem, was man eigentlich erreichen wollte,
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