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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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um uns über dieselbe hinaus auf einen solchen allgemeinen Standpunkt zu stellen.
Weil bisher unser Blick auf das Haus beschränkt war, rücken wir um auch in
einer großen Zeit das Haus mit Allem, was darin hängt in die Politik hinein,
und bilden uns el", wenn Jemand ein guter Hausvater sei, so müsse er auch noth-
gedrungen in der Politik ein achtbarer Mensch sein. Die Weiber mit ihrem "Herzen"
machen bei uns viel zuviel mit in Politik; sie können es nicht begreifen, daß man
zum Wohle des Vaterlands im sittlichsten, edelsten Willen oft ein hartes, schnei¬
dendes Verdammungsurtheil aussprechen muß. Sobald ja etwas aus Deutschland
werden soll, kann man das häusliche Pantoffelregiment nicht grob genug ans der
Politik hinauswerfen. Wir werden in diesem Sinne in der Fortsetzung an die "be¬
rüchtigten" Artikel der "Deutschen Zeitung" über die Heidelberger Universitätszu¬
stände hervortreten. Uns kümmert nicht der Mann in seinen häuslichen Beziehungen,
uns kümmert nur der Mann auf dem öffentlichen Gebiete; hier allein haben wir
das Recht, ihn zu beurtheilen. --




Preußische Briefe.



Zwölfter Vries.
Die Fürsten gegen die Nation.

Die Würfel sind gefallen. Die gleichzeitige Auflösung der Kammern in Ber¬
lin, Hannover, Dresden --München wird voraussichtlich in kürzester Frist folgen;
die gleichzeitige definitive Ablehnung der deutschen Reichsverfassung von Seiten
Preußens, Hannovers und Baierns sind ebensoviel Symptome, daß das König-
thum von Gottes Gnaden, der Egoismus der einzelnen fürstlichen Hoheit sich
enge verbindet hat zum Entscheidungskampfe gegen die Nation. In meinem letz¬
ten Briefe, wo die Monarchie das letzte Wort noch nicht gesprochen hatte, durfte
ich mich meiner Gemüthsaufregung überlassen; Hoffnungen, Wünsche, Befürchtun¬
gen haben von der letzten Stunde der Entscheidung noch Raum. Jetzt, wo der
Fehdehandschuh hingeworfen ist, gilt es, sich ernstlich zu rüsten, nicht in der Hitze
eines augenblicklichen Unwillens, sondern mit der Kälte des festen Entschlusses.

Der Feind ist der angreifende Theil; wenn wir ihm begegnen sollen, müssen
wir uns zunächst klar machen, was er vorhat.

Es ist kein Zweifel, daß die gleichzeitigen Kammer-Auflösungen auf einer ge¬
meinsamen Verabredung beruhe". Man hat erklärt, in Preußen sei der Entschluß
erst im letzten Augenblick gefaßt, als der Telegraph den Beschluß der deutsche"
Nationalversammlung nach Berlin brachte, durch welchen alle Regierungen ausge-


um uns über dieselbe hinaus auf einen solchen allgemeinen Standpunkt zu stellen.
Weil bisher unser Blick auf das Haus beschränkt war, rücken wir um auch in
einer großen Zeit das Haus mit Allem, was darin hängt in die Politik hinein,
und bilden uns el», wenn Jemand ein guter Hausvater sei, so müsse er auch noth-
gedrungen in der Politik ein achtbarer Mensch sein. Die Weiber mit ihrem „Herzen"
machen bei uns viel zuviel mit in Politik; sie können es nicht begreifen, daß man
zum Wohle des Vaterlands im sittlichsten, edelsten Willen oft ein hartes, schnei¬
dendes Verdammungsurtheil aussprechen muß. Sobald ja etwas aus Deutschland
werden soll, kann man das häusliche Pantoffelregiment nicht grob genug ans der
Politik hinauswerfen. Wir werden in diesem Sinne in der Fortsetzung an die „be¬
rüchtigten" Artikel der „Deutschen Zeitung" über die Heidelberger Universitätszu¬
stände hervortreten. Uns kümmert nicht der Mann in seinen häuslichen Beziehungen,
uns kümmert nur der Mann auf dem öffentlichen Gebiete; hier allein haben wir
das Recht, ihn zu beurtheilen. —




Preußische Briefe.



Zwölfter Vries.
Die Fürsten gegen die Nation.

Die Würfel sind gefallen. Die gleichzeitige Auflösung der Kammern in Ber¬
lin, Hannover, Dresden --München wird voraussichtlich in kürzester Frist folgen;
die gleichzeitige definitive Ablehnung der deutschen Reichsverfassung von Seiten
Preußens, Hannovers und Baierns sind ebensoviel Symptome, daß das König-
thum von Gottes Gnaden, der Egoismus der einzelnen fürstlichen Hoheit sich
enge verbindet hat zum Entscheidungskampfe gegen die Nation. In meinem letz¬
ten Briefe, wo die Monarchie das letzte Wort noch nicht gesprochen hatte, durfte
ich mich meiner Gemüthsaufregung überlassen; Hoffnungen, Wünsche, Befürchtun¬
gen haben von der letzten Stunde der Entscheidung noch Raum. Jetzt, wo der
Fehdehandschuh hingeworfen ist, gilt es, sich ernstlich zu rüsten, nicht in der Hitze
eines augenblicklichen Unwillens, sondern mit der Kälte des festen Entschlusses.

Der Feind ist der angreifende Theil; wenn wir ihm begegnen sollen, müssen
wir uns zunächst klar machen, was er vorhat.

Es ist kein Zweifel, daß die gleichzeitigen Kammer-Auflösungen auf einer ge¬
meinsamen Verabredung beruhe». Man hat erklärt, in Preußen sei der Entschluß
erst im letzten Augenblick gefaßt, als der Telegraph den Beschluß der deutsche»
Nationalversammlung nach Berlin brachte, durch welchen alle Regierungen ausge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/232>, abgerufen am 15.01.2025.