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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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mische Güterleben eingreift. Daß die französische Revolution nichts Anderes war,
als der Durchbruch des beweglichen Eigenthums durch die Feudalität des Agri-
cultnrzustandes zur politischen Gleichberechtigung, daß die Kontinentalsperre eine
nothwendige Konsequenz dieser Thatsache war, indem der neu erstandene Bürger-
stand Frankreichs vor dem ein Jahrhundert früher zur Herrschaft gelangten eng¬
lischen nicht zu der ihm gebührenden Theilnahme am Weltverkehr zugelassen wer¬
den sollte: daß gegenwärtig das deutsche bewegliche Eigenthum gleichfalls an den
Durchbruchspunkt augelangt ist, und von der Kirche und dem Adel, diesen poli¬
tischen Ablagerungen des Agricnlturzustandes, ebenfalls Gleichheit der Rechte for¬
dert; daß in diesem Sinne Deutschland sich nach Einigung sehnt, um seine öko¬
nomische Weltaufgabe zu erfüllen, und den Kampf gegen England wieder aufzu¬
nehmen, an dem Frankreich unterging -- ,,du"t i8 tu" muck 5or elle In-in" of n,
^i-nssiim -- vvltitt eilll -- suttksmlm." Aber ein solcher Mensch ist glücklich;
er fühlt nichts von dem brennenden Schmerze in der Brust, der auflodert, wenn
das Auge täglich mit ansehen muß, wie es sich im Vaterlande statt um Baum¬
wolle zur Lösung der sogenannten socialen Frage nur um russische Hermclinfelle
handelt. Denn sein Blick ist für dergleichen "Kaufmannsangclegenheiten" zu vor¬
nehm blind; Handclscvnsuln zu sein, wie Talleyrand sagte, davon sind unsere
Diplomaten noch himmelweit entfernt, sie wissen noch nichts von ökonomischer Po¬
litik, sie kennen nur Könige, Prinzen und Prinzessinnen. --

Die Bewegung unserer Tage scheint eine doppelte zu sein, wir hören so häufig
die nationale Frage von der Freiheitsfrage trennen, und doch sind beide nur ver¬
miedene Krystallisationsfvnuen ein und derselben Materie oder der Materie über¬
haupt. Denn diese ist es, das bewegliche Eigenthum, das wider Willen unserer
Diplomaten im Zollverein hervorwuchs, ist es, welches zur Geltung gelangen
^ni. Dazu bedarf aber sein Repräsentant, das Bürgerthum, ein Doppeltes, näm-
I'es die Fähigkeit stets durch geeignete politische Maßregeln dem Handel, der In¬
dustrie, kurz dem gewerblichen Leben zu Hilfe kommen zu können, d. h. eine con-
stitutionelle Verfassung, und zweitens die innige Association des gesammten Eigen¬
tums in der ganzen Nation, um uach Außen hin den Kampf gegen die fremde Be¬
drückung nachhaltig beginnen zu köunen, d. h. el" einiges Deutschland. Daß auf dem
!U dieser Weise angemalten Schachbrette die verschiedenen handelnden Figuren bunt
durch einander stehen und ganz anderen Triebfedern zu gehorchen scheine", darf
jemanden in Verwunderung setzen, der in der Geschichte das innere Knvchenge-
üude von dem äußeren Fleische zu scheiden gelernt hat, der da weiß, daß einer
^den Revolution, die nicht ein Knalleffect ist und wirklich eine "neue Zeit" ge-
aren soll, ein sich durchringcnwvllendcr ökonomischer Zustand zu Grunde liegen
Uluß. wurzeln alle unsere edleren, geistigen Hoffnungen beim Ur¬
hunde einer lang ersehnten Periode, wie die Blumen in der nährenden Erde, er
allein vermag, ohne daß der größte Theil der Gesammtheit es auch nur ahnt,


mische Güterleben eingreift. Daß die französische Revolution nichts Anderes war,
als der Durchbruch des beweglichen Eigenthums durch die Feudalität des Agri-
cultnrzustandes zur politischen Gleichberechtigung, daß die Kontinentalsperre eine
nothwendige Konsequenz dieser Thatsache war, indem der neu erstandene Bürger-
stand Frankreichs vor dem ein Jahrhundert früher zur Herrschaft gelangten eng¬
lischen nicht zu der ihm gebührenden Theilnahme am Weltverkehr zugelassen wer¬
den sollte: daß gegenwärtig das deutsche bewegliche Eigenthum gleichfalls an den
Durchbruchspunkt augelangt ist, und von der Kirche und dem Adel, diesen poli¬
tischen Ablagerungen des Agricnlturzustandes, ebenfalls Gleichheit der Rechte for¬
dert; daß in diesem Sinne Deutschland sich nach Einigung sehnt, um seine öko¬
nomische Weltaufgabe zu erfüllen, und den Kampf gegen England wieder aufzu¬
nehmen, an dem Frankreich unterging — ,,du»t i8 tu» muck 5or elle In-in» of n,
^i-nssiim — vvltitt eilll — suttksmlm." Aber ein solcher Mensch ist glücklich;
er fühlt nichts von dem brennenden Schmerze in der Brust, der auflodert, wenn
das Auge täglich mit ansehen muß, wie es sich im Vaterlande statt um Baum¬
wolle zur Lösung der sogenannten socialen Frage nur um russische Hermclinfelle
handelt. Denn sein Blick ist für dergleichen „Kaufmannsangclegenheiten" zu vor¬
nehm blind; Handclscvnsuln zu sein, wie Talleyrand sagte, davon sind unsere
Diplomaten noch himmelweit entfernt, sie wissen noch nichts von ökonomischer Po¬
litik, sie kennen nur Könige, Prinzen und Prinzessinnen. —

