Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.den Geist, der sich bei der Umwälzung in den Vordergrund gedrängt hat, zu Das ist der Standpunkt, von welchem ans Gervinus in der "Deutschen Zei¬ den Geist, der sich bei der Umwälzung in den Vordergrund gedrängt hat, zu Das ist der Standpunkt, von welchem ans Gervinus in der „Deutschen Zei¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278740"/> <p xml:id="ID_721" prev="#ID_720"> den Geist, der sich bei der Umwälzung in den Vordergrund gedrängt hat, zu<lb/> fixiren und so eine Nation vom Rückschlag zu bewahren. Der Agriculturzustand<lb/> bedingt als nothwendige politische Ablagerung die Feudalität mit ihrem Adel und<lb/> Pfaffen- oder Pfarrerthum; die ökonomische Unfreiheit des großem Theils der<lb/> Staatsangehörigen hat unausbleiblich ihre politische Abhängigkeit zur Folge; kom¬<lb/> men aber Handel und Industrie irgendwo auf, so darf man gewiß sein, daß die<lb/> Freiheit nicht fern steht" sagt Friedrich List. Sie sind ein ganz anderer ökonomi¬<lb/> scher Zustand, sie erfordern eine vollständig andere Lebensweise, also geben sie<lb/> auch dem sie vertretenden Menschen einen ganz anderen Lebenszug. Stemmt sich<lb/> der Agricnlturzustand mit seiner Schwere der Entwickelung des beweglichen Eigen¬<lb/> thums entgegen, so muß das Bürgerthum so lange mit dem Adel kämpfen, bis<lb/> es sich Gleichberechtigung errungen hat, und dieser fortan einsieht, daß auch er<lb/> als Gutsbesitzer durch dasselbe gewinnt, oder es nicht einsehend, gehorsam den<lb/> unsichtbaren aber auch uuentziehbarcn ökonomischen Gesetzen zu Gründe geht.<lb/> Daß die Menschheit von Jäger - zum Nomadenleben und von da zum Gründen<lb/> fester Wohnsitze, zum Landbau fortschreitet, ist eine allbekannte Sache; daß aber<lb/> nach dem Landbau der Manufacturznstand kommt, der über die Grenzen des Staa¬<lb/> tes hinaus die Existenz einer Nation mit in das kosmische Güterlebett verwebt,<lb/> dasselbe jedoch nur dann in sich einen festen Halt trägt, wenn in der Concentra-<lb/> tioii seiner heimischen Kräfte ein einheitlicher Wille lebt, davon scheint Herr von<lb/> Usedom eben so viel zu verstehen, als Herr Thadden Trieglaf oder Herr von Bis¬<lb/> mark- Schönhausen.</p><lb/> <p xml:id="ID_722" next="#ID_723"> Das ist der Standpunkt, von welchem ans Gervinus in der „Deutschen Zei¬<lb/> tung" seine Linien durch den anscheinend so verworrenen Knäuel unserer Geschichte<lb/> gezogen hat; er wollte durch die Erhebung des Königs von Preußen zum deutschen<lb/> Kaiser nicht nur das feudale Königthum zum Bürgerkönigthnm umwandeln, sondern<lb/> auch mit demselben Wurfe jene ökonomische Einheit herstellen, ohne deren Grund¬<lb/> lage alle übrigen Vereinigungen n»r Phrasen bleiben. Schon lange vor den März¬<lb/> tagen des vorigen Jahres lag in diesem Puncte sein Ziel; darum sein scharfer<lb/> Kampf gegen deu „vereinigten Landtag," sobald in demselben sich nicht mehr ent¬<lb/> wickelte als eine romantische Nococofeudalität, darum sein unermüdliches Rin¬<lb/> gen für die preußische Hegemonie. Daß Friedrich Wilhelm es gegenwärtig vor¬<lb/> zieht, der König seines Bauernadels zu sein, statt über eine mit ihren einzelnen<lb/> Bestandtheilen harmonisch ineinander greifende Nation zu herrschen, ist ein Geschick<lb/> Deutschlands, nicht ein Fehler in Gervinus Combination. Er wollte den ökonomischen<lb/> Zustand fixiren und befriedigen und dadurch deu über demselben entstandenen Kampf<lb/> der Menschen rasch beendigen, welcher anch in seinen Nachschwingnngen bald aus<lb/> gehört haben würde, wenn ihm das ursprüngliche Moveus entzogen war; das<lb/> Auge der Nation sollte dann nach Außen hin beschäftigt werden, denn sein letztes<lb/> politisches Ziel, vor weichem alle anderen Stufen dahin zum Mittel werden, ist,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0230]
