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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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können. Unter der Zuchtruthe dieser mittelalterlichen Epigonen müssen sich die
modernen Helden heranbilden und aus verweichlichten Idealisten thatkräftige, prak¬
tische Männer werden. Selbst die wenigen friedlichen Größen, Lamartine, Ga¬
gern, Vincke, welche in Frankreich und Deutschland allgemein anerkannt sind, haben
bereits unter dem axa;" leximo die Grundsteine zu ihrem Ruhme gelegt.

Oestreich, so reich eS an tapfern Haudegen und wortreichen Rednern ist, hat
doch während der ganzen Revolutionszeit des vergangenen Jahres einen so großen
Mangel an eigentlichen Charakteren gezeigt, daß selbst die feurigsten Patrioten
über die moralische Schwäche ihres Vaterlandes verzweifeln mußten. Um so be¬
deutender tritt uns die Gestalt eines Mannes entgegen, an welchem die Revolu¬
tion ihren ganzen blutigen Kreislauf vollbracht hat, ohne ihn in unserer Achtung
zu erschüttern, oder den Mann selbst in seinem eigenen kernigen Wesen schwan¬
kend zu machen. Wir sprechen von Adolf Fisch ho f. Wer die Geschichte der
östreichischen Hauptstadt vom Jahre 1848 kennt, kennt auch die Verdienste Fisch¬
hofs um sein Vaterland. Im März 184" war er der Erste, der durch begei¬
sterte Worte das dumpfe Schweigen und die Knechtschaft der Oestreicher brach.
Im April und Mai leitete er die Organisation der akademischen Jugend und war
wieder der Erste, der die Gefahr erkannte, in welche der Staat durch das Ueber-
gewicht der Aula kommen könnte. In Gemeinschaft mit Goldmark hatte er be¬
reits am 24. Mai den Beschluß durchgebracht, daß die Aula geschlossen und die
Berathungen des Studeutenkvmitvs nnr den Angelegenheiten der Legion gewidmet
sein sollten, als das unvorsichtige gewaltsame Einschreiten der Regierung am 26. Mai
von Neuem einen gefahrvollen Sturm heraufbeschwor. An diesem Tage stieg Fisch¬
hof mit mehreren gleichgesinnten Freunden von Barrikade zu Barrikade, um uach
Widerruf der Proclamation wegen Auflösung der Legion seitens des Ministeriums,
die Bevölkerung zur Ruhe und Ordnung zurückzubringen. Aber bereits hatte das
Vertrauen, welches die Negierung in diesen Ehrenmann setzte, denselben in den
Augen des Volks verdächtigt. Der Ruf: Reactionär, durch welchen ihm seine
vereinzelten Gegner beim großen Häuser zu schaden suchten, brachte ihn an diesem
Tage mehrmals in Lebensgefahr, aus welcher ihn nur seine Unerschrockenheit und
die Hilfe der Nationalgarde retten konnte. Dennoch war seine Popularität in
der Mehrzahl der Bevölkerung so befestigt, daß ihm in dem Sicherheitsausschusse,
welcher am Abende desselben Tages vom Ministerium! kreirt wurde, die Präsideu-
tenwürde übertrage" wurde. An diesem Platze entwickelte Fischhof die ganze Fülle
von Talenten, mit welchen ihn die Natur ausgestattet hat. Eine hinreißende, ein¬
fache, aber treffende Rednergabe, Geistesgegenwart und feste Entschlossenheit in
gefahrvollen Momenten, eine gewinnende Milde und Liebeswürdigkeit im Um¬
gange mit allen Klassen der Bevölkerung, edle Offenheit und Männlichkeit im
Verkehr mit höhergestellten Personen, Klarheit und Schärfe des Verstandes in der
Leitung der verwickelten Debatten -- diese Eigenschaften befähigten Fischhof zu


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können. Unter der Zuchtruthe dieser mittelalterlichen Epigonen müssen sich die
modernen Helden heranbilden und aus verweichlichten Idealisten thatkräftige, prak¬
tische Männer werden. Selbst die wenigen friedlichen Größen, Lamartine, Ga¬
gern, Vincke, welche in Frankreich und Deutschland allgemein anerkannt sind, haben
bereits unter dem axa;» leximo die Grundsteine zu ihrem Ruhme gelegt.

Oestreich, so reich eS an tapfern Haudegen und wortreichen Rednern ist, hat
doch während der ganzen Revolutionszeit des vergangenen Jahres einen so großen
Mangel an eigentlichen Charakteren gezeigt, daß selbst die feurigsten Patrioten
über die moralische Schwäche ihres Vaterlandes verzweifeln mußten. Um so be¬
deutender tritt uns die Gestalt eines Mannes entgegen, an welchem die Revolu¬
tion ihren ganzen blutigen Kreislauf vollbracht hat, ohne ihn in unserer Achtung
zu erschüttern, oder den Mann selbst in seinem eigenen kernigen Wesen schwan¬
kend zu machen. Wir sprechen von Adolf Fisch ho f. Wer die Geschichte der
östreichischen Hauptstadt vom Jahre 1848 kennt, kennt auch die Verdienste Fisch¬
hofs um sein Vaterland. Im März 184« war er der Erste, der durch begei¬
sterte Worte das dumpfe Schweigen und die Knechtschaft der Oestreicher brach.
Im April und Mai leitete er die Organisation der akademischen Jugend und war
wieder der Erste, der die Gefahr erkannte, in welche der Staat durch das Ueber-
gewicht der Aula kommen könnte. In Gemeinschaft mit Goldmark hatte er be¬
reits am 24. Mai den Beschluß durchgebracht, daß die Aula geschlossen und die
Berathungen des Studeutenkvmitvs nnr den Angelegenheiten der Legion gewidmet
sein sollten, als das unvorsichtige gewaltsame Einschreiten der Regierung am 26. Mai
von Neuem einen gefahrvollen Sturm heraufbeschwor. An diesem Tage stieg Fisch¬
hof mit mehreren gleichgesinnten Freunden von Barrikade zu Barrikade, um uach
Widerruf der Proclamation wegen Auflösung der Legion seitens des Ministeriums,
die Bevölkerung zur Ruhe und Ordnung zurückzubringen. Aber bereits hatte das
Vertrauen, welches die Negierung in diesen Ehrenmann setzte, denselben in den
Augen des Volks verdächtigt. Der Ruf: Reactionär, durch welchen ihm seine
vereinzelten Gegner beim großen Häuser zu schaden suchten, brachte ihn an diesem
Tage mehrmals in Lebensgefahr, aus welcher ihn nur seine Unerschrockenheit und
die Hilfe der Nationalgarde retten konnte. Dennoch war seine Popularität in
der Mehrzahl der Bevölkerung so befestigt, daß ihm in dem Sicherheitsausschusse,
welcher am Abende desselben Tages vom Ministerium! kreirt wurde, die Präsideu-
tenwürde übertrage» wurde. An diesem Platze entwickelte Fischhof die ganze Fülle
von Talenten, mit welchen ihn die Natur ausgestattet hat. Eine hinreißende, ein¬
fache, aber treffende Rednergabe, Geistesgegenwart und feste Entschlossenheit in
gefahrvollen Momenten, eine gewinnende Milde und Liebeswürdigkeit im Um¬
gange mit allen Klassen der Bevölkerung, edle Offenheit und Männlichkeit im
Verkehr mit höhergestellten Personen, Klarheit und Schärfe des Verstandes in der
Leitung der verwickelten Debatten — diese Eigenschaften befähigten Fischhof zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/139>, abgerufen am 15.01.2025.