Die Bewegung unserer Tage scheint eine doppelte zu sein, wir hören so häufig
die nationale Frage von der Freiheitsfrage trennen, und doch sind beide nur ver¬
miedene Krystallisationsfvnuen ein und derselben Materie oder der Materie über¬
haupt. Denn diese ist es, das bewegliche Eigenthum, das wider Willen unserer
Diplomaten im Zollverein hervorwuchs, ist es, welches zur Geltung gelangen
^ni. Dazu bedarf aber sein Repräsentant, das Bürgerthum, ein Doppeltes, näm-
I'es die Fähigkeit stets durch geeignete politische Maßregeln dem Handel, der In¬
dustrie, kurz dem gewerblichen Leben zu Hilfe kommen zu können, d. h. eine con-
stitutionelle Verfassung, und zweitens die innige Association des gesammten Eigen¬
tums in der ganzen Nation, um uach Außen hin den Kampf gegen die fremde Be¬
drückung nachhaltig beginnen zu köunen, d. h. el» einiges Deutschland. Daß auf dem
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durch einander stehen und ganz anderen Triebfedern zu gehorchen scheine», darf
jemanden in Verwunderung setzen, der in der Geschichte das innere Knvchenge-
üude von dem äußeren Fleische zu scheiden gelernt hat, der da weiß, daß einer
^den Revolution, die nicht ein Knalleffect ist und wirklich eine „neue Zeit" ge-
aren soll, ein sich durchringcnwvllendcr ökonomischer Zustand zu Grunde liegen
Uluß. wurzeln alle unsere edleren, geistigen Hoffnungen beim Ur¬
hunde einer lang ersehnten Periode, wie die Blumen in der nährenden Erde, er
allein vermag, ohne daß der größte Theil der Gesammtheit es auch nur ahnt,


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[0229] mische Güterleben eingreift. Daß die französische Revolution nichts Anderes war, als der Durchbruch des beweglichen Eigenthums durch die Feudalität des Agri- cultnrzustandes zur politischen Gleichberechtigung, daß die Kontinentalsperre eine nothwendige Konsequenz dieser Thatsache war, indem der neu erstandene Bürger- stand Frankreichs vor dem ein Jahrhundert früher zur Herrschaft gelangten eng¬ lischen nicht zu der ihm gebührenden Theilnahme am Weltverkehr zugelassen wer¬ den sollte: daß gegenwärtig das deutsche bewegliche Eigenthum gleichfalls an den Durchbruchspunkt augelangt ist, und von der Kirche und dem Adel, diesen poli¬ tischen Ablagerungen des Agricnlturzustandes, ebenfalls Gleichheit der Rechte for¬ dert; daß in diesem Sinne Deutschland sich nach Einigung sehnt, um seine öko¬ nomische Weltaufgabe zu erfüllen, und den Kampf gegen England wieder aufzu¬ nehmen, an dem Frankreich unterging — ,,du»t i8 tu» muck 5or elle In-in» of n, ^i-nssiim — vvltitt eilll — suttksmlm." Aber ein solcher Mensch ist glücklich; er fühlt nichts von dem brennenden Schmerze in der Brust, der auflodert, wenn das Auge täglich mit ansehen muß, wie es sich im Vaterlande statt um Baum¬ wolle zur Lösung der sogenannten socialen Frage nur um russische Hermclinfelle handelt. Denn sein Blick ist für dergleichen „Kaufmannsangclegenheiten" zu vor¬ nehm blind; Handclscvnsuln zu sein, wie Talleyrand sagte, davon sind unsere Diplomaten noch himmelweit entfernt, sie wissen noch nichts von ökonomischer Po¬ litik, sie kennen nur Könige, Prinzen und Prinzessinnen. — Die Bewegung unserer Tage scheint eine doppelte zu sein, wir hören so häufig die nationale Frage von der Freiheitsfrage trennen, und doch sind beide nur ver¬ miedene Krystallisationsfvnuen ein und derselben Materie oder der Materie über¬ haupt. Denn diese ist es, das bewegliche Eigenthum, das wider Willen unserer Diplomaten im Zollverein hervorwuchs, ist es, welches zur Geltung gelangen ^ni. Dazu bedarf aber sein Repräsentant, das Bürgerthum, ein Doppeltes, näm- I'es die Fähigkeit stets durch geeignete politische Maßregeln dem Handel, der In¬ dustrie, kurz dem gewerblichen Leben zu Hilfe kommen zu können, d. h. eine con- stitutionelle Verfassung, und zweitens die innige Association des gesammten Eigen¬ tums in der ganzen Nation, um uach Außen hin den Kampf gegen die fremde Be¬ drückung nachhaltig beginnen zu köunen, d. h. el» einiges Deutschland. Daß auf dem !U dieser Weise angemalten Schachbrette die verschiedenen handelnden Figuren bunt durch einander stehen und ganz anderen Triebfedern zu gehorchen scheine», darf jemanden in Verwunderung setzen, der in der Geschichte das innere Knvchenge- üude von dem äußeren Fleische zu scheiden gelernt hat, der da weiß, daß einer ^den Revolution, die nicht ein Knalleffect ist und wirklich eine „neue Zeit" ge- aren soll, ein sich durchringcnwvllendcr ökonomischer Zustand zu Grunde liegen Uluß. wurzeln alle unsere edleren, geistigen Hoffnungen beim Ur¬ hunde einer lang ersehnten Periode, wie die Blumen in der nährenden Erde, er allein vermag, ohne daß der größte Theil der Gesammtheit es auch nur ahnt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/229>, abgerufen am 15.01.2025.