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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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der Sitzung des Congresses die ansehnliche Auslösung von acht Dollars täglich.
Aus diesen Diäten spart mancher Geld zusammen und die welche es nicht thun,
werden jedenfalls in den Stand gesetzt, ihre Familien mitzubringen, die dann in
Washington gute Tage haben. Zudem wird nie während der Abendzeit und bei
Tage nnr wenig im Hause gearbeitet; daher es nicht zu verwundern ist, wie wenig
in einer Session zu Washington beschickt wird. Dies kommt aber auch mit daher,
weil jedes Mitglied sich für verpflichtet hält, zwei oder drei Reden, nicht zum
Wohle der Nation, sondern zum Nutz und Frommen seiner Konstituenten zu hal¬
ten. Diese Reden werden gedruckt und den letzteren zugeschickt, um ihnen darzu¬
thun, daß ihr Mitglied einiges Aufsehen im Hause macht. Der Gegenstand die¬
ser Reden ist nnr selten von einiger Bedeutung und sie strotzen gewöhnlich von
schönen Redensarten, als sternbesäeten Bannern, souveränen Volke und andern
Schmeichelworten."

"Während meines Aufenthalts in Washington fiel ein höchst aufregendes
Ereigniß vor, welches für den sittlichen Zustand der dortigen Bevölkerung und
man kann wohl sagen von dem der amerikanischen Freistaate" überhaupt bezeich¬
nend ist; ich meine das Duell der Kongreß - Repräsentanten Graves und Cilley.
Wohlbekannt war es, daß Ersterer kaum ein einziges Mal in seinem Leben ein
Gewehr abgeschossen hatte; Letzterer hingegen war ein geübter Büchsenschütz und
übte sich beständig, ja man wußte allgemein von ihm, daß er beabsichtigte einen
Zank mit einem der südlichen Mitglieder anzuzetteln; denn er selbst hatte dies öffentlich
laut werden lassen. Er brachte sein Gewehr mit nach Washington, übte sich fast
täglich im Schießen und um so eiftiger that er dies, nachdem er die Herausforde¬
rung hatte ergehen lassen und dieselbe angenommen worden war. Nun traf es
sich, gegen Aller Erwartung, daß nicht Graves sondern Cilley ans dem Platze
blieb. Man trug den Sarg mit der Leiche in das Haus der Repräsentanten,
wo derselbe mit Prunk ausgestellt wurde; das Haus vertagte sich für einige
Sitzungen, um dem Gebliebenen seine Hochachtung zu bezeigen. Die Mitglieder
des Senats und des obern Gerichtshofs wurden eingeladen, der Leichenfeier bei¬
zuwohnen, welche mit einer von dem überlebenden Repräsentanten des Staats
Maine gehaltenen Lobrede auf die Verdienste und Tugenden des Gebliebenen er¬
öffnet ward. Nach Abhaltung der eigentlichen Leichenrede und einer darauf fol¬
genden Ermcchnungsrcde setzte sich in Folge eines gedruckten Programms die Pro¬
cesston in Bewegung, an welcher alle Mitglieder des Hauses der Repräsentanten
sowie des Senats, alle Behörden und Würdenträger der vereinigten Staaten,
welche in Washington anwesend waren, Theil nahmen und welche alles enthielt,
was Washington in diesem Genre Feierliches und Imposantes zu bieten vermochte.

"Der Grund alles dieses hervorzuheben ist, zu zeigen, daß die Vergesell¬
schaftung sich in sehr lockern. Zustande befinden und der Standpunkt der Morali¬
tät einer Nation sehr tief sein muß, wenn ein Mann, der auf vorerwähnte Weise


der Sitzung des Congresses die ansehnliche Auslösung von acht Dollars täglich.
Aus diesen Diäten spart mancher Geld zusammen und die welche es nicht thun,
werden jedenfalls in den Stand gesetzt, ihre Familien mitzubringen, die dann in
Washington gute Tage haben. Zudem wird nie während der Abendzeit und bei
Tage nnr wenig im Hause gearbeitet; daher es nicht zu verwundern ist, wie wenig
in einer Session zu Washington beschickt wird. Dies kommt aber auch mit daher,
weil jedes Mitglied sich für verpflichtet hält, zwei oder drei Reden, nicht zum
Wohle der Nation, sondern zum Nutz und Frommen seiner Konstituenten zu hal¬
ten. Diese Reden werden gedruckt und den letzteren zugeschickt, um ihnen darzu¬
thun, daß ihr Mitglied einiges Aufsehen im Hause macht. Der Gegenstand die¬
ser Reden ist nnr selten von einiger Bedeutung und sie strotzen gewöhnlich von
schönen Redensarten, als sternbesäeten Bannern, souveränen Volke und andern
Schmeichelworten."

„Während meines Aufenthalts in Washington fiel ein höchst aufregendes
Ereigniß vor, welches für den sittlichen Zustand der dortigen Bevölkerung und
man kann wohl sagen von dem der amerikanischen Freistaate» überhaupt bezeich¬
nend ist; ich meine das Duell der Kongreß - Repräsentanten Graves und Cilley.
Wohlbekannt war es, daß Ersterer kaum ein einziges Mal in seinem Leben ein
Gewehr abgeschossen hatte; Letzterer hingegen war ein geübter Büchsenschütz und
übte sich beständig, ja man wußte allgemein von ihm, daß er beabsichtigte einen
Zank mit einem der südlichen Mitglieder anzuzetteln; denn er selbst hatte dies öffentlich
laut werden lassen. Er brachte sein Gewehr mit nach Washington, übte sich fast
täglich im Schießen und um so eiftiger that er dies, nachdem er die Herausforde¬
rung hatte ergehen lassen und dieselbe angenommen worden war. Nun traf es
sich, gegen Aller Erwartung, daß nicht Graves sondern Cilley ans dem Platze
blieb. Man trug den Sarg mit der Leiche in das Haus der Repräsentanten,
wo derselbe mit Prunk ausgestellt wurde; das Haus vertagte sich für einige
Sitzungen, um dem Gebliebenen seine Hochachtung zu bezeigen. Die Mitglieder
des Senats und des obern Gerichtshofs wurden eingeladen, der Leichenfeier bei¬
zuwohnen, welche mit einer von dem überlebenden Repräsentanten des Staats
Maine gehaltenen Lobrede auf die Verdienste und Tugenden des Gebliebenen er¬
öffnet ward. Nach Abhaltung der eigentlichen Leichenrede und einer darauf fol¬
genden Ermcchnungsrcde setzte sich in Folge eines gedruckten Programms die Pro¬
cesston in Bewegung, an welcher alle Mitglieder des Hauses der Repräsentanten
sowie des Senats, alle Behörden und Würdenträger der vereinigten Staaten,
welche in Washington anwesend waren, Theil nahmen und welche alles enthielt,
was Washington in diesem Genre Feierliches und Imposantes zu bieten vermochte.

„Der Grund alles dieses hervorzuheben ist, zu zeigen, daß die Vergesell¬
schaftung sich in sehr lockern. Zustande befinden und der Standpunkt der Morali¬
tät einer Nation sehr tief sein muß, wenn ein Mann, der auf vorerwähnte Weise


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/190>, abgerufen am 15.01.2025.