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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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besser gesagt erhaschten, wodurch ihr Land sich factisch zur Selbstständigkeit
erhob. Die später nachhinkenden Deputationen der Kroaten, Böhmen und Polen
hatten kein geringeres Begehren auf dem Herzen -- und haben es noch jetzt,
trotz der vielgepriesenen Loyalität -- aber der Hof hatte sich vom ersten Schrecken
erholt. Sie durften ihre tiefinnerster Wünsche nicht laut werden lassen, und die
allenfalls lautgewordenen wurden mit allerhuldreichsten Versprechungen nach Hause
geschickt.

Was dann weiter geschah bis zum Einmarsch des Barus in Ungarn, bis
ZU jener Epoche, wo die Magyaren an den Thüren des Wiener Reichstags um
Vermittlung pochten, bis zur offenen Kriegserklärung Oestreichs durch seinen
"bösen Genius" Minister Bach, ist bekannt, und den unbekannten mysteriösen
Theil des Drama's, der in den Salons von Olmütz weiter spielte, wird ein
Historiker der Gegenwart schwerlich enthüllen können. -- Wir kommen auf unsere
^le-Conservativen zurück.

Bevor das Ministerium Stadion-Schwarzenberg die Deputirten in Kremster
auseinander jagte und seine Lügcnphrasen von der Gleichberechtigung der Natio¬
nalitäten und dem großen, freien einigen Oestreich in die Welt schickte, standen
^e Alt-Konservativen Kossuth, als dem organisirenden, ihrer Meinung nach dem
destructiven Genius Ungarns, schroff gegenüber. Sie waren aus dem Re-
präsentantenhause ausgetreten, und mit ihnen Viele, deren Gedankenflug dem
^offnes's bisher gleichgekommen war, einzig und allein aus dem Grunde, weil
^ nicht bis zum Extreme mit rhin gehen wollten, so der treffliche Deal, der
^üige Szt. Kiraly. Mit der Octroyirung der neuen Charte jedoch hatte die Ne¬
uerung selbst den schlüpfrigen Boden der Extreme betreten, und der jetzige Mi¬
nisterpräsident, Fürst von Schwarzenberg, welcher sich rühmen kann, einmal in
^'en als General und dann als verantwortlicher Minister der Krone in Olmütz
e" Vertretern Oestreichs die Thüre ihres Sitzungssaales vor der Nase zuge-
gen zu haben, derselbe Schwarzenberg, der sich in London die Verachtung
^es ehrlichen Bürgers, in Petersburg das Nidicule aller unehrlichen Diplomaten
^ in Neapel derbe Prügel geholt hatte, wollte mit einem aristokratischen Fuß-
^ete auch die Thüren des Repräsentantenhauses von Ungarn ins Schloß schmeißen.
Boden des Gesetzes, welchen die äußerste magyarische Linke, mit oft gar
^ komischer Aengstlichkeit, festhalten wollte, überhüpsten die ministeriellen Exzel-
^en mit einer graziösen Phrase und strichen mit Einem Federzuge die pragmc^
>che Sanction und die ungarische Verfassung. Die Alt-Konservativen auf den
^elf von Olmütz und im Feldlager zu Ofen fühlten, wie ihnen das eintätowirte
in". tilli^ol-v auf der Brust blutroth unterlief, denn das hatten sie von ihrem
^°nig "immer erwartet, das hätten sie nimmer geahnt, daß der Knabe Franz
un!^" ' sich der greise Franz im Bunde mit dem grauen Absolutismus
dessen Mandarinen, dem Fürsten Metternich nimmer getraute. Aber zurück


besser gesagt erhaschten, wodurch ihr Land sich factisch zur Selbstständigkeit
erhob. Die später nachhinkenden Deputationen der Kroaten, Böhmen und Polen
hatten kein geringeres Begehren auf dem Herzen — und haben es noch jetzt,
trotz der vielgepriesenen Loyalität — aber der Hof hatte sich vom ersten Schrecken
erholt. Sie durften ihre tiefinnerster Wünsche nicht laut werden lassen, und die
allenfalls lautgewordenen wurden mit allerhuldreichsten Versprechungen nach Hause
geschickt.

Was dann weiter geschah bis zum Einmarsch des Barus in Ungarn, bis
ZU jener Epoche, wo die Magyaren an den Thüren des Wiener Reichstags um
Vermittlung pochten, bis zur offenen Kriegserklärung Oestreichs durch seinen
"bösen Genius" Minister Bach, ist bekannt, und den unbekannten mysteriösen
Theil des Drama's, der in den Salons von Olmütz weiter spielte, wird ein
Historiker der Gegenwart schwerlich enthüllen können. — Wir kommen auf unsere
^le-Conservativen zurück.

