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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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erinnert, daß sie gemeinsame Frende und gleiches Leid zu tragen haben. Es war
eine rechte Familienfreude, welche von Baden bis Königsberg in alle Herzen drang/
als die großmäuliger Plakate von allen Straßenecken den ersten Seesieg der
Deutschen verkündeten.

Und ein tüchtiger Sieg war es! Zwei der stattlichsten Kriegsschiffe dem
Feinde weggeschossen, ein Linienschiff und eine Fregatte. Ein angenehmer, ein
ruhmvoller Sieg! Ach Gott, wir wären ja auch mit weniger zufrieden gewesen,
unsere Seehoffnungen waren im Ganzen noch sehr bescheiden. Wir hatten eine
recht herzliche Freude schon über unsere Kanonenböte, die allerkleinsten lieben Meer¬
schweinchen in der Heerde des Seegotts, wir gedachten unsere Wirthschaft so allmälig
von der kleinen Race zur größeren hinaufzuarbeiten, und jetzt wirst uns ein güti¬
ger Ostwind auf einmal den Elephanten Christian VIII. und das dänische Noß,
die Gefion, in uusern Seehaushalt; das eine Geschöpf ist zwar todt, aber das
andere lebt noch, und wir wollen es reiten auf der grünen Flut nach unserer
Weise. Ein erstaunlicher famoser Sieg! Was Alles dazu geholfen hat, es sei ge¬
lobt, es sei gepriesen! Die Schleswig-Holsteinische Artillerie, und die Nassauer
Batterie, und die Bürger von Eckernförde, welche riefen: bombardirt uns in den
Grund, aber wir lassen euch nicht ans dem Hafen heraus; alle braven Jungen,
welche schössen und Hurrah riefen, ja der Ostwind selbst, der dein Deutschen sonst
nicht zum Heile bläst, Alle seien gelobt und gepriesen! Wir haben uns sehr ge¬
freut, auch hier in Leipzig, wo durchaus kein Seewasser zu sehen ist, als im Hofe
meines Hauswirths ein kleiner Kahn mit den deutschen Farben bemalt. -- Euch,
ihr Männer von Eckernförde aber hätte ich gewünscht, daß ihr das brüderliche
Behagen aus allen Festlands-Gesichtern gesehen hättet. Wie eifrig wurden die
Karten aufgerollt, mit Kreide schrieb man die Stellung der Schiffe und der Bat¬
terien auf den Wirthshaustisch und entzückt glänzten die Angen der Zuhörer, wenn
irgend Einer das Wort ergriff, der Seeluft gerochen hatte und den Unterschied
zwischen Top und Topf kannte. Das war eine gute Zeit durch nautische Kennt¬
nisse berühmt zu werden; unerhörte, wunderbare Worte, wie: Steuerbord und
Backbord, lec und ins, Gästen und Masten wurden mit triumphirenden Blicken
hervorgestoßen; wer sie kräftig in den Faden seiner Rede einzuspinnen wußte,
wurde angestaunt, und es sammelte sich ein kleiner Theil der Eckernförder Ruhmes¬
strahlen um sein Haupt; er war für den Abend besser als die Andern, er stand
der deutschen Marine näher, als wir übrigen gewöhnlichen Landratten.

Eine kindliche, herzinnige Freude! Ach, sie ist uns Deutschen zu gönnen. Wir
haben wenig Freude gehabt in der letzten Zeit, unser junges Selbstgefühl ist ge¬
knickt, schöne Träume, ideale Wünsche sind durch eine traurige Wirklichkeit und
bornirte Gemeinheit vernichtet worden. Unsere Kraft ist noch so wenig bewährt,
unsere Empfindung noch so reizbar und aufgeregt, daß widrige Verhältnisse uns
mehr entmuthigen, als nöthig, als Recht ist. Selbst der dänische Krieg hat im


erinnert, daß sie gemeinsame Frende und gleiches Leid zu tragen haben. Es war
eine rechte Familienfreude, welche von Baden bis Königsberg in alle Herzen drang/
als die großmäuliger Plakate von allen Straßenecken den ersten Seesieg der
Deutschen verkündeten.

Und ein tüchtiger Sieg war es! Zwei der stattlichsten Kriegsschiffe dem
Feinde weggeschossen, ein Linienschiff und eine Fregatte. Ein angenehmer, ein
ruhmvoller Sieg! Ach Gott, wir wären ja auch mit weniger zufrieden gewesen,
unsere Seehoffnungen waren im Ganzen noch sehr bescheiden. Wir hatten eine
recht herzliche Freude schon über unsere Kanonenböte, die allerkleinsten lieben Meer¬
schweinchen in der Heerde des Seegotts, wir gedachten unsere Wirthschaft so allmälig
von der kleinen Race zur größeren hinaufzuarbeiten, und jetzt wirst uns ein güti¬
ger Ostwind auf einmal den Elephanten Christian VIII. und das dänische Noß,
die Gefion, in uusern Seehaushalt; das eine Geschöpf ist zwar todt, aber das
andere lebt noch, und wir wollen es reiten auf der grünen Flut nach unserer
Weise. Ein erstaunlicher famoser Sieg! Was Alles dazu geholfen hat, es sei ge¬
lobt, es sei gepriesen! Die Schleswig-Holsteinische Artillerie, und die Nassauer
Batterie, und die Bürger von Eckernförde, welche riefen: bombardirt uns in den
Grund, aber wir lassen euch nicht ans dem Hafen heraus; alle braven Jungen,
welche schössen und Hurrah riefen, ja der Ostwind selbst, der dein Deutschen sonst
nicht zum Heile bläst, Alle seien gelobt und gepriesen! Wir haben uns sehr ge¬
freut, auch hier in Leipzig, wo durchaus kein Seewasser zu sehen ist, als im Hofe
meines Hauswirths ein kleiner Kahn mit den deutschen Farben bemalt. — Euch,
ihr Männer von Eckernförde aber hätte ich gewünscht, daß ihr das brüderliche
Behagen aus allen Festlands-Gesichtern gesehen hättet. Wie eifrig wurden die
Karten aufgerollt, mit Kreide schrieb man die Stellung der Schiffe und der Bat¬
terien auf den Wirthshaustisch und entzückt glänzten die Angen der Zuhörer, wenn
irgend Einer das Wort ergriff, der Seeluft gerochen hatte und den Unterschied
zwischen Top und Topf kannte. Das war eine gute Zeit durch nautische Kennt¬
nisse berühmt zu werden; unerhörte, wunderbare Worte, wie: Steuerbord und
Backbord, lec und ins, Gästen und Masten wurden mit triumphirenden Blicken
hervorgestoßen; wer sie kräftig in den Faden seiner Rede einzuspinnen wußte,
wurde angestaunt, und es sammelte sich ein kleiner Theil der Eckernförder Ruhmes¬
strahlen um sein Haupt; er war für den Abend besser als die Andern, er stand
der deutschen Marine näher, als wir übrigen gewöhnlichen Landratten.

Eine kindliche, herzinnige Freude! Ach, sie ist uns Deutschen zu gönnen. Wir
haben wenig Freude gehabt in der letzten Zeit, unser junges Selbstgefühl ist ge¬
knickt, schöne Träume, ideale Wünsche sind durch eine traurige Wirklichkeit und
bornirte Gemeinheit vernichtet worden. Unsere Kraft ist noch so wenig bewährt,
unsere Empfindung noch so reizbar und aufgeregt, daß widrige Verhältnisse uns
mehr entmuthigen, als nöthig, als Recht ist. Selbst der dänische Krieg hat im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/110>, abgerufen am 15.01.2025.