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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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DaS Oktroyiren der Verfasslina, war für Oestreich ein großer Staatsstreich,
nur schade, daß er so kleine Menschen fand, welche ihn führen sollten. Ein großer
Sinn, ein weises Urtheil hätte das Unabänderliche schonend und versöhnlich, we¬
nigstens grade und ehrlich gethan, Sie aber Excellenzen benahmen sich wie Meister
Klnck oder stosset, wie ein haseuhcrziger Ränkeschmied und Prozessircr, der seinem
Nachbar den Gerichtsdiener ins Hans führt und sich dann versteckt, um die Scenen
nicht zu erleben, die er verursacht hat. Ihre Pflicht war wenigstens, in offener
Sitzung! mit versöhnenden Worten den Reichstag zu schließen, nicht seine
Thüren zu vernagln, wie ein Dieb in der Nacht.

Das war vielleicht mir ungeschickt, aber womit wollen Sie rechtfertigen, auch
nur entschuldigen, was nachher geschah? Wie blutgierige Wölfe lagen die Schergen
des Militärgerichts im Hinterhalt und fingen von den Deputirten ein, was sie
brauchten und-erhaschen konnten. Stand Krcmsicr auch in Belagerungszustand, daß
das Militärgericht von Wien durch seine Emissäre zwei gewesene Deputate da¬
selbst fassen und in Ketten nach Wien schaffen durste? -- Doch diese Frage ist un¬
nütz, unnütz ist es, in Oestreich noch von einem Recht und Rechtszustand zu
reden; die Willkür herrscht, die rohe Tyrannei der Kugel, Sie selbst, Excellenzen,
sind zu schwach, den Lauf der Dinge zu ändern. Daß Sie nicht durch eine ungewöhnliche
Geistesrichtung der Gefahr ausgesetzt sind, selbst dem Militärgericht verdächtig zu werden,
dafür danken wir dem Himmel, aber wir bedauern doch, daß Sie nicht erkannten,
wie der Moment des Oktroyirens einer Verfassung grade der Zeitpunkt sei, wo
die höchste Majestät des Staates sich in vollem Glanz, mit allen ihren Vorrechten
zeigen müsse, auch mit ihrem höchsten, der Gnade. Sie mußten ihrem jungen
Kaiser Gelegenheit geben, seinem Volke ein menschliches Herz zu einen großen
Sinn zu zeigen, Sie selbst mußten in dem Moment, wo Sie die Vertreter des
Volkes demüthigem und die Nation überraschten, Beiden beweisen, daß es Ihnen
ernst sei mit der gesetzlichen Freiheit, mit einem neuen Leben des Kaiscrstaats.
Eine Amnestie, Niederschlagung der politischen Processe, Aufhebung des Belage¬
rungszustandes mußten das Accompagnement der neuen Verfassung sein, nicht
das Geklirr der Ketten, welche Fischhof und Prato fesselten. Hüten Sie sich, Ex¬
cellenzen. Viele Grausamkeiten und Dummheiten sind im Namen des Militärge¬
setzes zu Wien verübt worden, ein Barbarei gegen Fischhof wäre das ärgste. Wir
Alle kennen Fischhofs Leben seit vorigem Frühjahr, das östreichische Volk weiß,
daß er eine der wenigen edlen Naturen ist, welche die Revolution erhob, ohne
sie zu verderben. Und wenn Sie selbst es nicht wissen, so fragen Sie ihren Col-
legen Bach, den bösen Genius Ihres Ministeriums, der einst so eifrig war, Fisch-
Hofs Brüderschaft und Liebe zu gewinnen. Um das Haupt dieses Gefangenen
schwebt ein Theil der Hoffnungen, welche die Partei der freisinnigen Conservati-
ven für die Zukunft Oestreichs hat. Hüten Sie die Militärbehörde, es wäre ein


DaS Oktroyiren der Verfasslina, war für Oestreich ein großer Staatsstreich,
nur schade, daß er so kleine Menschen fand, welche ihn führen sollten. Ein großer
Sinn, ein weises Urtheil hätte das Unabänderliche schonend und versöhnlich, we¬
nigstens grade und ehrlich gethan, Sie aber Excellenzen benahmen sich wie Meister
Klnck oder stosset, wie ein haseuhcrziger Ränkeschmied und Prozessircr, der seinem
Nachbar den Gerichtsdiener ins Hans führt und sich dann versteckt, um die Scenen
nicht zu erleben, die er verursacht hat. Ihre Pflicht war wenigstens, in offener
Sitzung! mit versöhnenden Worten den Reichstag zu schließen, nicht seine
Thüren zu vernagln, wie ein Dieb in der Nacht.

Das war vielleicht mir ungeschickt, aber womit wollen Sie rechtfertigen, auch
nur entschuldigen, was nachher geschah? Wie blutgierige Wölfe lagen die Schergen
des Militärgerichts im Hinterhalt und fingen von den Deputirten ein, was sie
brauchten und-erhaschen konnten. Stand Krcmsicr auch in Belagerungszustand, daß
das Militärgericht von Wien durch seine Emissäre zwei gewesene Deputate da¬
selbst fassen und in Ketten nach Wien schaffen durste? — Doch diese Frage ist un¬
nütz, unnütz ist es, in Oestreich noch von einem Recht und Rechtszustand zu
reden; die Willkür herrscht, die rohe Tyrannei der Kugel, Sie selbst, Excellenzen,
sind zu schwach, den Lauf der Dinge zu ändern. Daß Sie nicht durch eine ungewöhnliche
Geistesrichtung der Gefahr ausgesetzt sind, selbst dem Militärgericht verdächtig zu werden,
dafür danken wir dem Himmel, aber wir bedauern doch, daß Sie nicht erkannten,
wie der Moment des Oktroyirens einer Verfassung grade der Zeitpunkt sei, wo
die höchste Majestät des Staates sich in vollem Glanz, mit allen ihren Vorrechten
zeigen müsse, auch mit ihrem höchsten, der Gnade. Sie mußten ihrem jungen
Kaiser Gelegenheit geben, seinem Volke ein menschliches Herz zu einen großen
Sinn zu zeigen, Sie selbst mußten in dem Moment, wo Sie die Vertreter des
Volkes demüthigem und die Nation überraschten, Beiden beweisen, daß es Ihnen
ernst sei mit der gesetzlichen Freiheit, mit einem neuen Leben des Kaiscrstaats.
Eine Amnestie, Niederschlagung der politischen Processe, Aufhebung des Belage¬
rungszustandes mußten das Accompagnement der neuen Verfassung sein, nicht
das Geklirr der Ketten, welche Fischhof und Prato fesselten. Hüten Sie sich, Ex¬
cellenzen. Viele Grausamkeiten und Dummheiten sind im Namen des Militärge¬
setzes zu Wien verübt worden, ein Barbarei gegen Fischhof wäre das ärgste. Wir
Alle kennen Fischhofs Leben seit vorigem Frühjahr, das östreichische Volk weiß,
daß er eine der wenigen edlen Naturen ist, welche die Revolution erhob, ohne
sie zu verderben. Und wenn Sie selbst es nicht wissen, so fragen Sie ihren Col-
legen Bach, den bösen Genius Ihres Ministeriums, der einst so eifrig war, Fisch-
Hofs Brüderschaft und Liebe zu gewinnen. Um das Haupt dieses Gefangenen
schwebt ein Theil der Hoffnungen, welche die Partei der freisinnigen Conservati-
ven für die Zukunft Oestreichs hat. Hüten Sie die Militärbehörde, es wäre ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/463>, abgerufen am 24.11.2024.