den Geist, der sich bei der Umwälzung in den Vordergrund gedrängt hat, zu
fixiren und so eine Nation vom Rückschlag zu bewahren. Der Agriculturzustand
bedingt als nothwendige politische Ablagerung die Feudalität mit ihrem Adel und
Pfaffen- oder Pfarrerthum; die ökonomische Unfreiheit des großem Theils der
Staatsangehörigen hat unausbleiblich ihre politische Abhängigkeit zur Folge; kom¬
men aber Handel und Industrie irgendwo auf, so darf man gewiß sein, daß die
Freiheit nicht fern steht" sagt Friedrich List. Sie sind ein ganz anderer ökonomi¬
scher Zustand, sie erfordern eine vollständig andere Lebensweise, also geben sie
auch dem sie vertretenden Menschen einen ganz anderen Lebenszug. Stemmt sich
der Agricnlturzustand mit seiner Schwere der Entwickelung des beweglichen Eigen¬
thums entgegen, so muß das Bürgerthum so lange mit dem Adel kämpfen, bis
es sich Gleichberechtigung errungen hat, und dieser fortan einsieht, daß auch er
als Gutsbesitzer durch dasselbe gewinnt, oder es nicht einsehend, gehorsam den
unsichtbaren aber auch uuentziehbarcn ökonomischen Gesetzen zu Gründe geht.
Daß die Menschheit von Jäger - zum Nomadenleben und von da zum Gründen
fester Wohnsitze, zum Landbau fortschreitet, ist eine allbekannte Sache; daß aber
nach dem Landbau der Manufacturznstand kommt, der über die Grenzen des Staa¬
tes hinaus die Existenz einer Nation mit in das kosmische Güterlebett verwebt,
dasselbe jedoch nur dann in sich einen festen Halt trägt, wenn in der Concentra-
tioii seiner heimischen Kräfte ein einheitlicher Wille lebt, davon scheint Herr von
Usedom eben so viel zu verstehen, als Herr Thadden Trieglaf oder Herr von Bis¬
mark- Schönhausen.
Das ist der Standpunkt, von welchem ans Gervinus in der „Deutschen Zei¬
tung" seine Linien durch den anscheinend so verworrenen Knäuel unserer Geschichte
gezogen hat; er wollte durch die Erhebung des Königs von Preußen zum deutschen
Kaiser nicht nur das feudale Königthum zum Bürgerkönigthnm umwandeln, sondern
auch mit demselben Wurfe jene ökonomische Einheit herstellen, ohne deren Grund¬
lage alle übrigen Vereinigungen n»r Phrasen bleiben. Schon lange vor den März¬
tagen des vorigen Jahres lag in diesem Puncte sein Ziel; darum sein scharfer
Kampf gegen deu „vereinigten Landtag," sobald in demselben sich nicht mehr ent¬
wickelte als eine romantische Nococofeudalität, darum sein unermüdliches Rin¬
gen für die preußische Hegemonie. Daß Friedrich Wilhelm es gegenwärtig vor¬
zieht, der König seines Bauernadels zu sein, statt über eine mit ihren einzelnen
Bestandtheilen harmonisch ineinander greifende Nation zu herrschen, ist ein Geschick
Deutschlands, nicht ein Fehler in Gervinus Combination. Er wollte den ökonomischen
Zustand fixiren und befriedigen und dadurch deu über demselben entstandenen Kampf
der Menschen rasch beendigen, welcher anch in seinen Nachschwingnngen bald aus
gehört haben würde, wenn ihm das ursprüngliche Moveus entzogen war; das
Auge der Nation sollte dann nach Außen hin beschäftigt werden, denn sein letztes
politisches Ziel, vor weichem alle anderen Stufen dahin zum Mittel werden, ist,
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