Bevor das Ministerium Stadion-Schwarzenberg die Deputirten in Kremster
auseinander jagte und seine Lügcnphrasen von der Gleichberechtigung der Natio¬
nalitäten und dem großen, freien einigen Oestreich in die Welt schickte, standen
^e Alt-Konservativen Kossuth, als dem organisirenden, ihrer Meinung nach dem
destructiven Genius Ungarns, schroff gegenüber. Sie waren aus dem Re-
präsentantenhause ausgetreten, und mit ihnen Viele, deren Gedankenflug dem
^offnes's bisher gleichgekommen war, einzig und allein aus dem Grunde, weil
^ nicht bis zum Extreme mit rhin gehen wollten, so der treffliche Deal, der
^üige Szt. Kiraly. Mit der Octroyirung der neuen Charte jedoch hatte die Ne¬
uerung selbst den schlüpfrigen Boden der Extreme betreten, und der jetzige Mi¬
nisterpräsident, Fürst von Schwarzenberg, welcher sich rühmen kann, einmal in
^'en als General und dann als verantwortlicher Minister der Krone in Olmütz
e» Vertretern Oestreichs die Thüre ihres Sitzungssaales vor der Nase zuge-
gen zu haben, derselbe Schwarzenberg, der sich in London die Verachtung
^es ehrlichen Bürgers, in Petersburg das Nidicule aller unehrlichen Diplomaten
^ in Neapel derbe Prügel geholt hatte, wollte mit einem aristokratischen Fuß-
^ete auch die Thüren des Repräsentantenhauses von Ungarn ins Schloß schmeißen.
Boden des Gesetzes, welchen die äußerste magyarische Linke, mit oft gar
^ komischer Aengstlichkeit, festhalten wollte, überhüpsten die ministeriellen Exzel-
^en mit einer graziösen Phrase und strichen mit Einem Federzuge die pragmc^
>che Sanction und die ungarische Verfassung. Die Alt-Konservativen auf den
^elf von Olmütz und im Feldlager zu Ofen fühlten, wie ihnen das eintätowirte
in«. tilli^ol-v auf der Brust blutroth unterlief, denn das hatten sie von ihrem
^°nig „immer erwartet, das hätten sie nimmer geahnt, daß der Knabe Franz
un!^" ' sich der greise Franz im Bunde mit dem grauen Absolutismus
dessen Mandarinen, dem Fürsten Metternich nimmer getraute. Aber zurück


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[0207] besser gesagt erhaschten, wodurch ihr Land sich factisch zur Selbstständigkeit erhob. Die später nachhinkenden Deputationen der Kroaten, Böhmen und Polen hatten kein geringeres Begehren auf dem Herzen — und haben es noch jetzt, trotz der vielgepriesenen Loyalität — aber der Hof hatte sich vom ersten Schrecken erholt. Sie durften ihre tiefinnerster Wünsche nicht laut werden lassen, und die allenfalls lautgewordenen wurden mit allerhuldreichsten Versprechungen nach Hause geschickt. Was dann weiter geschah bis zum Einmarsch des Barus in Ungarn, bis ZU jener Epoche, wo die Magyaren an den Thüren des Wiener Reichstags um Vermittlung pochten, bis zur offenen Kriegserklärung Oestreichs durch seinen "bösen Genius" Minister Bach, ist bekannt, und den unbekannten mysteriösen Theil des Drama's, der in den Salons von Olmütz weiter spielte, wird ein Historiker der Gegenwart schwerlich enthüllen können. — Wir kommen auf unsere ^le-Conservativen zurück. Bevor das Ministerium Stadion-Schwarzenberg die Deputirten in Kremster auseinander jagte und seine Lügcnphrasen von der Gleichberechtigung der Natio¬ nalitäten und dem großen, freien einigen Oestreich in die Welt schickte, standen ^e Alt-Konservativen Kossuth, als dem organisirenden, ihrer Meinung nach dem destructiven Genius Ungarns, schroff gegenüber. Sie waren aus dem Re- präsentantenhause ausgetreten, und mit ihnen Viele, deren Gedankenflug dem ^offnes's bisher gleichgekommen war, einzig und allein aus dem Grunde, weil ^ nicht bis zum Extreme mit rhin gehen wollten, so der treffliche Deal, der ^üige Szt. Kiraly. Mit der Octroyirung der neuen Charte jedoch hatte die Ne¬ uerung selbst den schlüpfrigen Boden der Extreme betreten, und der jetzige Mi¬ nisterpräsident, Fürst von Schwarzenberg, welcher sich rühmen kann, einmal in ^'en als General und dann als verantwortlicher Minister der Krone in Olmütz e» Vertretern Oestreichs die Thüre ihres Sitzungssaales vor der Nase zuge- gen zu haben, derselbe Schwarzenberg, der sich in London die Verachtung ^es ehrlichen Bürgers, in Petersburg das Nidicule aller unehrlichen Diplomaten ^ in Neapel derbe Prügel geholt hatte, wollte mit einem aristokratischen Fuß- ^ete auch die Thüren des Repräsentantenhauses von Ungarn ins Schloß schmeißen. Boden des Gesetzes, welchen die äußerste magyarische Linke, mit oft gar ^ komischer Aengstlichkeit, festhalten wollte, überhüpsten die ministeriellen Exzel- ^en mit einer graziösen Phrase und strichen mit Einem Federzuge die pragmc^ >che Sanction und die ungarische Verfassung. Die Alt-Konservativen auf den ^elf von Olmütz und im Feldlager zu Ofen fühlten, wie ihnen das eintätowirte in«. tilli^ol-v auf der Brust blutroth unterlief, denn das hatten sie von ihrem ^°nig „immer erwartet, das hätten sie nimmer geahnt, daß der Knabe Franz un!^" ' sich der greise Franz im Bunde mit dem grauen Absolutismus dessen Mandarinen, dem Fürsten Metternich nimmer getraute. Aber zurück

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/207>, abgerufen am 15.01.2025.