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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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ten Noten Schwarzenbergs nach Frankfurt und von Olmütz gehen täglich Depe¬
schen nach Berlin und München ab, die nicht nur Oestreich, sondern ganz Deutsch¬
land betreffen. Wie" ist in Ungnade gefallen und gleich ihm dus hundertthürmige
Prag und das liebliche Grätz; um Mailand und Pesth wüthet der Krieg und
Lemberg steht auf durchwühltem Boden; nur Olmütz allein wurde gerecht befunden
unter den Städten Oestreichs. Seine Eigenschaft als Festung wird bei seiner
Erwählung zur Residenz des östreichischen Kaisers wohl nur von untergeordneter
Bedeutung gewesen sein. Aber die Furcht vor einer Olmützer Aristokratie ist un¬
gegründet. Das Schicksal weist die Olmützer auf den demokratischen Pfad. Schon
einmal stand Olmütz vor den Pforten des östreichischen Ruhmes und hatte seine
Hand in jene der Aristokratie gelegt; jedoch alles Schicksal trat diesem Anbahnen
einer Hegemonie unerbittlich entgehen. Die Bürgerschaft von Olmütz ließ sich
während der Belagerung der Festung dnrch den großen Friedrich i. I. 1758 thä¬
tig bei der Vertheidigung verwenden; und als Friedrich nach dem Verluste des
großen Transportes durch LaudouS Ueberfall die Belagerung aufhob, verlieh Maria
Theresia der Bürgerschaft mehrere Privilegien und erhob den gesammten Rath der
Stadt in den Adel. Hundert und ein Jahr sind seit dem verflossen und kein ein¬
ziger Enkel der geadelten Rathsherren ist vorhanden, der das Patricia: für sich
in Anspruch nehmen könnte. Da waren die Brunner weit klüger. Nach einem
festlichen Empfang des Kaisers Franz, erbaten sie sich von demselben die Gnade,
daß ihre Bürgergarde -- den Grenadiermarsch schlagen dürfe. Sie sahen voraus,
daß es weit Master sei den Marsch der Grenadiere einer loyalen Bevölkerung zu hinter¬
lassen, als den Adel durch Söhne und Enkel. Olmütz war übrigens das letzte Boll¬
werk Süddeutschlands gegen die Horden der Mongolen. Vor seinen Mauern schlug sie
Jarvslav von Sternberg. In Oestreich zweifelt man daran, daß diese Festung
noch einmal und besonders in unseren Tagen eine so bedeutende Rolle gegen den
Osten spielen werde. Die Einwohner von Olmütz sind also dazu bestimmt, sich
der Demokratie in die Armee zu werfen, und sie können wahrscheinlich den Tag
nicht erwarten, an dem die Abreise des Hofes ihnen Gelegenheit zu einer deutli¬
chen Manifestation ihrer Gesinnung gibt. Man hatte das Aufbrechen des kaiser¬
lichen Hoflagers schon ans den 15. April vorhergesagt, und die Leibgardisten und
Kammerheizer wußten viel davon zu erzählen, daß im Schlosse Schönbrunn heim¬
lich Alles zum Empfang des Kaisers vorbereitet werde; aber bis heute sitzt der
ganze Hof noch so fest hier wie vor zwei Monaten, als Olmütz das Hauptquartier
gegen die Rebellen in Kremsier war. Die Besatzung der Festung ist durchaus nicht
zahlreich. Sie besteht zum Theil aus den Trümmern des italienischen Regimentes
Zanini, von welchem noch immer ein Bataillon in den Reihen der Magyaren
kämpft. Die Soldaten dieses Regimentes haben noch Manches von der magyari¬
schen Adjüstirung an sich, was große Unzufriedenheit unter den Patrioten erregt,
denn die Beibehaltung feindlicher Uniformstücke (z. B. der Patrontaschen) scheint


ten Noten Schwarzenbergs nach Frankfurt und von Olmütz gehen täglich Depe¬
schen nach Berlin und München ab, die nicht nur Oestreich, sondern ganz Deutsch¬
land betreffen. Wie» ist in Ungnade gefallen und gleich ihm dus hundertthürmige
Prag und das liebliche Grätz; um Mailand und Pesth wüthet der Krieg und
Lemberg steht auf durchwühltem Boden; nur Olmütz allein wurde gerecht befunden
unter den Städten Oestreichs. Seine Eigenschaft als Festung wird bei seiner
Erwählung zur Residenz des östreichischen Kaisers wohl nur von untergeordneter
Bedeutung gewesen sein. Aber die Furcht vor einer Olmützer Aristokratie ist un¬
gegründet. Das Schicksal weist die Olmützer auf den demokratischen Pfad. Schon
einmal stand Olmütz vor den Pforten des östreichischen Ruhmes und hatte seine
Hand in jene der Aristokratie gelegt; jedoch alles Schicksal trat diesem Anbahnen
einer Hegemonie unerbittlich entgehen. Die Bürgerschaft von Olmütz ließ sich
während der Belagerung der Festung dnrch den großen Friedrich i. I. 1758 thä¬
tig bei der Vertheidigung verwenden; und als Friedrich nach dem Verluste des
großen Transportes durch LaudouS Ueberfall die Belagerung aufhob, verlieh Maria
Theresia der Bürgerschaft mehrere Privilegien und erhob den gesammten Rath der
Stadt in den Adel. Hundert und ein Jahr sind seit dem verflossen und kein ein¬
ziger Enkel der geadelten Rathsherren ist vorhanden, der das Patricia: für sich
in Anspruch nehmen könnte. Da waren die Brunner weit klüger. Nach einem
festlichen Empfang des Kaisers Franz, erbaten sie sich von demselben die Gnade,
daß ihre Bürgergarde — den Grenadiermarsch schlagen dürfe. Sie sahen voraus,
daß es weit Master sei den Marsch der Grenadiere einer loyalen Bevölkerung zu hinter¬
lassen, als den Adel durch Söhne und Enkel. Olmütz war übrigens das letzte Boll¬
werk Süddeutschlands gegen die Horden der Mongolen. Vor seinen Mauern schlug sie
Jarvslav von Sternberg. In Oestreich zweifelt man daran, daß diese Festung
noch einmal und besonders in unseren Tagen eine so bedeutende Rolle gegen den
Osten spielen werde. Die Einwohner von Olmütz sind also dazu bestimmt, sich
der Demokratie in die Armee zu werfen, und sie können wahrscheinlich den Tag
nicht erwarten, an dem die Abreise des Hofes ihnen Gelegenheit zu einer deutli¬
chen Manifestation ihrer Gesinnung gibt. Man hatte das Aufbrechen des kaiser¬
lichen Hoflagers schon ans den 15. April vorhergesagt, und die Leibgardisten und
Kammerheizer wußten viel davon zu erzählen, daß im Schlosse Schönbrunn heim¬
lich Alles zum Empfang des Kaisers vorbereitet werde; aber bis heute sitzt der
ganze Hof noch so fest hier wie vor zwei Monaten, als Olmütz das Hauptquartier
gegen die Rebellen in Kremsier war. Die Besatzung der Festung ist durchaus nicht
zahlreich. Sie besteht zum Theil aus den Trümmern des italienischen Regimentes
Zanini, von welchem noch immer ein Bataillon in den Reihen der Magyaren
kämpft. Die Soldaten dieses Regimentes haben noch Manches von der magyari¬
schen Adjüstirung an sich, was große Unzufriedenheit unter den Patrioten erregt,
denn die Beibehaltung feindlicher Uniformstücke (z. B. der Patrontaschen) scheint


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/176>, abgerufen am 15.01.2025.